Lyrik

Tasmania

Tasmania

( Abarbeitung an einem Lieblingsland )

 

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Anderswo

ja anderswo

weit weit

weg  …..

geben Zeltplanen dem Wind nach . In Holland gibts extra Segelkurse  , und an den Barockhäusern von der Straße weg-gewölbte Wände , von drei Jahrhunderten auf nachgiebigen Fundamenten in kluge Defensive geblasen  : Spielraum !

Eine holländische  Idyllenstadt verabreicht Seelenbügelei , die uns Gäste alle zu Gartenzwergen rück-mutiert …Spielraum !

Das historische Zentrum hier zu Middelburg bietet dazu unter anderem – und warum eigentlich? – eine hohe Friseur-Dichte , mit fasssst… so vielen Coiffeuren wie Kunst-Händlern und Atelier-Betreibern . Friedensdividende halt .

Der Un-Kundige fragt : Galerie Galerie…. ist dies eine Wiedergeburt quasi der Kunst-Lust im Golden Eeuw ? Als um 1600 jedes Interieur Genre wurde und man mit Malern in der Hauptstadt den Damrak pflastern konnte  ? Der Unterschied zu heute : Was die Kunst heute ( auf    `anderem´ handwerklichen Niveau ) abbildet/ verdoppelt/ beschwört : Ist nicht  die Freude an Besitz oder Erreichtem , an bürgerlicher Ruhe nach dem Sturm ( oder doch?) ….. eher die Dummheit vor dem Sturm .

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Verkaufs- oder Verhaltenshinweise für die Besucher aus dem Nachbarland ( auf Deutsch !) hier öfters in phantasievoller  Orthographie …Sprehcstunde fuer Beispil . Ja , ich sehe im schreiberischen Vorgehen dieser Einheimishen mehr kreatives Potential als in manchem Galerie-Bestücker .

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Tja ….und wer keine Kinder mag , sollte Domburg weitflächig umfahren . Und jedes quengelnde Blag wird bespaßt durch mindestens zwei Großeltern , die nicht mehr viel Zeit haben zum Alles-Richtig-Machen , nicht wahr .

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Das Meer lüftet ( unnötigerweise ) seine weiße Unterwäsche , wie Angebot wie Sprechstunde in der hygienisierten Praxis . Ich höre dabei nicht `der Nächste bitte ´, sondern `der Einzige heute  bitte ´, `der Einzige heute immer schon ´ . Ein Akkord : Wilde weiße Spitzendessous jubilierend weitherzig unbändig ……zwischen den Smaragd-Brüchen der Wellen , mit unweigerlich letztem Wort , irgendwann .

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Eine Passantin . Die Schöne , die den Platz vor dem Rathaus quert : Die hier Platz braucht , Platz nimmt , den Scheinwerferkegel auf sich hat wie eine Heiligenschein-Sonne :                                Und doch : Sie verliert an Vorgängerin wie Nachfolgerin vor dem Spiegelschafott und ist immer nur EINE , niemals ALLE , eine (1) einsam ach so einsame Benannte .

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Die berühmte Sängerin betritt die Bühne . Jeder weiß , sie weiß , in einer Minute wird sie singen , in einer Stunde gesungen haben , in fünf Minuten wird das Publikum sie erstmals in Applaus tünchen , feiern : Alles ist geregelt .

Einige sagen : Ihre Kunst schenkt uns eine andere Zeit  . Und  der Konzertbesucher weiß es und schätzt es hoch . Man kann auch sagen : Sie zelebriert im Detail ein Opfer , das unwieder-bringliche Opfer dieser Zeitspanne von Song zu Song zu Arie .

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`Sprezzatura ?                                                                                                                                                  ist nicht eben mein Forte ´,                                                                                                                       sagte der Prolet .

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Hinter uns auf der Strasse nach Zierikzee ein alter Mercedes , Baujahr wohl ungefähr             1960 .Warum fliegen so einem Oldtimer alle Herzen zu ?

Weil da wer zwinkert : Seht Ihr ? Alles ganz harmlos . Man kann es überleben ! Gar nicht so schlimm !

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Gartenzwergkitsch , auch in Zierikzee unter Glockengiebeln . Seht ihr ? Alles ganz harmlos ! Verwirrt fällt mein Auge auf eine Werbung : Pythagoras (!?)  Bei näherem Hinsehen heißt es allerdings : Pita Gyros . Soviel zu den heilgebliebenen Gartenzwergen . Aber man ist in einer Welt-Erbe-Stadt in NL . Wie um uns herum die Antik-Shops (!) zeigen möchten , in verschiedenen  Preiskategorien – aber alle unter Glocken-giebeln . Wo keine Galerie , da eine Antik-Butik( sic !) .

