Lyrik

All you can eat

 

oder : Im Land , das nicht ausweist

 

 

Roman

 

 

 

Da wir aber , wenn wir lieben , außerstande sind , als würdige Vorgänger des Wesens zu   handeln , das wir sein werden , wenn wir nicht mehr lieben , können wir uns unmöglich den Geisteszustand einer Frau vorstellen , der wir trotz unseres Wissens , dass wir ihr gleichgültig sind , in unseren Träumen unaufhörlich , um uns einzulullen oder über unseren schweren Kummer zu trösten , die gleichen Dinge gesagt haben , als wenn sie uns liebte .

( Proust, Mädchenblüte )

 

Teil 1 :

Milonga

“ Mach Dir nichts vor “ , sagte Christiane . “Männer denken nur an das Eine!” “ An Sex ?” fragte Marie Anne .                                                                                                                                                        “ Nein …..Dafür bin ich noch nicht alt genug ,” schaltete ich mich ein .

Genausogut könnte ich diese Geschichte damit anfangen lassen , dass ich Christianes Geburtstag vergessen habe . Ich vergesse häufiger Geburtstage . Ein Freund , über den ich ebenfalls sozusagen hinweg-lebe , meinte neulich spitz : “ Auf Deinem Grabstein könnte eines-                     ( hoffentlich fernen!-) Tages stehen : `Er wurde geboren , vergaß Geburtstage und starb.´ “

Wie viele Leute aber  auch Geburtstage haben ! Und dann erwarten , dass man sie im Frühwarnsystem eingescannt hat , am besten schon einen Monat vorher Vorbereitungen treffend etc. Der Geburtstagskult grassiert nach meiner Beobachtung am meisten im linksliberalen Milieu , wo alle Leute nur noch lieb zueinander sein wollen  , und in ihrer Kuschel-und Partei darf man wahrscheinlich erst Mitglied werden , wenn man mindestens 27 Geburtstage von Angehörigen , Freunden , Freundinnen von Angehörigen , Raumpflegepersonal der Hausmeisterin von Freunden der Angehörigen……abrufbereit im Kopf parat hat . Nun gut .

Christiane sackt am Ende des Stücks sanft aus den Armen ihres Partners  , landet auf den Stöckelabsätzen,  bedankt sich knapp und kommt zu mir zurück . “ Das ist ja …”, sieht mich an , schüttelt den Kopf ,  sucht nach Worten . “ Das grenzt ja an Unhygienisches . Was ich meine ?! Fragst Du wirklich ?!  Wie Du sie da angaffst .”

Natürlich hat meine Freundin und Lebensabschnittpartnerin recht . Abgesehen davon , dass ich am Tag zuvor ihren Geburtstag vergessen hatte . Doch….. jene  Frau , die ich da mal direkt , mal indirekt über Bande , Spiegel , durch andere hindurch ansehe und mit Blicken verfolge , nein , belege , hat mich schon beim letzten Mal , beim letzten Tangotreff , …ich könnte jetzt 0815mäßig sagen : Fasziniert , aber ich finde treffender : Gefunden .

Ich reagiere sauer ; Christiane weiß  , dass sie mich bei Erklärungsbedürftigem ertappt hat , würde diese Chance auf erfolgreichen Vorwurf nie vernachlässigen , und ebenso nie würde sie sagen , sie sei eifersüchtig .

Ich pampe zurück :

“ Sorgen wir doch einfach mal für Klarheit . Ich packe hiermit mein Megaphon aus , “(  krame so-tuend-als –ob  in meinem City-Rucksack ), “ stehe also auf und mache folgende Durchsage :

`Alle mal herhören , die Ihr da mit wie -auch- immer-Geschlechterrolle belastet seid , dringende Durchsage .

Ich gebe hiermit unter Zeugen kund : Mit folgenden hier anwesenden Damen möchte ICH , Johnny Dabbeljuh G. , nicht , betone ausdrücklich:

NICHT :

Pennen .´

Und somit hättest Du , werte Partnerin , längerfristig und belastbar : Klarheit über meine Gefühle . “

 

 

Aber nein .

Es kommt nicht zu dieser Durchsage. Habe ja auch kein Megaphon dabei .

Und meine Genervtheit in Sachen ehelicher Eifersucht und Hellseherei wird – what a wonderful world – säuselnd besänftigt durch den neuerlichen Anblick….. jener Tänzerin , ja , jener dort , deren Anblick mir gerade ! mal wieder ! durch  ihren vornüber geneigten dicken Partner verstellt ist .

 

 

Im Windschatten….

Können SIE  übrigens, liebes Lesepublikum , ein Geheimnis bewahren ?

Ich nicht . Umso besser für Sie !

“ Um das mal präziser zu fassen ,” sagte mein Psychiater ,” wie  verliebt genau sind Sie ?“

 

Pause .

Er meint :..auf  der nach oben offenen Skala von : Geschirr versehentlich fallen lassen ? Ampel bei Rot überfahren , Knöllchen-Aufkommen /egal ? Alle möglichen Kennziffern und Bankcodes verkramen  ?

 

“” Geburts-und Hochzeitstage vergessen !” so mahnend klagend

möchte-gern-Ehefrau Christiane ( in der psychiatrischen Praxis abwesend ) .

 

 

Die Geschichte , die ich hier erzähle , erzählen wir  sozusagen zu zweit . Wir ( Erzähler plus Angebetete ) bieten dem Publikum nicht die Wahl zwischen Happy End  und `Voll Vermasselt ´ . Wir haben die Wahl zwischen 2x schlecht .

Entweder SIE , Marie Anne , sorgen dafür , dass der letzte Satz lautet :

` Du hattest nie eine Chance ´

 

( aber bitte , liebe Leserin , lieber Leser , jetzt nicht spielverderbend hinten nachschauen )

 

– oder MEIN Satz lautet :” Wie konnte ich mich nur so täuschen : In Dir , in mir , in uns !“

 

 

Und in Kenia

steht jetzt  ein ganzer Nationalpark leer ! Alle Elefanten , die ganze Herde mit Büffeln , Müttern und Kindern sind verschwunden  , und haben sich glatt  hier in unserer Wohnung eingefunden !

Elefanten , über die man nicht spricht .

 

Elefant 1 : Ich bin 20 Jahre älter als Marie Anne .

Nr 2 : Ich würde nie Christiane verlassen , einer anderen

Frau zuliebe  . Oder ?

 

 

Das bringt mich zu

Elefant 3 : Nach schätzungsweise , bei optimistischer Einschätzung meiner Toleranz , sagen wir 1 Monat … hätte ich mit Marie Anne symmetrisch ziemlich genau das ,  was ich jetzt mit Christiane habe . Die ich ab jetzt zur Vereinfachung einfach `Ehefrau ´nennen werde .

 

Nein ! Nein !

 

sagt alles in mir .

 

Elefant Nr.4 ( aber wirklich ein Prachtexemplar , ein Riese unter den Riesen !) : Ich liebe Marie Anne , bin verschossen , verzweifelt , entwurzelt , hänge am elastischen Seil von der Brücke , mal entzückt , mal verzweifelt , mal ermutigt und erhoben , nach oben gerissen , mal unten zerschmettert , unter allen möglichen Elefantenfüßen zerquetscht .

 

 

“ Sternzeichen ?”

Oh Nein ! Sie also auch ! Welche Art von Entscheidungen wird sie jetzt eventuell von was weiß ich : Aszendenten ?( ich weiß wie mans

schreibt !)  abhängig machen ?

Ich sage :

“ Wassermann ! Negativ ? Zornmütig ! Positive Eigenschaften ?

( wo fange ich an …) `Phantastisch ´. Las ich mal auf einer Zuckerwürfel-verpackung .”

“ Kaum zu glauben ! “ Sie rückt zur kritischen Inspektion etwas näher .

“ Glaube ich ja auch nicht . Lese aber allzugern Horoskope . Immer eine Anregung . Weil ich das tue , schreibe ich sie mir gleich selber . Für heute steht da : Treffe junge bezaubernde Frau , phantastische Tänzerin

in tollem Outfit ,  die mich nach meinem Sternzeichen fragt .”

Christiane ist auf Toilette , daher unser unbegrenzter Auslauf auf  SmallTalkWiese .

“ Und Sie ?” Endlich kann ich SIE etwas fragen .

“ Jungfrau natürlich .”

“ So so , natürlich . Danke , keine weiteren Fragen .”

Beim nächsten Treff könnte ich ihr von meinem zwischenzeitlichen Traum in der darauffolgenden Nacht erzählen , weiß aber nicht so recht .

Der Traum ging so : Ich fahre mit einem bärtigen jungen Mann südländischer Herkunft , jedenfalls südländischer Aufmachung , schwarzer Bart etc im Lift . Er hechelt und schaut hektisch drein . Das Licht geht aus , der Lift ist im Stillstand .

Er :” Mist , sie kriegen mich .”

Ich nehme ein Feuerzeug zur Hand und sehe ihn an .

“ Schauen Sie mich nicht so anklagend an ! Der Anschlag ist halt fehlgeschlagen . Sprenggürtel versagt . Nix passiert da oben bei der US-Ausstellung  `400 Jahre Virginia ´. Und jetzt …haben Sie was ? habe nix dabei , mich umzubringen .”

Ich frage .” Aber ….warum nur machen Sie sowas ? Das Leben ist doch schön !”

Er : “ Nicht so schön wie das Jenseits , in das man als Märtyrer einzieht .

Stellen Sie sich vor , 27 Jungfrauen !”

 

 

 

An einem Sonnen-Nachmittag im Februar !

Wohl von sich selbst überrascht , wir danken es dem Klima-

Umschwung .

Ein Nachmittag mit Goldrand auf kühlreinem Porzellan , und  das noch winterliche Schweigen in Klammheit und Kälte gibt dieser Helligkeit etwas Privates , etwas in persönlicher Zueignung . Ein Nachmittag mit freundlich dosiertem Heiligenschein ; die Sonne winkt  uns zu : Seht her , hier ein Amuse Gueul , ein Gaumenkitzler .

Und Ihr zwei da unten hinten rechts , ja IHR ,  schmiedet Reisepläne ? Holt schon mal Schwung für ein kreiselndes Abheben von Airport und Alltag Richtung …irgendwo , wo es versprochen genauso schön ist wie jetzt hier ? Dauerhaft , versteht sich .

 

Reisen .

Mit IHR ( nur/mit/ihr) reisen . Bin überrascht , wenn ich in mich hineinhorche:

Als ob mein Reise-Schmachten durchaus etwas mit : Müdigkeit ! zu tun hätte  ? Mit ihr reisen ! ein kuscheliges Müdesein , wohlig gähnend hinausschauen in die Landschaften ausserhalb unseres Wohnortes , wenn ich aus dem Autofenster in die Elbmarschen hinausgucke , die man verträumt gern einmal per Pferd queren und hinter sich lassen würde , aber nur langsam , in diese  und andere , aufregendere Landschaften : Hineinvertrauen ….

 

 

Bin heute beruflich unterwegs .

Von der Autobahn aus hast Du den privilegierten Logen-Platz :

Schau mal , eine Idylle , fahr langsamer , schau schneller : Ein Bauern-hof mit schmalem Zufahrtsweg , von welcher Strasse , welchem Ort

aus ?  Ortsabhängige Kühe , erste märzgrüne Hecken , sogar schon ein Kirschbaum-Versuch in Weiß ; wenn überhaupt Autos , dann geparkt oder nur langsam über die Schlaglöcher der Landstraße kriechend ;

ein Wäldchen , das den Blick auf das benachbarte Autobahnkreuz unbedingt verstellt ; jetzt : Ein Gewerbegebiet ! aber dann wieder

beruhigend Plaine , Ebene , dort hinten ein neues Gehöft ; falls man im letzten Krieg aus dem abstürzenden Flugzeug heraus hier notgelandet wäre, hätte man sich unbedingt auf dieses Gehöft zu bewegt ( und wäre dort gut aufgehoben gewesen ) . Ackerfurchen mit Bezugspunkt irgendwo da ganz hinten . Ganz hinten also :

 

Ein Reiseziel ….

 

Bin dann auf meiner Vortragsreise angekommen in Düsseldorf .

Und die dortige St.Andreas-Kirche lässt mich ins Träumen geraten …….

Österliche Sonne fällt in die Fassade einer Basilika auf einer der Seiten dieses kleinen Campo . Ich könnte den Namen der Kirche in Venedig herausfinden und festhalten , aber das wäre kleinlich gegenüber einem Traum , respektlos , anmaßend , unterwerfend ; pastellgelb die Barockfassade , deren Aufscheinen gerade den Winter milde für beendet erklärt ; der Vorplatz irgendwie besonders geebnet , hier könnten Kinder Rollschuh fahren , ihre Rufe widerhallend und fröhlich , endgültig

fröhlich .

 

 

`Du bist ihr verfallen !´

(argwöhnt Christiane ; erwähnte ich schon ? Sie ist ansehnlich athletisch sportlich drahtig , nirgends kein Gramm Weichheit zuviel zuwenig , blonde Haare , blaue freundliche Augen , spitze Nase , oft mit verstörender Brille auf derselben  ) .

`Verfallen ´?  Mir fällt im Versuch , alles Mögliche vor meiner  langjährigen Partnerin zu verschleiern , ein Wortspiel mit `Verfallsdatum´ ein . `Verfallsdatum übermorgen ´ oder so .

In Wirklichkeit ist mir mehr nach dem verfallenden Denkmal im Park , das vor sich hinkrümelt , unter Taubenschiss , grünspanig angepinkelt von Hunden , geätzt von Automief , intensivst-möglich vergessen von vorbeilaufenden Schulklassen ; in einem imaginären Gegenüber vom Steinklotz , auf der anderen Seite vom Spielplatz ,  den ein Pygmalion schöner und schöner ausformt und schließlich letztlich zu guter Letzt : Auch noch beatmet .

 

 

Es ist fünf Uhr morgens .

Ich skizziere diese Gedanken mangels anders verfügbarem Schreib-papier neben dem Bett auf unbedruckte Flächen des Zentralorgans (`Süddeutsche Zeitung ´) von gestern , und die besten übriggebliebenen  weißen Flächen sind die Pietätsabstände zwischen den einzelnen Todesanzeigen .

Die Vögel erwachen ! unsere Geschichtsschreiber , die Schriftkundigen , läuten eine neue Seite ein , die zu füllen . Die Sonne geht auf über Graffittis , Lyrikern ; Grabinschrift-Schreibern ……

Ich schreibe also Tagebuch und merke , wie mir Herodot und andere

über die Schulter gucken : Historiker sind meine wahren wenn auch letzten Verbündeten .

Wenn nichts mehr bleibt von dem , was sowieso nie war , war wenigstens , ja was ? dieses Wortegeplänkel , leichter Wellenschlag im Tümpel , das mit allem anderen irgendwie mal war und nicht blieb und niemals zum Trost gemeint war . Warum ruft Marie Anne nicht an ?

 

Als ob ihr überdeutliches Hier-bei-mir-sein gestern erst , als ich sie tangoführend um die Hüfte fasste ,  nur Luftblase oder Traum gewesen wäre .  Warum ruft sie nicht wenigstens an ?

 

“Wir hätten uns viel zu sagen . “

 

NICHTS-sagende Äusserung !  genauergesagt : Ich hätte IHR viel zu sagen , und ihre Antwort wäre mehr als nur Akustik , wäre fassbar ,

belastbar , wie eine Skulptur zum Drumrumgehen und sich den Schädel stoßen .

Vor einer Ehefrau hat man viele Geheimnisse , mit den Jahren mehren sie sich , wie Jahresringe ; sage mir , wieviel Geheimnisse Du hast vor ihr und ich sage Dir etc . Man hat Geheimnisse ….oder versucht , sie zu haben .

Mit DIR , Marie Anne , aber an der Schwelle stehen : Zum Reich der berauschenden : Geheimnislosigkeit ! Was wir uns alles sagen

können   ! Wofür wir Zeit finden ….

Viel zu sagen – die ganze Welt inclusive Shakespeare wären eine riesige Übersetzungsaufgabe für mich , für uns beide  , alles muss Worte finden : Und vielleicht meine Hand um Deine Hüfte . Überraschend schwer übrigens und massiv  , irgendwie , die Hüfte .

 

 

Apropos Verfall .

“ Denk mal über den Tag hinaus ,” sagt mein Freund und Psychiater .

“ Wie würdest Du Dich am Tag danach , am Morgen danach (?) fühlen ?

Guck mal über den Tellerrand .”

Wer solche Freunde und Psychiater hat , braucht kein Beerdigungs-institut .

“ Auch andere Frauen haben schöne Titten ,” weiss er noch .

Wo er Recht hat , wie ich wirklich nicht erst  seit Besuch besagter Seiten

im Internet ( diesbezügliche Confessio siehe unten ) bestätigen kann .

 

 

Und alles alles  lebt .

Wie machen die das ? Ich beneide alle und alles . Die Frau im Wagen neben mir an der Ampel . Sie hat es offensichtlich eilig , trommelt mit den Fingern am Lenkrad . Ein Jobtermin ? Kinder von der Kita ? Schwieger-mama abholen vom Bahnhof ?

Alles lebt , hat seine Geschichte zu erzählen , sein angeborenes Recht auf Verschwendung . Oder hektische Vermeidung derselben .

Ich verstehe die Todesverliebtheit  der Amokläufer . Dieses Ruhebedürfnis .

Die Ampel zwinkert um von rot auf gelb , schon ist der Golf mit Frau am Steuer hundert Meter weiter  . Dass sie ihrem Lover entgegenfiebert ? Nein , so etwas passiert nur mir. Die ewig gleichen Leiden des nicht mehr ganz jungen JOHANN .

Der Rest der Welt guckt  gelassen aus der Wäsche .

 

Happy… ever after ?

Ein aber nun wirklich gründlich vor die Wand gefahrenes Prinzip , sagte

( nicht nur ) der Scheidungsanwalt .

`Und wenn sie nicht gestorben sind ……´ Stattdessen :

 

`Happy ever : Before ! ´

 

Und dann niemals niemals niemals sein Ziel erreichen…

Voraussetzung : Beide halten sich an die Spielregeln ! Nicht dass einer von beiden sagt : Ich biege hier von der Schiene ab , Tschüs ! oder , noch schlimmer : Nix da , `before ´  ! Bätsch , ICH bin angekommen , hier endet für mich das `before ´. Und before was eigentlich ?

Und tschüss .

 

Happy ever before .

Oder , wie Proust sagt , Happy ever after : Last night , last year , das gestrige Treff werde ich nie vergessen , es bleibt um mich , mein Lieblingsparfüm ; in DEM Sinne okay : Happy ever after gestrige Nacht : Was wir sagten ( fantasiere ich ) , die Zufallssymphonie , die komischen Leute im Fahrstuhl , der vertretene Knöchel , die wie nie gehörte Melodie aus dem Lautsprecher , Dein unerwartetes Lächeln über der

Speisekarte , der plötzliche Regen draussen vor dem Fenster des Restaurants – full stop here , und forever , happy ever after in meiner Gedächtnis-Rumpelkammer .

 

Sie war gestern hier !

mit Macro , wollten ein paar Runden Tango drehen ; in meinem Studio ! Macro hatte aber launischerweise keine Lust auf Tango , versank in einem Sessel und schlürfte Tee. Ergo fühlte ich mich  berufen , sozusagen in kleinerem Maßstab , einige mir vertraute , sprich einfachere  Tango-Muster aus dem Standard abzurufen und mich mit ihr in meine Bibliothek hinein zu winden . Sie korrigierte die Position meiner Hand auf ihrer Hüfte (`kräftiger ! die ganze Hand !´) und war nicht unzufrieden mit  unserer Umsetzung ( neudeutsch : `Vertanzung ´:

I Gitt! )  von Piazolla und Gardel .

Sie war hier !

Ich fuhr sie schließlich nach Hause , betrat dann nach Rückkehr meine Wohnung wieder , in der ich das Licht angelassen hatte . Alles soll so irgendwie nebenbei aussehen .

Ich , wirklich ICH ,  bewohne also tatsächlich diesen von ihr geadelten Glas- und Glanzpalast ! Sie hatte auf dieser glatten Stuhlfläche gesessen …  keine Spur demnach , die ihr Hinterteil in einem Kissen oder auf einem Sessel hinterlassen hätte . Sie hatte diese Luft geatmet ; ich machte das Gartenfenster auf , draussen war Frühlingserwachen , die einströmende Frischluft machte Bekanntschaft mit den Aerosolen , die SIE hier eingebracht hatte .

 

Und es folgt

ein weiterer schöner Spätfebruarmorgen . Frühlingshaft milde schon mit Morgensonne , die Strassen und Gärten noch still , Tauben gurren mitteilsam , die menschliche Belegschaft erwacht vielleicht gerade erst aus dem Schlaf : Zweifellos : Dem Schlaf der Gerechten .

Liebe macht blind .

 

Und öffnet das Traumkino .

“Oh Marie Anne , Sie ….Erfinderin der Bilder  ! Wie Sie da mit neuem frischen Geheimnis , frisiert duftumwölkt gebirgswasserbenetzt ….zum Frühstücksbuffet hereinschreiten und die Fahrstuhltür hinter Ihnen gebannt verblüfft tatsächlich noch einen Augenblick offensteht ; Sie , nachdem Sie durchaus meinetwegen in  eigenem Zimmer die Nacht zugebracht haben , ja auch dieses Zimmer mit Meerblick , jetzt schreiten Sie wahrnehmungsbereit und lächelnd , in neuer recht weit geöffneter

Bluse , in den Frühstückssaal unseres kleinen französischen Hotels ;

oh Marie Anne , Erfinderin der Sprache   , nicht nur der Bilder , nicht nur des Tanzes  , weil ich Ihnen erstmals auf diesem Weltenrund  Alles , wirklich Alles sagen kann und will und das zum ersten Mal , so wurde es noch nie gesagt ; alles was ich Ihnen erklären möchte und gestern abend noch nicht geträumt hatte .

Wir sind gereist !

 

Wir sind also eine Nacht und einen halben Morgen weiter , weiter weg von . Und : Wo ist der Schlüssel zu dieser Welt , mal banal gefragt ?

 

 

Auch Christiane

wurde zu dieser Zeit lyrisch :

“ Wie groß müsste der Hut sein , unter den wir zwei Frauen beide passen , Marie Anne und ich ? Welcher Couturier und Modista bastelt Dir sowas :

Die eine Hälfte regenabweisend , imperméable , und die andere fächelnd leicht , wie soll ich sagen , Calatrava-luftig , für die heißen Tage in der Freien und Hansestadt ?”

Wobei sie das Wort `heiß ´so erhitzt und kühlungssuchend wie einst Marilyn Monroe flötete .

Tja . Ich blieb eine Antwort sozusagen pflichtschuldigst schuldig .

 

Christiane und ich sind nicht verheiratet . Und haben ausser einer Beziehungsgeschichte von 2 Dekaden auch getrennte Wohnungen in zehnminütiger Abstandsweite ; ich hüpfe zwischen den beiden Adressen hin und her , das hält  jung , habe ich mir sagen lassen , fast so wie das Rasieren .

Pingpong zwischen Wohnambientes verschiedener Art :

Christiane wohnt gediegen .  Was soll man dazu sonst sagen .

Ich wohne quasi in einem Atelier rund um meine Bibliothek und meinen Schreibtisch herum . Und mein Bett .

Und – ich gebe es zu – diverse Spiegel .

 

Und wenn schon Spiegel , dann….eigentlich wollte ich sie alle verhängen oder gleich auf die Straße stellen .

Meine Spiegel enthüllen die tragischen Wahrheiten , die , wenn schon tragisch , nicht  weniger trostlos sind in ihren Verrichtungen :

 

Soooo ?

 

könnte SIE mich also sehen , so sieht sie mich , sie ist hier , allerdings um den Preis , mich soooo sehen zu müssen .

Aber wenn schon Spiegel …ich rasiere jeden Morgen und Nachmittag etwas in mein Gesicht hinein , das einer Babyhaut am nächsten kommt ,

übermäßig  viel Geschabe ergibt sogar Baby-Rosa , jedenfalls : Ich habe mich ja gut gehalten ! Bestätigen mir die Preisrichter… alle die , die nicht Marie Anne heißen . Und noch einmal mit der Klinge über das Kinn und die Wangen , die sie ja doch…. eigentlich…zur Abwechslung  mal küssen könnte !

 

Ich bin zwanzig Jahre älter als sie .

Na ja , was heißt das schon , denke ich mir , würde ein guter Freund jetzt passend sagen . Müssen . Wo war ich vor zwanzig Jahren ? Was tat , dachte , unterließ ich damals ? Noch genauer : Was habe ich damals nur ( warum nur , warum nur ) verschoben !

Ich hätte damals sagen können : Lass Dir Zeit , Kleines , ich lebe schon mal vor . Es soll Dein Schaden nicht sein .

Ach ja . Wieder einmal so ein verzweifelt vergeblicher Satz aus einer

der Standard-Sackgassen  , in die sie mich verbannt hat wie in einen sinistren Burgkeller . Ich zeige deutliche Zeichen von Materialermüdung , meint mein guter Freund , der allerdings gerade woanders ist .

 

 

Materialermüdung ?

Unsinn !

Jetzt , im Frühling , mit Vögelzutraulichkeit , dringlich ! und umzingelt von diesem durstig-süffig-erhörenden Grün überall ,  Ende von allem Mundgeruch ! Ich möchte ihr morgens , als wenn wir zusammen erwachen , eine Decke aus all dem um die Schultern legen .

Die vorzugsweise nackten .

 

“ Du bist  zwanzig Jahre älter als sie , “ sagt Frau Christiane . Wo sie Recht hat . Aber .

Genau deswegen ….darf ich konservativ sein , also der eigentlichen

Jugendbewegung angehören : Nämlich die eigene  ( bleibende !) Jugend  verteidigen , gegen die , die sie nicht ernst nehmen wollen : Diese heute Zwanzigjährigen .

 

“Du hast neuerdings so was Tänzelndes an Dir !” sagen mir Bekannte , die naturbelassenen Durchblicker  , mokant . Stimmt . An der Stelle ist es

wirklich einfach , Recht zu haben .

Schwung , Grazie , Feinmotorik : Ich sehe mir gerade dabei zu , wie ich die zusammengeknüllte Telefonrechnung aus etwa vier Metern in den Papierkorb werfe und fast treffe . Wenigstens  WOLLTE ich was Gelungenes aus der Aktion machen .

Natürlich ist SIE , Marie Anne , die geheime Tanzmeisterin . Christiane und ich lernten sie beim Tango kennen , und seither…bringt sie , die Logen-Vorsitzende , die Verhältnisse zum Tanzen .