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Habe Bücher gekauft , schöne Bücher , die mir von den Regalen der `Drukkerey ´ zu Middelburg entgegenlechzten ; Druckwerk , das  ich auf zeremoniösen Händen gen Heimat tragen werde , wo ich die Werke dereinst wohl gar lese , jedenfalls aber auf ein schon übervolles Regal stellen werde  zusammen mit anderen Büchern  , die mir früher mal entgegenlechzten ; jedes eine passende runde  Antwort auf irgendein Frageloch in meiner langen Biographie . Und dort im Regalmeter die Nachbarschaft der anderen Werke umklammertlähmtLeselusterstickt . Ich denke mir ( zum wiederholten Male ) :

Die Lösung ist  : Bücher aussortieren , wegwerfen ! Für jedes neu angelechzte einen alten Staubfänger spenden an  öffentliche Bücher-Schränke ( wo sie dann durchaus herausragen würden in Sachen Geschmack ….)

Also : Ich löse  das Problem der mangelnden Wertschätzungs-Zeit durch räumliche  Ausdünnung und  gesteigerte , zwingende Konzentration auf dieses neue ( mich umlechzende ) Werk . Transformiere ein zeitliches in ein räumliches Problem undoder ach auch umgekehrt .

Bücher wollen die karge Mönchszelle , keine üppig schwitzende Bibliothek . Letztere lügt einem was vor von unbegrenzter Lebenszeit , Gelegenheit /Energie/Lust und Anlass zu wählen und zu schmökern . Die weißen Wände der Zelle wissen um den Wert dieses EINEN Oeuvres , die Antwort nämlich  auf ungefähr Alles ( im flanierenden Augenblick ).

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Ziegel in Häusern , Ziegel auf Strassen ! /was diese tönernen Massen/sich so gefallen lassen …

welche Gebirge von Ton waren anderswo abzutragen , um diese Stadt so kleinteilig auszu- ziegeln ? Irgendwo gibt es jetzt bestimmt die korrespondierenden Aushöhlungen , Trichter-und Bagger-Seen: Ist Holland auch deswegen so wässrig  ?

Ich gehe die leeren Morgenstraßen ; die Ton-Segmente zu meinen Füßen sind von Tau und Herbstregen gewaschen , und ich bin traurig , dass ich so viel Leere brauche .

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Zersiedeltes Land…Auffälliger hier als anderswo , weil die schnuckeligen Innenstädte diese Wollust an Abgrenzung , definitivem ` bis hier und nicht weiter ´ ausdrücken ? Zersiedeltes Land : Was kommt nach der nächsten Kreuzung ….was soll schon nach der nächsten Kreuzung kommen  ! Bäume , Wiesen , dazu ein Apartment-Hochhaus . Sportplatz . Endlich ein Acker . Dann ein Gewerbegebiet , ultramodernes Glas-und- Plastic-Styling , an der Auffahrt eine Fontäne wie im Schloss zu Versailles .

Dann ein Acker . Schwarze kraftberstende Krume . Ja , Landwirtschaft brauchen wir auch noch . Trots op de boer !

Aber irgendwer hat beschlossen : Hier sei auch Sibirien ! Ja wir haben Platz- wie nichts Gutes . Weitere Neu-Ansiedlung von 1-Familienhäusern . Mit Blick auf Umgehungsstraße .  Der Sportplatz wird nach 20 Jahren weiter rausverlegt , irgendwo nach Sibirien . Weg jedenfalls von der Altstadt-Ironie , die wie Venedig intimen Frieden schloss mit dem Wasser , welches drohte und reich machte . Wohin mit dem  Autobahnkreuz ? Irgendwo nach Sibirien . Ich meine  in das Sibirien da hinten . Wenn wer nach mir fragt , ich bin im Netz . Ach , Sie meinen , wenn wer klingelt ?

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Vlissingen. Seine ungeheuer breite Einladung , am Ozean teilzuhaben . Der graue Himmel hat darüber weggebügelt , dann und wann eine Sonne durch die Wolken , daneben auf einmal ein Blau . Am Deich ein geschmackvolles Denkmal in schwarzem Stein  für den Mord an den hiesigen 40 Juden , die zwei Jüngsten je 1 Jahr alt .

Das Meer rauscht und maßt sich eine Antwort an …. wir wissen , es rauscht und hat keine Antwort . Du bluffst Dir  vor , das Meer werde Dir gerecht : Na endlich mal wer ! Wir hier die Gerechten , unter Gerechten . Ein Denkmal für die Ungerächten .

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Und Emil Nolde schickt ein Schwarz :

„Ihre Papiere bitte !!! “.

Ein Dampfer rauscht heran

mit Namen `Amphitrite ´ ;

 

herbsteinwärts der Park unter Schock :

Vorbei ? so ein wildes Jahr ?

die Blätter fahl wie ertappt  ,

das Ganze abblasbar…..

 

das Meer lutscht laut an Felsen ,

hier werden die Dichter verklappt !

die Sonne gibts im Nachschlag

auf so ein wildes Jahr ….

 

Das Meer wie stets Überangebot

an Antwort …( un-dechiffriert ) ;

und : Nachkömmlinge kommen nach ,

dies selbstredend ungeniert .