Soll heißen , wie auf dichtbesetzter Milonga-Tanzfläche , wo man auf einem halben Quadratmeter eine abgerundete Barrida einrichten

möchte , was Marie Anne auch kann – wie beim Tanzen so auch in der Garage oder im engen Badezimmer meines Ateliers .

Immerhin habe ich jetzt ein Kriterium für das ästhetisch-artistische Gelingen , nicht nur einer kleinen trivialen Operation ( Tischdecken in 4 Drehungen in 13 Sekunden ) , sondern des ganzen Tages . Oh Marie Anne , Oberaufsicht…. Unterkühlte .

 

 

Da wir bei unterkühltem Warten sind :

Ich als Dein Zudringlichkeits-Beauftragter , sozusagen .

Werde zu einer öffentlichen Gefahr , scheint mir , von Tag zu Tag mehr ; Tag , an dem sie mich nicht anruft . Ich werde der amtlich bekannte und polizeilich gesuchte Meister des `negative stalking ´, der nicht unter dem Balkon lauert oder  hinter der Kleiderschranktür wartet ; nein , jemand der wartet wartet wartet , folgenlos spurlos wartet darauf , angerufen zu werden ; der alleinige Bewohner des kosmischen schwarzen Lochs , in das keine Telefonsignale durchdringen .

Wer weiss , durchdringt es mich da gerade : Vielleicht ist ja auch

Jochen , genau , DER Jochen , mit dem sie früher zusammen war , und der jetzt einige Jahre schweigsam abgelegt ist , auch er so ein Könner des aggressiven , nichtsverzeihenden Wartens ? Noch so eine schwarze Sonne ?

 

“ Und …haben Sie auch

einen ordentlichen Beruf ? Ausser Tango-Schlampe ?”

Sie stutzt und lacht .

“ Ich bin das Fräulein vom Amt !”

Für mehr reichte es damals beim ersten Tango-Treff nicht .

Und ich sah vor meinem Auge das Hof-Fenster mit Sparkassen-Hauptverwaltung meinem Atelier gegenüber ; ein Dutzend Büroräume per Kameraschwenk ; von morgens sieben bis nachmittags fünf sitzt das ganze Personal (Mann =älter/ Frau =deutlich jünger ) vor irgendeinem Bildschirm , hoffentlich auch meine Einlagen fleissig vermehrend ;  vor einem Bildschirm , nie im Kundengespräch , vielleicht fremdsprechend mit dem Geschäftspartner einer Aktienabteilung in Singapore  ; alle in derselben Haltung , acht Stunden lang , äußerst geringfügig nur bewegt ,

fast wie in Madame Tussauds Wachsfiguren-Kabinett .

“ Nein ,” sagte Marie Anne  ( als so benamt lüftete sie erstmals ihr schroffes Tango-Incognito) , “ ich arbeite beim Patentamt .  Bin Patent-Anwältin . Die jüngste in der Hansestadt ( wollten Sie das nicht

wissen ? ) “ .

Soso .   Wie aufregend .

Also dann wohl auch nicht in einem Großraumbüro  . Obwohl . Nichts gegen Großraumbüros , in denen wackere Sachbearbeiterinnen hüftschwingend zwischen Schreibtischen hin und herwedeln , Akten auf dem Arm , den männlichen Kollegen sehr zur Freude ….ich schweife ab , und in der Sparkasse mir gegenüber wedelt gerade eben niemand mit den Hüften , schwenkt Frisuren , strafft  Muskulatur .

“ Und …als Patentanwältin  ist die Kreativität von nerdiger Kundschaft Ihr täglich Brot ?” sage ich , ihr brav die erwarteten Ochos cortados anstelle eines unerwarteten Ganchos  zumutend .

Ich machte noch ein paar Witze à la Zeitgeist über Amt und Ämter , Beamte und Bekannte .

Auf ihre Frage , was ICH denn so mache , ging ich dann in die

Offensive :

“ Ich bin international verkannter , regional verrufener Verfasser von erotischen Gedichten .”

“ Ach ,” meinte sie und guckte unwissentlich unerotisch .

 

 

“ Wie sah sie denn aus ?”

fragt Christiane , die an jenem zweiten Abend unserer Bekanntschaft nicht zum Tango kommen konnte (  Vorfall in der Intensivstation !) .

Dazu könnte ich nun manches ausführen : Werde es aber für Dich , Christiane und Dekaden-Partnerin , auf sehr  Reduziertes reduzieren . Ich sage Christiane also nicht , dass Marie Anne ein Paar lange , im Regelfall schön bestrumpfte Beine hat , ein kräftiges Gesäß , durchaus irgendwie argentinisch Pampa-und Reitpferd-angemessen ; sie hat einen unauffälligen Busen , vielleicht drahtig zu nennen ; eine spitze Nase , himmelblaue Augen , die kein Wässerchen getrübt hat , in denen  sich gelangweilte weite ostfriesische Himmelblaus spiegeln  ; ein heller Birken-Teint , skandinavisch Lagerlöf-mäßig ; ein freundlich rundes Gesicht ,  lange , natürlich flachsblonde  Haare , meist in einem Zopf , der um den Kopf herum wie Ernte-Ährenkranz gewunden ( Grüße von Eva Braun ) , oder im Knoten aerodynamisch schubverleihend geballt ; ach ja , die Augen …

man kommt notgedrungen darauf zurück : Kullernd fröhlich oder tief abfallend in triste Brunnen , wenn sie etwa über Macro betrübt ist

( zu diesem Charakter mehr später unten ) , eine etwas unreine Haut und deutlich dunkelgrauer Koteletten- Flaum …aber diese munteren  schalkigen spielfreudigen Augen ! Schalke 04 , könnte man sie nennen !

 

 

Domina der Grausamkeiten !

In Ihrer vorläufig (?) letzten Mail sagten Sie , diese Woche ergäbe sich wohl leider keine Möglichkeit zu Treff , Tango , Spaziergang – wirklich schade ….und ich solle sie nicht immer Schalke nennen .

Gut also .

Mutter der Grausamkeiten . Aber vielleicht sind es diese Stiche , Impfungen , Axthiebe , die kehrtwend meine große Wunde veröden , vernarben lassen , eine Bernsteinglasur irgendwo auf vorletzter Seite  meiner Biographie bewirken . Nein nein nein , wir wollen keine Immunisierung . Schmerzensreiche !

Ach !

Nur über den Schmerz des Sorry -Leider-Nicht-Entsagen-Könnens

ist mir all dieses Wahrnehmen erlaubt , das Genießen unserer gemeinsamen `Jules-et-Jim´-Momente . Es gibt diesen Schmerz

der Dich-nur-hinter-Glas-Wahrnehmung ; als Alternative , bei Offenbarung meiner Verfallenheit , den Schmerz der Asche , in der drei (3) Personen unglücklich werden könnten , geräumig .

 

 

Schmerz oder Schmerz , das ist hier die Frage !

Schmerz 1 : Auf Entzug ! Ein ununterbrochenes Geysir-Hochkochen von verlieren-verlieren-verloren ;

 

oder ,

 

Schmerz 2 : Asche , Tränen , graue Haare bei Christiane , vernachlässigter Eigenstolz bei mir , kalte Schlaf- und Wohnzimmer , müdes Schleichen über Korridore in zu groß gewordenen Wohnungen .

Nutzlos gewordene Festnetzanschlüsse und Handies .

 

Wer hat , der hat : Ein Luxusproblem von Unrast und Schmerz.

Halbierte Welten . Ein halbierter Ehering , eine Sekante , ein schwarzweiß Schachbrett in axialer Brutalität . Ein Goalgetter , dem zum

Torschuss leider – tja – ein Bein fehlt .

Aber ….dies ist ja ein freies Land ….wenn ich es denn nur sagte…sagen könnte ! Und der treue Magnetismus des Katers , der folgen und auf Tage Monate Jahre alles in Asche stürzen würde .

Ich wälze mich im Bett , fühle mich augenblicklich in Ostfriesland , in einer Landschaft ohne Zaunpfähle .

 

 

Und dann wieder in  Wilhelmsburg am Fluss . Der Fluss ist mein Beatmungs-Gerät . Unter Freunden und Bekannten versteht es so recht niemand ,  warum ich hierher zur jeweiligen inneren Einkehr fahre : Ein Hamburger  Abbruch-Areal , fast monochrom in rußigem Ziegelbraun ; vermauerte Fenster , rostige Eisenträger und -geländer , Glasbruch ; allerdings Efeuteppiche an den Aussenmauern ; wer da will spreche von Biotop . Landschaft mit links ; Efeu windzerzaust ; ganze Wände , die im Frühling eigentlich grün sein müssten , nunmehr aber noch dauerwinter-besiegt duster .

Birken quetschen sich aus Mauerritzen ; kein Mensch weit und breit , nur treuherzige Hundekacke zeugt von gelegentlicher Randnutzung dieser Meile . Darüber Elbmarschen-Himmel . Eher unfarbig .

Plastikfetzen wehen aus den Uferbüschen , und Graffitis sind das

Kulturprogramm , Lesestoff im intellektuellen Niemandsland zwischen der Möchtegern-Fantasy-Kunst der Sprayer  und alkoholisierten Politparolen : Fuck Cops ! – naklar .

Ich mache von fast allem in fast allen Perspektiven Photos .

Beton nein Beten :

Ich denke mir , diese alten Hallen könnten nicht nur mir zur Kirche dienen , Beten angesichts Beton , eine Zerfallsurkunde mit dem zugigen Hinweis auf das , was vielleicht darüber hinweg , da hinten zur Rampe hinaus ? weiter lebt ; lebt , aber diesen einsamen Verfall als  Grundierung braucht .

Und da , an einem Geländerrest , hat im Rost Halt  gefunden : Ein

Vorhängeschloss ! Ich trete näher heran, um die Namen eines versprochenen Paares zu lesen ; aber auch wenn sich niemand namentlich zu erkennen gibt , ist das Schloss garantiert als Liebes-und Dauerversprechen gemeint !

Bronx , Harlem , Harem . Sage einer , ich hätte keine Fantasie .

Ich lache über mein Wortspiel , hatte aber schon vorher hier in meiner Kirche der abwesenden Marie Anne gedacht , durch Mauer-und Deckenlücken hindurch .

Ich sehe einige Meisen , die durcheinander wirbeln und ganz fröhlich

scheinen . Na ja , IHR werdet bestimmt auch nicht das Geheimnis des ewigen Glücks kennen….aber die augenblickliche Stimmung gönne ich Euch .Von Herzen .

 

 

Ich habe ihr an jenem ersten Abend nicht extra gesagt , dass meine Lyrikproduktion in der Tat  nicht zu meinem Lebensunterhalt hinreicht .

Obwohl …Und immerhin lebe ich auch nicht auf dem Rücken von Christianes stattlichen Ärztebezügen .

Genauergesagt bin ich Dichter von erotischer Lyrik : Ist wohl

aufregender , erfolgversprechender , zielführender ….Fragezeichen .

Darüberhinaus : Ja , auch ich bin Zierde eines städtischen Amtes : Arbeite für den Denkmalschutz . Sichte Ruinenviertel auf ihre Erhaltbarkeit , Weiter-verwendung , Gentrifizierungspotentiale hin .

Deshalb fühle ich mich in Wilhelmsburg so wohl . Dass ich auch Beamter bin , mithin , wenn ich mit Marie Anne tanze , zwei sozusagen solide A14er die verruchte Straßenszenen von Buenos Aires nachbuchstabieren – nach bestem Können und bemühtester Einfühlungsgabe , in streetwise contact vor Erfindung des Gangsta Rap – das halte ich noch einige Wochen geheim .

 

 

Sie bewohnt die gleiche Stadt ,

soundsoviele Mauern auf zwei Kilometer Luftlinie zwischen uns , soundsoviel aufgescheuchte Menschen , diverse Strassen mit Fußgängerbrücken , Zebrastreifen , Verkehrsampeln und Reklametafeln mit Papierfetzen im Wind .

Sie wird mir erzählen , wie einem Kriminalkomissar , der Alibis überprüfen muss : Gestern ?  Ja , ganz trivialnormal , um 16Uhr telefonierte ich mit meiner Freundin , treuherziger Blick aus dem Fenster auf wintergraue Wolken ; nein , sie hat nicht an mich gedacht , da gab es anderes . Nichts Besonderes .

 

 

Nein , ich werde sie nicht anrufen !

Je mehr ich mich zurückhalte , desto deutlicher wird ihre Sicht auf mich ; sie überblickt meine Offerte in Gänze ; sie nicht anrufen ist nicht nur mein Entzug  ( ich versuche alle Arten von Trost und Aufrichtung , am eigenen Schopf etc ) , sondern auch Hilfe für ihre Sichtverbesserung . Ich selber lege zu , werde substantieller , tangibler … Ach ja .

 

Und mir fällt auf , dass ich in letzter Zeit so richtig nett zu Christiane geworden bin ; sie überraschend aufrichtigen Geistes umarme ,

streichle , an mich ziehe …. Nimm hin , dies ist mein Leib .

Und Christiane ist dankbar , so weich , anschmiegsam und kuschlig

erlöst , sanft wie lange nicht mehr .

Und ausgerechnet jetzt nutzt sie ein neues Deo , das riecht wie in die Jahre gekommener schlechter Essig . Ich kriege im Handumdrehen Kopfschmerzen !

“War aber teuer ! “ mault sie und will die Chemikalie nicht unbedingt gleich wieder absetzen .

 

 

Nächster Tangotreff .

Die Musik war gerade ein bisschen laut . Marie Anne hatte nicht aufgepasst .

” Nein , nicht Datenschutz ! Denkmalschutz.”

Ich war durchaus bereit , ihr zu erklären , was das ist . Vorher sagte sie aber : “Und jemand , der Denkmäler schützt , darf wie Sie ewig vom Reisen träumen ?”

Ja , jauchzt es in mir . Reisen Reisen Reisen wie ein Jungbrunnen

Reisen und mitnichten Ankommen . In Venedig zum Beispiel kann man nicht ankommen : Eine Hafenstadt öffnet sich zum Meer hinaus , winkt einen direkt weiter , so schön es hier ist , hier hält es uns nicht .

Ich sagte : “ Denkmalschutz worldwide eben . Gegen Verlust , Verlustangst ; gegen die Fliehkraft . Gegen Touristen in Venedig .”

Ich vermute , sie verstand auch das nicht so ohne weiteres , blieb aber guter Dinge .

 

 

Und ich gebe weiter den Anti-Newton , kämpfe gegen die Schwerkraft der Alltags-Prosa ; versuche wie der Seehund im Zirkus , den Ball möglichst lange auf der Nase zu balancieren ;  bemüht , Christiane mit der Existenz von Marie Anne zu versöhnen , Marie Anne ihrerseits vom interessanten Charakter meiner Beinahe-Frau zu überzeugen , auf dass sie auch aneinander Gefallen finden , wenigstens einen Bruchteil

dessen , was ICH !  an verzehrendster Faszination empfinde , durchleide und feiere.

 

 

Wie Marie Anne die Welt verändert .

Unsere graue Stadt ist jetzt eine Welt zum Dazuklappen .

„ Hier bin ich , Marie Anne  – und dort aha die Welt , in die Sie mich einführen möchten .“

Marie Anne plus Busbahnhof , plus Einkaufszone , plus Alster .

Marie-Annen-Vermehrung , wunderbare . Ich gehe in die Stadt , um zu hörensehen , wie Ihr Impuls schwingt , die Stadt zur Resonanz bringt .

Ich maile ihr morgens ein Photo , das mich als schmucken Mitt-Zwanziger zeigt , Halb-Revolutionär , halb guter Junge , halb schwindsüchtig hinreißender  Melancholiker , lieb lieb lieb , und schreibe drunter : `Ausser Konkurrenz ´.

Was soll ein Denkmalschützer schon groß machen ?

Und auch Christiane scheint in unserer Menage à trois zu gewinnen ,  mitzustrahlen , so wie eine Katze , schnurrend  , vor sich hin wohlig Wärme auflädt/abgibt .

Ich höre Marie Anne in Gedanken zu , wenn sie mit einer Freundin eines jener endlos  langen Frau-zu-FrauTelefongespräche führt ( ich lästere meistens : Telefongespräche , wie man sie führt , wenn gerade der Orient-Express ohne einen abgefahren ist und der nächste erst übermorgen kommt ) . Irgendwann im Laufe dieser langwierigen Unterredung fragt wahrscheinlich –oder übertreibe ich meine

Wichtigkeit ?-  die Freundin :

“ Geht Dir dieser JOHANN , dieser Oldie , nicht langsam auf den

Wecker ? Mit seiner Aufdringlichkeit ? Riecht er auch bestimmt nicht  aus dem Mund  ?”

Und Marie Anne sagt ( stelle ich mir vor ) , ein bisschen verträumt  :

” Nnnnein , eigentlich nicht …eigentlich ist es so , als ob er mir , wir uns eine Geschichte erzählen , die spannend ist , spannend bleibt …wo man auf keinen Fall das Ende verpassen möchte …und das Ende ist auch noch nicht in Sicht . Jedenfalls nicht in meinem Fernglas .”

“Er ist doch 20 Jahre älter als Du ?”

( 19 ! erwarte ich ihren Protest ). Maria und Joseph . Joseph war auch 20 Jahre ( 19 ! ) älter und hat wesentliche Dinge nur vom Rand her

gesehen .

Ich habe ihr ein Bild von mir geschickt .

 

 

Reisen !

Und mein schrotflinten-unpräzises  Streuen und Durch-die-Gegend-Fantasieren über

 

 

ReisenReisenReisen .

 

Ich könnte doch meinen Lebensunterhalt üppig verdienen als Animator für Reisebüros und Tourismus-Industrie .

Gestern kam zu späterer Stunde , durch Müdigkeitsdunst durchaus noch klar wahrgenommen , meine Idee ins Gespräch : Ich kaufe uns einen Wohn-Caravan und wir stromern zu dritt , Christiane , Marie Anne und ich ,  durch Great Britain . Cotswolds oder andere Idyllen mit englischen Dorfpubs , zwischen Gutsbesitzern und Admirälen mit Jagdhund-Harem .

Später am Tag , an einem Tag , der zu nichts taugt .

 

 

Leichte Lähmung , paradox leichte Beschwerung meiner Schritte dann

in meiner Wohnung , am Sonntag nach unserer Begegnung .

Leicht , weil….verschwenden wir zu anderer Zeit , an gegebenem Tag unseres Wiedersehens , einfach weiter ! was bleibt uns ausser Verschwendung , so oder so und irgendwie .

Wie ein tragischer Entdecker ( oder : Nicht-Entdecker ), sagen wir John Franklin oder besser noch Henry Hudson , ausgesetzt auf einem Boot , im Nebel vergessen , was er eigentlich entdecken wollte : Wo ist die Insel , nein der Kontinent , auf dem wir zueinander passen ? Auf dem es die richtigen Fragen und Antworten gibt ? Wo , Marie Anne , genannt

Schalke , Marie Anne , Mann über Bord , wo ?

 

 

Und dann blasierte Tage wie dieser .

Soll SIE doch definieren , wass iss ! Ich lehne mich zurück in meinem Ohrensessel voller geheimer Antworten auf das , was ausser mir keiner fragt .

Oh Marie Anne ! Ihre Abwesenheit in diesen Räumen nach dem Treff gestern abend . Wie filigran fragil das Schweigen , stiller Sonntagmorgen um mich herum , über der verschlafenen Stadt .

Ihr Anruf könnte kommen ; dass das Telefon nicht geht , ist wie die Betonsäule ein Stabilisierungsfaktor dieser Stille , dieses Vibrierens von Erinnerung an gestern . Gesprächsfetzen , für sich genommen wirklich nicht bedeutungsschwanger , aber mir jetzt zur Gesellschaft .

Meine Präsenzpflicht im Porzellan-Museum : Wieviel Risiko , wieviel Phantasie  hält unser (? nein , mein ! ) Jonglieren aus ?

 

 

Der dreieckige Ist-Zustand ist wahrscheinlich das Allerbest- Mögliche . Alle meine Träume und Phantasiehöchstleistungen sind leichtfertig , Grimasse vor dem Spiegel , Zeitvertreib .

Zeitvertreib ? Sehen Sie mir auch bei diesem Balanceakt zu , liebe

Leser , liebe Leserinnen : Wie ein Eis-Lutschen , mein  Lutschen an gestrigen Szenen : Was sagte sie , was ich ; ach ja , was hätte ich sagen

können , sollen .

 

 

“ Du hast genug getrunken ,” sagte Christiane . Christiane hat immer recht .

Aber Marie Anne wollte es trotzdem wissen .

“ Was hat Tango mit Misogynie zu tun ?”

“ Du kennst aber Wörter! “ murmelte ich anerkennend .

Hätte gar nicht so viel trinken wollen , auch nicht müssen , aber : That is what love does to you . Liebe ohne Perspektive .

“ Sag ich ja nicht !” begehrte ich noch auf . “ Nur mit der Emanzipation des Mannes !”

“ Ist das nicht dasselbe ?” giftete Christiane .

“ Also , mal von vorne ; wir stellen uns da ganz dumm  .”

Ich versuchte auch noch , witzig zu sein .

“ Also : Jedes menschliche Wesen hat es zunächst einmal mit einer übermächtigen Anfangsfrau zu tun . So nenne ich jetzt mal ( hick )das Muttertier . Und wenn Du das Pech hast , männlich zu sein , mit Pimmelchen und so , dann ist diese Anfangsfrau eben auch von der anderen Seite . Kein potentieller Kumpel .`Milch oder nicht Milch !´

das ist dann ( hick !) die Frage , Fundamentalopposition verbietet sich . Und danach …ja , danach …..“ ….

ich suchte nach dem roten Faden .

” Danach mühst Du Dich ab , kaufst einen BMW oder gewinnst Literaturpreise : Alles um  die Brücke zur anderen Seite irgendwie zu Deinen Gunsten zu schlagen . Um magnetisch zu wirken . Müh Dich halt ab , heißt es von der anderen Seite . Hallloooo!  Und diese Seite erzählt dann gerne und wiederholt , sie sei unterdrückt , von BMW-Fahrern übrigens seltener als von Literaturpreisgewinnern .”

“ Und der Tango?”

Marie Anne schob mir einen Stuhl unter den Hintern   , Christiane hielt sich den Kopf . Sie konnte ich heute abend ( und dabei hatte alles so schön angefangen ! ) weder überzeugen noch , was schlimmer war , überraschen .

“ Tango….ist das Zelebrieren , das glänzend große Gestalten von Unentschieden . Jawohl . Keine Sieger . Egal wie die Frau trickst , züngelt , wirbelt , lockt , in den Raum hinein triumphiert  : Der Mann ist die Achse , kann widerstehen , spricht keine Einladung zum Kaffee aus , bleibt starr und Säule , weniger wirbelflossig als sie – und am Ende küsst man sich nicht , sondern trennt sich mit  `Na Warte-´Blick . Bad Guy und Bitch . Männer-Emanzipation pur . Und die Frau …die ist gewarnt …na ja auch unbeschädigt . De Luxe . “

“ Und fährst Du auch einen BMW ?” fragte Marie Anne . Ich wette , die Antwort interessierte sie nicht .

“ Nein , ich habe gar kein Auto . Aber eine Jacht in ….wie hieß nochmal die Stadt mit dem vielen Wasser ? ”

“ Er lügt !” wusste Christiane .

 

Hatte zwei Termine ,

einen mit Verleger in Blankenese , einen dann auf der anderen Fluss-Seite in einem Kulturzentrum in  Buxtehude .

Der erste Treff war so frustig wie nicht überraschend  .

Der zweite : Ich kam nicht über die Elbe , die Fähre streikte , der Elbtunnel war verstopft , die  Kohlbrandt-Brücke sowieso immer nur stop and go .

Fand das alles schon richtig allegorisch . Wie besagter Panther hinter den Stäben herumrennt , verrückt vor Ausbruchslust , und nicht auf die andere Seite kann : Ich finde keine Brücke herüber zu Marie Annes

Welt . Wir sind inkompatibel .

Wahrscheinlich gibt es drüben , (HH-Süd  beziehungsweise) in Marie Annes Kosmos , eine andere Währung , andere Gewichtsmaße , vielleicht herrscht da drüben bei ihr sogar Gewichtslosigkeit .

Da drüben bei Marie Anne  ist bestimmt das Paradies ; sie heißt eigentlich nicht Marie Anne , sondern Eva , und ist eine entscheidende Figur  für das gerade anlaufende Experiment Menschenzoo .

 

 

Also ein Frühlingsspaziergang an der Unterelbe .

Wenn Marie Anne mir einen Wunsch frei gäbe , würde ich mir nur die Freiheit ausbitten ….sie zu fragen , ob sie nicht mit mir einen Halbjahresvertrag machen möchte . Unser Blick schweift über die Fluss-Schleife . Auf dem anderen Ufer ein Landwirtschaftstraktor , auch nicht schneller als das Wasser .  Die Gewerbegebietmacher sind schneller als die Landwirte und natürlich die Naturdichter , wie man sieht . Wieviel Land sie alle versiegeln ! Wisch und Weg , Husch husch , Land-gewinnung ungeschehen bzw. dauerhaft gesichert im Beton-Archiv . Denkmalschützer sollten eigentlich blind sein , also nicht verletzbar , oder werden : Wegen der Bausünden und der Kultursünden im Allgemeinen , der verbreiteten Unfähigkeit zu Stil und Ästhetik .

Unter frischen norddeutschen Himmeln , so blau wie Marie Annes Äuglein klein .

Und in jedem Frühling schlendern einem auf dem Uferweg  neu zusammengewürfelt  vielversprochene Paare entgegen . Und wenn sie heiraten , ist eher früher  als später auch dieser  Rocksaum der Geliebten und Begehrten kein Kandidat mehr zum Up-skirten ; die Erotik so versiegelt und verbunkert wie drüben in Wilhelmsburg die Nutzflächen.

 

 

Marie Anne , fällt mir gerade ein , war gestern so richtig fröhlich .Sie kam vom Tanzen auf einen Tee vorbei , und ich freute mich an ihrer

Frischluft , zweifelte nicht , dass ihre gute Laune vom neu erlernten Barrito rückwärts stammte . Ich fragte mich nicht , wie ich heute erstaunt feststelle , ob ihre gute Laune von einem Treff mit einem neuen Lover kommt ; vielleicht ist sie frisch verliebt ? Vielleicht war die Situation gerade eben noch im Bett einfach galaktisch ?

Warum frage ich mich das so selten ? Es ist mir wohl unvorstellbar . Ich schließe von meiner eigenen Kindlichkeit auf ihre .

 

 

MehrTango.

Und Katerstimmung ! Ohne einen Tropfen Alkohol angerührt zu haben .

Arme entführte gefangene Marie Anne ! Jetzt , am Morgen , sitzt sie wieder an schnödem Schreibtisch im Patentamt vor  Bildschirm und  wird praktisch-prosaisches Talent unter Beweis stellen …stellen müssen .

Gerade eben , gestern morgen noch war ich stolz darauf gewesen , sie nicht zu begehren , gemeint : Erotisch , fleischlich , in Fleischeslust , alle Hände voll zu tun plus andere Gliedmaßen ; da passiert so etwas wie der gestrige Abend , zur Feier ihres Geburtstages in ihrer Wohnung .

Macro war gekommen . Mirco Macro stammt tatsächlich aus Serbien , mit waschecht skipetarischen Wurzeln ; hier schon in den 80ern angekommen , versuchte er sich auf die geordneten Verhältnisse im Gastland einzustellen und beantragte für seine Mauser erstmal einen Waffenschein .

Dabei passierte es . Sein Name ist natürlich eigentlich Mirco , aber über den Dreher `Micro ´ auf einem Anmeldeformular für einen Waffenschein hatte sich sein Spitzname endgültig besiegelt .

Und schließlich ist und bleibt  Macro eine große Größe am

Hamburger Tangohimmel .

Marie Anne und er hatten monatelang Milongas in der ganzen Gegend bereist und jeweils getanzt bis ins Morgengrauen ; sie erinnerten sich jetzt noch daran in wohligster Nostalgie . Er , ein kleines ausgezehrtes Männchen , womöglich noch älter als ich ; war mal Ballettänzer gewesen und dann vor zehn Jahren ins Tangofach gewechselt .

Sie , gestern in ein nicht ganz zum Anlass passendes rotes Flamenco-kleid  gewandet , zu schwarzen Stümpfen .

Sie tanzten , und wie sie tanzten !

Wage -,Wiege, Wirbel und Waagetango ! Lauter kleine Wenn-Danns , wenn – dann , wenn Du diesen Stromstoß , nein – Strom-Schubs gibst , dann werde ich – könnte ich …Mit wilder Exaktheit aufeinander bezogene Schritte , Impuls ….und ausweichende Antwort ; sein linkes Bein schmilzt in eine Einladung , ihr Fußzüngeln bei  :

 

 

Abwarten Abwarten Abwarten !

 

 

dann raumgreifend schnellend Diagonalen gesucht und gefunden wie Nichts ….Raserei in Eis , gezügelt entrissen .

Ich war hingerissen . Macro hatte zwar die Augen auf , lagerte aber wie in Trance mit seinem Blick im Ganz- Wo-Andren . Ihre Augen blieben geschlossen , ihre Wangen an seine Stirn geschmiegt , ein Marien-lächeln im Gesicht : Sie war so hingegeben glücklich ! aufmerksam und ganzganzganz im Präsens . Glücklich , und jede Unze Glück , dachte ich quasi beschützend , mehr als teuer bezahlt ….

Und hier , auf dieser Seite der Tanzfläche  : Mein aufgeflammtes Begehren , der Impuls , einzuschreiten , sie Macro zu entreißen , sie selber in den Armen zu spüren . Andererseits , von da , wo ich in Zuschauerposition saß , konnte ich ihre schwarz bestrumpften straffen Schenkel winken sehen , im langen Kleiderschlitz .

Und dann und wann wohl die schwarze Spitze ihres Slips .

Die beiden Tänzer nicht an- , vielmehr gegeneinander gelehnt , wie man ein Kartenhaus aufstellt , Beine wegstrebend , Köpfe tangential in

Berührung ; er schiebt sie und ihr Hinterteil geht sozusagen neugierig auf Welterkundung ; ihr -pardon !- Arsch ganz ganz sicherlich nicht der eines Pferdes , aber doch der eines Ponies , Rundung auf Raum-Erkundung …

Sie war glücklich , und bewies , sie hatte alles Recht es zu sein . Nicht nur , weil es ihr Geburtstag war  .

Und ich ….was immer ich hätte tun können , hätte diesem Glück nichts hinzufügen können , gerne aber im Gegenteil . Und so war mein

bloßes Hinschauen meine beste Antwort , allerdings eine , die mir

wehtat .

 

 

Die Elbe ist laut .

Nein . Eigentlich nicht . Sie plätschert und murmelt höchstens . Aber die ozeanische Breite aus der Flussbiegung , dieses An- mich- heran –Wuchten von Ferne , Weite ,  Luft , Zukunft ….

Ist der Wasserstand heute nicht höher als vor drei Tagen ? Ich versuche das an einem Poller abzulesen  , auf dem ein Fischreiher ungelogen schon seit einer Stunde sitzt , seit ich hier meinen inspirativen Frühgang anfing . Wer weiss . Aber es ist wohl ein Symptom für meine Lust auf Zeitraffer , auf das Herauf-und Herabdrehen von Zeitgeschwindigkeit , mit der ich ja vielleicht auch meine Chancen  auf Nähe zu IHR höchstselbst regulieren könnte …..

 

Tango ist ansteckend , fällt mir wieder ein . Jedenfalls diese Kultur der Drehung . Man möchte in Zukunft so auch aus seinem Auto aussteigen oder in der Küche den Müllschlucker mit Schwung öffnen . Ich gehe nächste Karnevals-Session als Korkenzieher .  Anders als beim Walzer mit seinem Dusel-Drehen , gleichmäßig wie ein Lullaby , dreht das Tangopaar mit abrupten Brüchen , nur Dreh-Zitaten , jede noch so berauschende und schwindelerregende Drehung jederzeit umzustülpen , eine stachelige splittrige Trance , wir sehen alles , wir sind all-zuständig .

 

Mir war so klar , wie gerne ich sie im Bett umarmt hätte , meine Hände hätten ihre Flamenco-Kleid-Haut besetzt , und genauso klar , dass es dazu nicht kommen würde , und dass es nur das Anti-Erlebnis hätte werden können ….Oder hätte ich mir eine Beischlaf-Choreographie so rauschhaft beifallumrauscht kokainbeseelt entfesselt zugetraut ?

Und jetzt …geht sie wohl gerade mit der Akte XY eben rüber zu dem Kollegen , mit dem es doch noch ein Detail bezüglich Registratur-Umbau zu klären gibt .

 

“ Neinneinnein ,”

würde Christiane sticheln ,” sie ist nicht zu bedauern , fühlt sich nicht verarmt ; wieso denn ? DU machst sie einfach in Deinem Kopf zur Verliererin , weil sie DEIN Begehren nicht gemerkt hat ; geschweige denn angenehm fand.”

Bäng !

Oh mein Kater !

Ich denke an Marie Anne : Wie sie fast mütterlich eine Balance in meiner Welt , in der Welt überhaupt , herstellte : Hand auflegen , symbolisch gesprochen .

Und doch . Ich bemitleide Marie Anne . Weil kaum hat sie diesen Ocho Cortado getanzt und mit ihrem Bein gewedelt oder , oh wie schwül , ihr Bein an Makros Schenkel geknickt und das Knie hochgezogen bis …….es fast das Kinn des Kleinwüchsigen erreicht und sie seine Körpermitte in die Schere ihres Körpers genommen hat ….kurz , das ist nicht wiederholbar – und ob dieser Einmaligkeit , dieses ab jetzt- Verlustes habe ich Mitleid mit ihr .

Ach könnte ich etwas für sie tun ! Wenn sie doch , sagen wir , eine Spender-Niere bräuchte !

Oder ich möchte versuchen , irgendwie anders ihre Bewunderung zu erzielen , eine Balance herstellen ; sie soll  durch irgendeine Heldentat meinerseits meinen Hilferuf wahrnehmen .

Ich könnte vielleicht versuchen , die Qualität meiner ohnehin schon guten erotischen Gedichte noch weiter zu steigern .

Ich setze mich sofort vor Bildschirm und Tastatur .

 

Ein Wandeln , halb selbstvergessen ,

im Park. Ein Park verführt die Menschen so leicht  , dem Bedürfnis nach Deutlichkeit nachzukommen :

Treffen sie etwa Familie Schmitz , werden sie sofort laut und reden fürs Protokoll , laut jedenfalls . Kein Dichter dankt es ihnen . Oder ist das die unbewusste Reaktion auf…  Ohnmachtsempfinden angesichts schöner Natur ?

Wir aber ( Christiane , Marie Anne und ich ) wandelten durch den  Frühlingsabend , ein Frühlings-Abendrot-Wandeln in ihrem freundlichen Pendeln , wir drei , sie aber , SIE aber ! In ihrem Gehen und Gehenlassen  ein Auspendeln der Stadt , unserer Dreier-Konstellation , oben an der Kirche von Ottensen , in C.D.Friedrich-Cover-Version .

Sie hat übrigens eine unreine Haut . Die Arme ! Zutraulich lächelnd ,

wissend , sie macht  das schon .

 

Glück : `Unser ? ´ Nein , MEIN Zustand wahrscheinlich nur ist : Labil .

Ich bin glücklich , werde mich später als glücklich empfinden . Glücklich , wie sich die Menschen in Edo im alten Japan zumindest gefühlt haben sollten , und vielleicht auch wirklich fühlten , wenn man den Holzschnitten glauben darf , ein Bisschen .

Oh Marie Anne , Erfinderin des Sprechens , Sprechenwollens . Du machst mich glücklich , in meiner Ulknudel-Gegenwart bist Du quietschfidel lustig .

Bist Du vielleicht eine entfernte Verwandte jener arabischen Prinzessin , die ein Fortleben erstritt über Erzählen , Erzählenwollen , Erzähl-begierde , Freude an der Nachfrage : Wir bauen zusammen per Bauklötzchen einen schwindelerregenden Nachbau des Turms von Babel .

 

 

Ein Rabe kreuzt krächzend durch die Morgenstille .

Christiane  ist heute nicht borstig , sondern aufgekratzt wie bei einem Kindergeburtstag , hüpfend vor Jubel . In der Zeitung lese ich :

Neues von den Ausgrabungen in Haithabu :

`Kindersarg geborgen ! ´

 

 

Hallo ! Du schuldest mir noch eine Geschichte , Marie Anne ! Und noch eine ! Oder immer die gleiche ?

Da Du  mich in Festtagsstimmung manövrierst , beschenke ich mich . Mit der teuersten Gitarre , die der beste Instrumentenmacher in HH auf Lager hat . Das bist Du mir wert : Nein , das ist kein logischer Satz .

Und dieser Satz hier ?

“Ich liebe Dich !” ( das ist nur  Test/Test/Test ….)

Das ist ein Test , eine Herausforderung  für einen Gewichtheber der heavy weight Klasse ; gut , ein Seiltänzer würde sich auch für diesen Test anmelden .

Ja , sowas ( s.o.) kann ich sagen ; ich hätte jeden Grund dafür ; mein Schwächegefühl in der Magengegend ist da eindeutig deutlich .

Genau besagten Satz ( s.o.) nicht sagen , nur übungshalber vor dem Spiegel ( ach dieser Spiegel , siehe mehr dazu unten ), diese Art von

offener Sackgasse aushalten :

Offen …nichts entschieden also ( ausser dem , was in unserer Vorgeschichte irgendwann in die Würfel einbetoniert wurde ) und `Sackgasse´ : Es gibt keine gute Lösung .

Ich bin verzweifelt mit der jetzigen Situation  …und weiß , dass die anderen Lösungen ( als da sind : Trennung von Christiane ,

 

Suche nach Leben auf dem Mars ,

 

soll sagen an der Seite von Marie Anne  versus : Dafür sorgen , dass Marie Anne naserümpfend das Weite sucht und unser Mobile

aufkündigt )

um Himmels willen nicht auf uns drei hereingerümpeln dürfen .

Also genau diese Wunde offen halten , ein bisschen Salz pro Tag hineinstreuen ….das hält uns alle drei im Spiel und mich auf dem Schleudersitz , in Einzelhaft , Schleudersitz komfortabel und bandscheibenfreundlich wie elektrischer Stuhl vor Umlegen des Schalters .

 

Dann wieder hangele ich über dem Satz  :

`Lass doch die Zeit einfach für Dich arbeiten !´

So einen Satz sagt man mit Gusto , mit Schwung , mit Jauchzen , ohne Gegenrede  an einem Noch-Wintermorgen , wenn der Blick aus dem Fenster geht auf  überraschend schneebedeckte Dächer ( ja , es ist schon Ende April !) im ungetrübten , gleißenden Sonnenschein .

Ja , schon ganz gut diese Idylle ; aber es wird nicht schlechter , wenn der Schnee ins Rutschen gerät , die Vögel lauter singen ,  der Mai die Startpistole in die Hand nimmt .

Die Zeit einfach machen lassen ! Mal sehen , was der Realität so

einfällt , der allentscheidenden Oberschiedsrichterin .

 

Ich frage mich neulich morgens , welche meiner prämierten Gedichte ich Marie Anne zuerst zeigen werde , allesamt natürlich zu lesen auf dem Prüderie-Index im Netz , `sensitivity reading ´ ; Shitstorm

weatherbeaten :

 

Vielleicht das hier ?

 

 

Erotomane , abends :

 

 

Eine Schöne , weltengetrennt

am übernächsten Nebentisch ;

auf einmal ( zehn nach neun )

zieht sie kältebedingt  ( es wird frisch )

 

ihren Schal höher ,  just

als auch ich fröstel und friere ;

thermisch perfekt simultan   :

bestmöglicher Sex was ich spüre

 

 

oder doch :

 

Die Dame vom Amt

 

Blässe , Blöße und ein Ohrring :

grün , der Haare wegen , klar ,

die ganz kurz und cool geschrägt sind :

raffiniert  , weil :  lapidar  ;

 

man ist fast gespannt ,  WAS  da die

roten Lippen sagen wohl  ;

hellblau  ,  venenblau die Bluse ,

nasenspitz  und   spottfrivol .

 

Milch und Honig , welche Blässe ,

Blässe , Blöße , welches Blau !

Und dann jenes  Tuch  in Weiß noch ,

schwarzgepunktet ,  lochgenau .

 

Auch nicht schlecht !

Leider wurde das ja damals von der FAZ-Kritik verrissen !

Aber  sage einer , mein Leben war umsonst gelebt !

 

 

Und dann ist da noch das Wirbeln , die Spirale um den Tango ….

Mir entfuhr folgender Schmachtseufzer  ( am nächsten Tag ausführlich  zu Papier gebracht ):

 

Darf ich bitten ? ( ich weiß , Tango-Aufforderung geht anders )

 

zum…. Knautschzonentango…..

klar : Da scheinen wir uns nah !

Cortada oder Ocho ,

Salida wie Sacada ……

 

wir scheinen nur uns nah !

beim Kein-Pardon-Knautschtango ….

ich als Kontaktmelder-Macho !

in unsrer Intifada !

 

bei dieser Art von Tango

da bleibt sichs auf Distanz  !

in Cortes und beim Ocho

gibts keine Kopulanz ,

 

Milonga und Borito

im Zonenknautsch-Fandango :

Der Safety-Belt : Hält !

Nein ! das ist gut ! kein Mango !

 

Im Tango in knautschiger Zone

bleibt jeder in seiner Welt ;

ob Sandwich , ob Cortisone –

kein Apfel nie zu Boden fällt…….

 

auf dass Du nun auch fürderhin

unzerknautschet bleibst ,

und es bitte keinesfalls !

je mit Macro treibst !

 

 

Nach der dritten Tango-Runde setzte Marie Anne sich damals , am Anfang der ganzen Geschichte , zum Verschnaufen , vielleicht nicht oder doch oder nicht  zufälligerweise neben mich , und fragte :

 

“ Hats Dir gefallen ?”

 

Zog den linken Schuh aus , dehnte die Zehen im Strumpf und flüsterte mir  zu : “ Dieser Macro ! Sieht ja nicht so aus , würde aber doch ganz gut einen Macquereau , einen Zuhälter ,  abgeben können ; na ja , mindestens einen Variété-Veranstalter , der weiß , was seine Kunden wünschen . Und : Siehst du den da , den etwas trist dreinblickenden langhaarigen Alten da drüben ?  Ist ein Freund von Macro , hat ihm damals bei seinem Waffenschein geholfen . Macro sagt , Mladen sei auf seine alten Tage noch einmal so richtig – und so richtig unglücklich !-

verliebt .

Und bat mich , wir sollten doch vor allem da hinten vor der Sitzecke , wo sein Freund sitzt , tanzen , mit jeder Menge Ganchos , auf dass der auf andere Gedanken kommen könne …weg von seiner Schmachterei um Elise ! Na ja , wo frau nützlich sein kann ……”

Und auf ! stand sie wieder , reckte sich , sah sich suchend um  und eilte fündig auf Macro zu für die nächste Runde .

 

 

Huhn oder Ei : Ich bin glücklich , sie macht mich glücklich !

Wie die Sieger nach Überqueren der Ziellinie : Wir feiern , ab jetzt ist alles eine andere Gewichtsklasse , willkommen im fast Schwerelosen , mit gerade genug Bodenhaftung , dass man sich nicht wieder aus den Armen verliert und  das Lächeln genug Haftung hat .

Sie macht mich glücklich , weil ich den Eindruck habe , ich mache SIE auch leichter , unbeschwerter , ich bringe die Wachablösung , die Erleichterung , die – na ja – Erlösung , jedenfalls vorübergehend .

Und Christiane muss eigentlich gar nicht darauf eifersüchtig sein , oder ?

Ich habe Marie Anne  allenfalls beim Tango berührt , kann mir Sex mit ihr

-nein wirklich – eigentlich nicht recht vorstellen .

Ja ….., ich lechze danach , sie zu umarmen , mit ihr zu knutschen : Generationen von Hollywood- Believern haben seinerzeit  den Kuss , in und mit Sturmwinden musikalisch ausgemalt und grundiert , als  Höchst-mögliches , Summa cum Laude ,  vorgesetzt bekommen und auch geglaubt .

Weg mit meiner sexuellen Parallelwelt , den erigierten Sackgassen ! Vorhang auf , Marie Anne klettert die Treppenstufen hoch zu meiner Wohnung ( oder der von Christiane !) und es gibt im Hauptprogramm ertapptes , natürliches , ungeschicktes und ungelenktes Lachen und Lächeln .

Mir fallen viele Bonmots ein . Die sprudeln aus mir raus , abgründig raffinierte Wortspiele , und sie sprudelt erleichtert zurück , beglückt , nach Erhalt von kaum erwarteter guter Botschaft mit ihrem Lachen durch die Wohnung .

 

Irgendeine Art von : `Ever After   ´ …..Klingt wie ein Rasierwasser ! Etwas , das gläsern glitzernd taufrisch versiegelt .

Sie adoptieren ? Ich könnte sie testamentarisch an mich binden und zur Bedingung für ein Erbe machen , dass sie sich nicht mit wem anders liiert . Könnte meinen Altersvorsprung , will sagen Nachteil , balancieren durch einen Ever- After- Polish .

Ever After : Wir haben es geschafft , haben uns auf diese Insel gerettet .

Dazu gehört : Nicht im Rahmen einer Pauschalreise .

Ab jetzt ….ja was ?

 

Kam gerade auf diese Gedanken – in einer Warteschlange am Postschalter .

Vor jedem Geldautomaten gibt es Längen von Menschen , die zu Monatsanfang auf Kontonachricht warten .

Und jeder zeigt irgendwelche Anzeichen von Ungeduld :

“Dieser Typ da vorne mit dem breiten Rücken : Er nimmt mir meine Zeit ! Verdammte Schlampe !”

Jetzt , wo man selber  dran ist ….hört man im Nu auf zu zappeln ! Wird die Ruhe selbst ! lässt  sich Zeit , würde womöglich noch ein Schwätzchen halten mögen mit dem Nachbarn einen Meter daneben .

Homo hominem lupus , das Gegenteil von win-win .

Am Schalter , vor dem ich warte ( sage und schreibe noch drei Leute

vor mir !) , ist jetzt eine alte Dame mit Rolator dran .

Die junge Angestellte benimmt sich  ihr und ihrem Anliegen gegenüber auffällig freundlich und herzlich ( natürlich geht es ja auch nicht  um IHRE Zeit ! , Angestellte müssen ja bis 17 Uhr so oder so hier sein ) , die attraktive Schaltermaid ( ihre Beine kann ich nicht sehen ) nimmt sich Zeit für ein sperriges Anliegen der alten Dame …als hätte SIE , die

Junge , ( gerade sie ?) es verstanden : Dass wir alle /so oder so/ früher oder später/ in der Lage dessen sind , der keine Zeit mehr hat . Der im besten Fall , sagen die trivialen Köpfe , seine Zeit genutzt hat , Carpe diem etc , ego te absolvo .

Ja , die Zeitvernichtungszentrale in der Halle des Postkontors . Man möchte eine Art Sprayapparat  oder Sprinkleranlage betätigen , und alle diese Ungeduldigen , Zeitsüchtigen , Zeitjunkies an der Zeitnadel mit Zeitsprühregen einnebeln . Kräftiges Wachstum garantiert !

Das wäre doch eine Erfindung für Marie Annes Abteilung ! fällt mir sofort ein .

Marie Anne ist die einzige Person , bei der ich mir vorstellen kann , ihr Grab regelmäßig zu bepilgern .

 

Wenn ich glaubte …Wenn ich an einen irgendwie gearteten Wirklichkeitsgehalt von Träumen glaubte , an ihre Wahrheitsrelevanz …wo käme der  normal neurotisch gestresst gehetzte Freischaffende

hin !

Aber DER hier …..und ich bin der Einzige , der amüsiert sein könnte ob des Zerrspiegels , der mir vorgehalten wurde .

Ich träumte letzte Nacht von Marie Anne , was ich bisher noch nie tat .

Allerdings mag ihre Tanzvorstellung vom Vortag das Ganze zum Teil erklären .

Sie tanzte in einem ihrer weiten leichten Seidenkleider mit

Schwungkreisen , mich erinnerte es an die Hoola-Hoop-Reifen-Mode in den 60er Jahren ; wobei ihre Schwingungen , wie es sich beim Tango gehört , nur halb-, viertel-und achtel  Kreisbögen beschrieben ; ich weiß nicht mehr , ob sie mit Macro tanzte oder mit wem ; sie tanzte –ja- ….sehr schön .

Ich seufzte wohl , im Schlaf oder in der Traumrealität .

In einer Tanzpause flüsterte sie mit Christiane  , der Tanz in der Milongakneipe ging weiter , aber Marie Anne war nicht dabei . Dann

ging – im Traum –  die Aussentür auf , und  Marie Anne kam wieder herein , diesmal als Rennfahrerin gekleidet , und sie trug ein Tablett , und auf dem Tablett war Christianes Kopf .

Ich schreckte auf und sah auf den Wecker .

 

 

Von wegen ! Die Tango-Diva : Normalerweise hat sie es in ihrer Hand , falsches Bild , in ihrem Körper : Zu beschleunigen , aber auch :

Erstarren , diesen Moment für die Ewigkeit festhalten , in Fotostarrre : Hast Du es bemerkt , Partner ?

Dieser Moment : Zwei, drei , vier . Dieser Moment zählt , hier und jetzt ist alles bewiesen , alles gewonnen , alles schmerzlich verloren ….und dann erst ! wirbelt es in die nächsten Ocho Cortados .

Von wegen ! Marie Anne , vielleicht liegt es an irgendwelchen Schwankungen ihres Monatszyklus , steht nie lange still , nicht auf der Tanzfläche , nicht im Gespräch am Rande : Von Thema zu Thema ,

von einer nervösen Beobachtung oder zweifellos giftigen Pointe zur nächsten , ein Flummiball , der immer weiter und zurück und schräg flutscht und schnellt und prallt .

Und ich hätte sie so gerne , ja , zur Strecke gebracht , will sagen , zu einem Moment gebracht , in dem sie etwas ernst nimmt , ich sie ernst nehmen konnte ; sie mich wahrnimmt ,  so ….ein Ausrufungszeichen !

Sie aber ist den ganzen Abend souverän unhaltbar , auf energie-strotzender  Wirbelreise ins Nirgendwo und Überall .

Ich würde sie so gern per Vertrag , Papier oder Wort , Handschelle oder Augenaufschlag , dazu bringen zu sagen : Wir beide gehören irgendwie zusammen , so möge es bleiben , ich verspreche feierlich : Ich werde das Meine an Gravitation und Solidität dazu beitragen .

Immerhin , na ja , scheint sie in Christiane jemand zu finden , deren Urteil ihr wichtig ist , deren Kommentar sie sucht , mit der sie sich  über die Schulter hin austauscht zur gegenseitigen Bereicherung .

Und ich .

Ich phantasiere noch nachts von dem

 

 

Rüschenmörder !

 

 

Soll sagen : Dem Mann , den unbändiger Hass auf  weibliches Spiel zu Blut-und Schandtaten zwingt : `Ich ? verteidige mich ja nur , nehme nur Rache ´ : Rache an dem Weg-Gewirbele auf der Tango-Tanzfläche , dem Zu- und Abwinken ,  den Spitzen an Strumpfbändern , Décolletés ,

BHs, dieses textile Anbieten und Entziehen , das Gehen unnötiger

Wege , ein Angebot von `geh mit / hau ab ´ : Jede Verzierung ein

Irrweg , falsche Fährte , ein Zeitverlust , und die Zeit hier auf Erden und Freiersfüßen ist so kostbar  !

Was für ein ungeheures Privileg der Evolution  : Frauen können Heimat aus dem Boden stampfen , alles zur Heimat deklarieren : `Hier bist Du zuhause , weiter musst Du nicht suchen ; hier haben wir Dich gefunden .

Komm in meine Arme …´

A propos Lustmörder : Es wäre vielleicht Therapie genug , ihm dauerhaft Filme vorzuspielen von Damen –Basketball-Turnieren : Da sind sie wirklich völlig zum erotischen Abgewöhnen ! Kenne mich aus , bin Verfasser von libidonösen Poemen . Basketball oder Fechterinnen , keines falles aber Eiskunstläuferinnen mit flatterndem Röckchen und Rüschen-Höschen zu  Mozart oder Debussy , versonnen und duldsam .

Ich schweife ab .

Christiane , ausgerechnet SIE ! , scheint zu verstehen , was ich durchmache . Je mehr ich Marie Anne durchschaue , je mehr sie berechenbar wird mit ihren kleinen Verrücktheiten , etwa eine halbe Stunde zu extemporieren um nicht zu sagen :`Schwafeln´  über die textile Beschaffenheit ihres neuen Tango-Rocks (` und diese Halbtransparenz im unteren Drittel :  Macro war ja sooo beeindruckt !´) , desto mehr vermisse ich sie am nächsten Morgen , schleiche angezählt durch die Gegend , und Christiane wird ohne Wort blass zärtlich ; in Zuverlässigkeit  zärtlich .

Nein , ich bin nicht der Rüschenmörder . Plädiere aber in seinem Sinne für verminderte  Schuld-und Zurechnungsfähigkeit .

 

 

Sie kommt frisch vom Amt  und will gleich Macro im Kulturzentrum

treffen .

“ Gehst Du bitte mal ins Nachbarzimmer ! “ fordert Marie Anne mich

auf .

“ Ich muss mich eben umziehen.”

“ Klar , kann ich machen ,” erwidere ich .” Aber auf mich brauchst Du keine Rücksicht nehmen . Ich halte das echt aus ,  den Anblick kaum bekleideter Damen “.

“ Den hier  kannst Du nicht bezahlen “ , lacht sie .

Beim nächsten Treff kann ich ihr endlich meine Briefmarkensammlung zeigen .

Entgegen der banalen Erwartung meiner banalen Leserschaft ging es bei dieser philatelistischen Demonstration tatsächlich um den Austausch über gemeinsamem Interesse : Sie hatte mir erzählt , dass sie – wie ich

auch !- die kleinenPapierdruckwerke  als Kunstwerke betrachtete und – wie ich auch ! – erstmals über die jugendliche Briefmarkensammlung exotische Länder wie New Zealand oder `Magyar Posta ´kennengelernt hatte ( `Papa , wo liegt eigentlich Magyar Posta ?´) .

Marie Anne ist wirklich briefmarkenkundig ! Sage einer , die Welt sei eindimensional nur an Beischlaf interessiert . Bin also aller Sünden

ledig : Habe noch sowohl andere Interessen als auch Gesprächspartnerinnen – und was für welche !

Für diesen Besuch , der eine Woche , eine lange lange Woche vorher abgesprochen worden war , putzte ich in meiner Wohnung und meinem Atelier , nicht unbedingt sieben Tage am Stück , aber für meine Verhältnisse lange genug . Ich würde noch nicht einmal von verfremdeter Arbeit sprechen .

Mir war schon am ersten Putztag klar : Christianes Standard von Reinlichkeit und Ordnung ( unser Triumvirat  hatte sich bisher hauptsächlich in der Wohnung meiner Lebenspartnerin getroffen ) würde ich nie einholen . Und ich hoffe bis heute , dass ein verbleibendes Chaos und durchaus hartnäckige Staubreste mir ausgelegt würden als `typisch Mann ! typisch Künstler !´ . Auch die Klo-Brille war durchaus unbefestigt , und ich sagte bei der entsprechenden Warnung :” Bedenke , Du bist zu Gast in der belgischen Botschaft.”

 

 

Auch nur ein weiterer Griff in den Instrumentenkasten seitens Marie Anne ? Die Kleidertauschbörse .

Sie hat an Christiane Äußerem Ausstaffierungsmöglichkeiten entdeckt : Zieh doch mal das an , zieh das doch mal so an , kombiniere das doch mal mit dem , probier mal meinen Rock dazu , dazu – nein , eher doch die schwarzen Strümpfe .

Ich reagiere perplex : Höflichkeitshalber konstatiere ich zunächst , dass Christiane wirklich wie Aschenputtel neu gestylt vor dem großen Spiegel im Flur dreinscharwenzelt und dabei aussieht wie eine gefährliche schwarze Flamenco-Göttin .

Natürlich – na ja , der Erfolg gibt den Beteiligten recht – ist auch erstaunlich , dass die beiden sich so viel näher gekommen sind , über dem Thema Mode , textile Subtilitäten ; Accessoire-Testgelände… dass Christiane einfach so die Rolle angenommen hat , sich beraten zu lassen – von ihrer Konkurrentin ; soll heißen : Ich hätte alles /alles/ so manches  dafür gegeben , dass sie sich als Konkurrentinnen verstehen konnten !

Und jetzt tauchen beide vor mir auf , wie die Katzen , die dem Besitzer eine Maus  präsentieren und auf Lob warten  .

“ Na , wie findest Du das ?!!!”

Und Marie Anne flüstert mir noch zu : “ Du hast eine wunderschöne Frau!”

Dabei bin ich gar nicht – wie das Lesepublikum weiß – etc .

 

 

Wundere mich , oder mittlerweile eben nicht mehr : In meinen Anruf-Abwarte- Fieberzeiten organisiere ich meine täglich trivialen Abläufe wie einen Reißverschluss : Ich bringe den Müll runter ( nicht wichtig , aber Zeitvertreib ), gehe aber vorher noch im Atelier( richtig ) vorbei , um auch den Papierkorb zu leeren , und da ich danach ( nichts gegen einzuwenden ) mal zur Abwechlung zum Bankautomaten gehen könnte , nehme ich auch meine Brieftasche , klemme sie mir in die Zähne , und ach ja das Handy ( sieben Quisquilien auf 1 Streich ) .Ich gewinne mir somit kleinteiligste Souveränität  zurück :

Seht her , Ihr Götter , ich halte mich ja an die Regeln , am Punkt X dieses Zeitvektors , blinzeln wir uns zu , als ob wir ihn beide in Partnerschaft kennten , am Punkt X also werdet

 

Ihr ! Götter !

 

Marie Anne den Impuls eingeben , mich anzurufen , nein , die Herausschiebe-Phase , die eine Phantasie-Anreicherungsphase ist

( was könnte ich  noch als Pointe und flapsige Bemerkung unterbringen , um das Ganze , das Projekt zwischen uns als naturnotwendig zwangsläufig erscheinen zu lassen ), zu  beenden  , und , Götter , verhaltet Euch teamfähig !  bei 4-3-2-1-……… das Telefon läuten lassen .

 

Ich träume , wir sind in ….warum nicht Venedig ?

 

 

Aus Marie Annes Blog

 

( Bilder unter www.Marie- Anne- in- Venedigdotcom )

( sie hat Eindrücke und Bilder , wohl für mich , JWvG , aufgenommen ; so wie ein Vaporetto-Boot an den Ufermauern vorbeistreift , erfasst sie die Ansichten von Venedig ; die Textanteile , die sie als dichterisch begabt ausweisen , spricht sie vielleicht mehr für ihren sehbehinderten Bruder , aber auch fürs allgemeine Protokoll , vor allem wirklich  : Für den Denkmalschützer in der Tango-Szene ).

Also :

“ In Hamburg verabschiedete uns die Flughafenstadt mit überall  Lufthansa-Gänsehälsen , Aluminium und abermals Aluminium , wir : Futuristisch umzingelt von Thermoskannen .

 

Dann , hier , jenseits der Alpen ,das Flugzeug zittert und rüttelt auf einmal spektakulär . Wir sind beim Noch-einmal-Wegdrehen vom Flughafen Marco Polo (als fragte wer : Haben Sie sich das auch gut überlegt ?) In spontanem Widerwillen gegen einen Absturz  zuckt die Passagierin überfragt  , und 1000 letzte Fragen wollen zugleich durch mich durch .

Zwei dicke , pausbäckige Lümmelturbinen unter den Tragflächen :

Wie Katzenschnurren auf rundem Kissen.

 

Christiane lehnt noch schlummernd an meiner Schulter .

Ich ( Marie Anne ) träume weiter .

 

Nicht von hier ( Venedig ) wegzukriegen , nicht mal in die Nevada- Wüste von Las Vegas zu exportieren , wo es  die Serenissima mittlerweile als Attrappe gibt  :  Die Gebirgswasserluft , über den Wassern wie von hellgrünen Quellen , auch unter den Anlegetreppen bei Aqua Alta .

Schlendere am Riva Sciavone entlang und studiere die Schiffe , die da mit dem Bug das Land anstubsen . Aufklatschen der Gondeln , Geruch von Vaporettodiesel und  der Schiebetürenschlag , die nicht-findbare Balance  im Wellenschaukeln auf dem Canale Grande .

Das Kameraschiff ! nähert sich träge , die Reling als Enterbrücke gereiht mit  Kamerazückern . Ein Album von Gesichtern dahinter, davor .

Töchter , viele Vorfrühlingsgesichter , blasses Porzellan , Fragen vorbereitend , Engländerinnen : Für sie ( wen sonst ?) wurde diese Stadt eigens eingerichtet , mit ihnen sieht man Venedig in allen opulenten Filmen  .

 

Fußgängerbrücken über die kleinen Kanäle : Wie gravitätisches Großväter-Turnen an entgegengesetzten  Enden der Strasse : Die Strasse wippt uns hier  hoch , dort herunter .

 

Die  (vormir /gleichzeitigmitmir) Menge eröffnet einen Gladiatorenmarkt auf der Via Garibaldi  , unterhalb dessen , wie wohl in Bangkok    , Gemüseverkauf auf Booten stattfindet ,  Schiffe  immer die aufregenden  Halbheiten  sind ; auch der Blick auf Frauen , sagte JOHANN doch einmal , ist  ein gewollter Scherbenbruch : Verabschiedende , ein Wiedersehen wollende Symbolreichung . Ach , wäre er hier , würde das Wochenende schon irgendwie runder .

 

Ich denke an die Sintflut :

Der Vaporetto lässt Wellen schlagen . So könnte es gehen : Wellen machen vor , wie Menschen gewogen werden , wie beim Auswippen Geduld da ist ;  die Treppen bei San Michele di Isola  als das ins Wasser gehaltene Ableseinstrument .”

 

etc etc , soweit so die von mir Marie Anne unterschobenen Reiseeindrücke .

 

 

A propos Scherbenbruch .

Bei meinen Phantastereien über dem Thema Venedig-Reise :

Ich überlege , ob ich nicht das Fach wechseln sollte . Denkmalschützer und Erotikdichter haben es ja etwas schwer , in die Schlagzeilen zu geraten , zu Ansehen , Reichtum , Bewunderung durch hysterische Frauenpulks .

Aber ich könnte anstelle von subtiler Reimerei in Sachen Amore ! und Begehren!  ja einen Reißer schreiben : Wozu mir gestern folgende

Idee kam :

 

Nach 9/11 sind  die Sicherheitskontrollen an allen ernstzunehmenden Flughäfen der zivilisierten Welt verschärft worden . Dem Revolver , dem Tapetenmesser , der Schere ,  dem chemischen Bausatz keine Chance ,

von Giftschlangen im Stiefelabsatz ganz zu schweigen .

Worauf aber bisher noch niemand kam ….. im Folgenden .

Einem gestern gesehen Action-Thriller , ich gebe es zu  , verdanke ich ersten Ideen-Impuls : In dieser Story hatten muslimische Gangster Messer aus Glasscherben verfertigt ( wo? wie ? wurde nicht gesagt ) und damit richten sie ein entsprechendes Gemetzel unter Flugpersonal und Passagieren an , um natürlich das Flugzeug über Disneyland abstürzen zu lassen . Oder war es die Lustmeile von St.Pauli ? Erinnere mich nicht mehr .

Ich grübelte also der Frage nach , wie denn jene Glasscherben an Bord hatten kommen können . Und hier bot sich meiner kriminellen Intelligenz  eine Lösung : Keine Sicherheitskontrolle , kein gewiefter Security-Programmierer würde den Passagieren eine Brille abnehmen !

Würden also jene Kriminelle scharf geschliffene Gläser in Brillen-fassungen verbergen , könnten vier oder fünf intellektuell aussehende , als – sagen wir – viellesende Dichter Getarnte jede Menge Scharfes und Schnittiges mit ins Flugzeug bringen und Stewardess oder Pilot an die Kehle setzen .

Entweder ich verkaufe diese Idee an einen Drehbuchautor , denke ich mir in meinen unterbeschäftigten , dem Schmachten nach der demnächst vermutlich gen Venedig Reisenden gewidmeten Stunden ,

oder ..ich entführe gleich so einen Airliner  selber und lande mit ihr , nach

Erpressung des Piloten , auf  einer Insel in einem Inselstaat , der nicht ausliefert . Voilà !

 

 

Was will jemand wie ich mit Liebe ?

 

Liebe , die vom Objekt erkannt und erwidert wird . Ich bin ihrer nicht würdig ( würde Christiane gerne bestätigen ).

Würde diese Liebe nach wenigen Wochen entwürdigen . Verzweifeln an ihrer Schon-nicht-mehr- Schein-Realität  . Zu sehen , wie die Geliebte

gedemütigt wird durch ungelenke und innewohnende Prosa , Sachzwang-Suhlerei , meine altkluge und selbstherrliche Auskennerei

( `ich weiß , warum Du das sagst ´) ( `hättest Du das nicht anders  , nichts Anderes sagen können !´) als Scharfrichter , der einer Königin vor Exekution noch die Haare beschnippelt .

`Achte auf Deine schlanke Linie  ´, sagte Christiane , `sei nicht so gefräßig ! Du hast doch schon EINE Frau , für die Du nichts Positives ,  Brennendes  empfindest.´

Frau aus Asche ! Nicht aus Salz . Zurückgewendet zu Zeiten der lebendigen Liebe und Leidenschaft . Ach , da vorne steht  ein Photoautomat , Schnappschuss gefällig ?

 

 

Aber….der Tango !

Tango rettet alles . Ist das Allheilmittel . Rettet , was  es gar nicht gibt ; rettet , wenn man gut aufpasst und keinen Klumpfuß hat , wasimmer es auf dieser Welt höchstens geben könnte . Noch Verlust und Trauer sind in den Rang von :  Zitat ! gerettet  . Zitat mit guten Zähnen , Zitat als nette Bestie .

 

Minnedienst also .

`Ursache oder Folge ?  Sehe ich so viele Pornos , um Marie Anne nicht zu belästigen …oder liebe ich M. , weil sie mich nicht oder kaum , sozusagen nur pro forma sexuell erregt ? ´

Dies sind Auszüge aus meinem Denkmalschützer-Tagebuch :

Die innere Abteilung sozusagen ( Christiane ?!  Geht Dich nichts an , Hände weg ! ) .

Öko-Freaks würden kritisch gucken : Mein stetiges abnutzungs-intensives Rauf- und-runterfahren aller vitaler Energien : Kritisch zu bewerten !

Ja , meine Schwäche-und Lähmungsphasen , wo ich einfach nur rumhänge , die wären schon besser für den Planet ; wenn doch nur alle so lethargisch , so ausser Gefecht wären ….

aber dann : Meine hektischen Bemühungen , mich abzulenken , tausend Sachen zu unternehmen und anzuleiern , hier was kaufen , da wen treffen , alles nur natürlich um nicht ( bittebitte nicht !) an Marie Anne zu denken !

Rauche nicht , trinke nicht , gucke Pornos . Mein Streichelzoo…

Bin aber nur sozusagen quartalssüchtig : Je nachdem…

wieviel Zeit ich habe , Marie Anne zu vermissen .In ihrer Abwesenheit um sie  zu kreisen . Satellitenporno seit ich Marie Anne kenne .

Ich versuche halt , mich gegen Marie Anne zu immunisieren . Ja , da lachen Sie , geneigte Leser und Leserinnen ! Und : Wer dankt es mir ?

Richtig .Niemand .

 

Bin nicht auf den unzüchtigen Seiten im Netz unterwegs , weil M. so sexy und erotisch knisternd inspirierend wäre . Die Sache liegt ganz anders ….

Wie war noch mal die Frage ?

Warum Porno-Zuklapp-Zeitvertreib im Netz ? Mein Gestolpere hinein in diese Schlafzimmer ?

Bin sexuell vernachlässigt . Meine Frau und ich vernachlässigen uns gegenseitig . Und sie zwingt mich einmal am Tag zur Teilnahme an ihrer

 

 

Wallfahrt….nach Mecker .

 

Oder , wie sagt der Dichter : Das ewig Weibliche zieht mich herab .

 

Acht Dinge …

nein , besser : Zehn ! Sachen , die ich noch erledigen sollte , bevor …

also zuerst : Meine Schuhe sollten mal wieder geputzt werden .

Zweitens : Den Müll runtertragen .

Drittens ( ist einfach !) den Geschirrspüler ausräumen .

Viertens : Trag das mal ins Wohnzimmer .

Fünftens : Stella anrufen ? Nein , das würde jetzt wirklich den Rahmen sprengen .

Aber grundsätzlich , sechstens , möchte ich mir meine Droge schon verdienen , siebtens , bevor ich….

 

die heißen Seiten im Netz öffne . Den Thrill erhöhen …..

Ich ? Süchtig ? Also hören Sie mal !

 

Sachen also , die ich noch erledigen sollte , bevor ich wieder in dieses freundliche Labyrinth im Netz hinabsteige .

Habe wie Alice in Wonderland mein gewöhnliches Kaninchenloch : Die ersten Stufen und Wahlklicks sind vertraut , die Websites sind noch nicht verboten oder ausgetauscht , alte Bekannte ( weiblich ) grüßen ; aber hinter manch neuem Klick warten ( bzw. ICH warte , mein Computer ist entschieden old school ) Frauen , die ich bisher nie sah ; die darauf gewartet haben , gesehen zu werden ; hinter den Bergen bei den 7 Zwergen ! Warten darauf , dass ich IHR Bild finde , vergrößere , die Sequenz verfolge : Wie entledigt sie sich ihres BHS , wann sieht man zum ersten Mal über ihrem hochgezogenen Rocksaum ihren Slip ; hat sie einen Begatter dabei , einsatzfähig im Hintergrund , wie penetriert er sie , welchen Gesichtsausdruck hat sie dazu , wird sie seinen Samen

schlucken  nein , das wäre wenig fotografierbar , eher aus ihrer Mundhöhle wieder aussprudeln , und auf Kinn , Wangen , Nase verteilen lassen .

 

Auch das also Reisen in unbekannte Länder ? Ich der Entdecker ! Neue saftige Seh-Weide , Tau und Manna in meiner Wüstenei ! Und wenn ich auf die Uhr sehe , habe ich Stunden in diesem Labyrinth , kurz vor

China , zugebracht , Zeit , in der ich nicht an Marie Anne gedacht habe , in der das Vakuum gefüllt war , Stunden von robuster Gesundheit .

Marie Anne dann allerdings….ihre Existenz fünf Kilometer weit weg,   wie eine Ariadne , die mir erlaubt , aus den Tiefen des Netzes auch wieder

und wieder trostlos aufzutauchen .

 

Und das mir ! Mir , dem erfolgreichen  Verfasser  von erotischer Lyrik .

Meine Berufskrankheit , aber eine doch sehr angenehme :

Der Mann , der die Frauen liebte ( was war zuerst da : Meine prüde-puritanische Sozialisation oder der Truffaut-Film ).

Da sagte der Pfarrer ( in mir ) ( über besagte Einsamkeiten ) :

 

Die Frauen im Bild

gespreizt , je /jede für sich /

letztes Angebot .

 

 

Noch so ein paar Menschenfischer , seufzte der Pfarrer ( in mir ).

Sex ist mit …die härteste Währung !

 

Dazu tragen Frauen elementar bei ….

 

 

Frauen im Rachefeldzug !

Gegen die Misshandlungen von ein paar Jahrtausenden Patriarchat ist spätestens heutztage alles erlaubt . Jetzt wollen sie Kastrations-drohungen der neuen Art lancieren : Wir tumben Männer sollen dürfen müssen ! sie weiterhin attraktiv , berauschend schön , hinreißend , subtil verlockend , gelungen finden : Aber !

Aber . Wir dürfen diesen Befund nicht mehr verbalisieren . Keinesfalls so etwas Unverfängliches sagen wie :

 

“Dein Schamdreieck , unter Slip und Strumpfhosenzwickel : Unser , Dein und mein , gemeinsames Projekt , ein knifflig lohnendes Problem , unser

dringlicher Arbeitsbereich : Legen wir endlich , pausenlos ,  konservativ  los !”

 

Keinesfalls ! Angemessen, politisch korrekt , würdebewahrend wären Äusserungen wie : “ Oh Frederike ! Deine inneren Werte haben mich überzeugt ! Welch Charakterfestigkeit , welch Sensibilität , welch Großmut und Tugendhaftigkeit ! Lass mich auf die Knie sinken , gewähre mir Blick und Ja-Wort …..”

 

Wenn es mir gelingt , meine Sucht nach erotischen Bildern als  DAS

treibende Moment in meiner Troubadour-Existenz  zu definieren : Dann habe ich geschickt die Gratwanderung der Bigamie gemeistert – und befinde mich in einer Trigamie ?

Ich schaue das Calder-Mobile in meiner Werkstatt an und werde von meinem Sitzplatz aus schwindlig .

 

Ich könnte auch einfach mehrfach am Tag sagen :

“ DU bist nicht unsichtbar – ICH bin nicht blind !”

 

 

Gestern nachmittag

war Marie Anne zum Tee bei Christiane , und wirklich rein zufällig ( auf Ehre ! ) traf ich zeitgleich vor dem Haus meiner Lebensabschnitts-partnerin ein .

Marie Anne freute sich , war munter wie ein Kiesel in einem Gebirgs-bach , strahlte , war anders als am Vorabend nicht geschminkt , etwas bleich um die Nase  , so dass ihr Gesichtsflaum ( vulgo : Damenbart ) sich in der Sonne abhob .

Was ich ihr nie vergessen werde : Kaum sehe ich sie , bin ich um ein Drittel meines Körpergewichts erleichtert , ich fange an zu fliegen , bin witzig ( finde ich schon  !) , trage zur allgemeinen Gewichtsersparnis bei : SIE ist die Auslöserin , aber ICH bin der Ausführende , SIE die Partitur , ich der Mensch an der Triangel . Ich steh auf Kokain !

Ach ja .  Sage einer , mein Leben war umsonst gelebt .

 

 

Die Photogallerien `Grannie Porn ´

oder `Older Mature ´und wie sie alle heißen : Verführen zum Schlürfen : Quantität behindert Qualität . Ich nehme das einzelne Model nur atomisiert wahr , sie schält sich nicht deutlich aus einem konkreten Ambiente heraus und lächelt nicht unverwechselbar .

Es ist eher so , als ob einem ein Inspektor ein Album hinhält mit Visagen-Entwürfen : Etwas mehr Wimper ? Die Wangen sooo? Das Kinn :

Richtig ? der Hals ? nein , so keinesfalls . Ein Baukasten . Wir basteln uns – nein , schon keine Bettgenossin mehr , für einen Quickie , sondern eine Herden-Wahrscheinlichkeit .

 

Der Frühlingsmorgen vor meinem Fenster lädt dabei breitbeinig ein , spreizt die Schenkel . Und ich liebe Frauen – katalogweise ! Wie sie sich anbieten , immer auf Messers Schneide : ICH bin die schärfste , offeriere Dir DEN Höhepunkt , sieh mich an , Du/ sollst/ Mich/ ansehen !

Und wo die erste gut war , ist die zweite nicht schlechter . Ein Chor ! Zu Ehren des Voyeurs und Schmachtenden ! Ozeanische Anbrandung ! Nein , ich bin nicht der Stärkere …

So viele verschiedene Gesichter , Proportionen , Ambientes , Frisuren …. Die nächste Schwanzlutscherin , mit Sperma zugeleimte , nur einen Tastenklick weiter , und weiter , und weiter , wie gesagt : Katalogweise . Und jede winkt und fuchtelt :

 

ICH ! ICH! ICH !ICH

 

kann das besser ….ein wahres Schlaraffia für den Sex-entwöhnt/Ehebett-ge-wohnten Midlifekrisen-Gezeichneten  .

Katalogweise ! so als ob nun wirklich ALLE Frauen Bescheid wüssten über den kürzesten Weg : Ich kenne da noch eine Abkürzung , nur für Dich ! Wie aufregend : Jeweils der erste Blick , die Offenbarung ; ich entjungfere quasi jeweils …meine bisher-noch-nicht-Bekanntschaft ; so viel Frischluft !

Die Schmetterlinge flattern . Keine dieser Frauen insistiert , ist klammernd bis klebrig/ wie Fliegenfänger /wie Ehefrau .

Ausser…..den wenigen ..der EINEN erwartet Unerwarteten…der einen , die mich erinnert an Unwiederbringliches , Damaliges  ….

 

 

Natürlich ist das eine Sucht .

Vom Katalogblättern erwarte ich , wie vom Wedeln  einer kaum zu erschöpfenden Vielzahl von Blättern : Frischluft ; weiter weiter mehr !

Als ehemaliger Asthmatiker schnappatme ich nach  Sauerstoffgehalt ;  blättere zwar manchmal zurück , spätestens nach angewidertem und befreiendem  Wegwerfen von alten Pornos entwickele ich auch Nostalgie und Zurück! Zurück!- Schmachten ; aber solange die gewohnten Bilder erreichbar sind , sind sie fast aufdringlich in ihrem Verstummtsein ;

und nur noch so erotisch stimulierend wie ein Pflasterstein .

 

Alle diese Frauen ! Viele viele viele ! Frauen nur als Lockende , sehr im Gegensatz zum Straßenbild . Wieviel Lockung , Einladung pur , Willkommenskultur , reimt der Dichter in mir .

So viel `Achtung-fertig-los ´im Angebot ; strenggenommen nur :

`Fertig !´

Soviel Startschuss – Vorbereitung ,

 

ab jetzt

ab jetzt

ab jetzt

 

gleich , Zukunft so greifbar , so un-weg-nehmbar .

 

Alle in Paarungsbereitschaft , mal mit gespreizten Beinen , mal mit Innenschau zwischen Schamlippen , die nur den Gynäkologen nicht überraschen  und  ihn beruflich zweifellos mehr interessieren als den Begatter ; mal mit gelüpftem Rock und dazu in kuriosem Wechselspiele stehenden Mienen zwischen lüstern , schüchtern , wütend , angriffs-lustig , defensiv , verschreckt .

 

 

Ich glaube ich träumte

nachts von Gottvater , der einen riesigen Schlüsselbund durch die Gegend schleppte : Für jede dieser Frauen , genauer gesagt :

Für jeden der in Frage kommenden Begatter dieser Frauen  ein anderer Schlüssel , passend , irgend etwas , was im weitesten ? nein im konkretesten Sinn die Willigkeit oder Begierde dieser Frauen/ in dieser Situation/ gemünzt auf diesen Mann , in Gang bringt , entriegelt  , das passende Losungswort , die erwartete Non-Chalance oder

Ehrerbietung , Hin-und-Weg-Signale oder cooles unerträgliches Hängenlassen , Spannungsbogen oder der richtige Sportwagentyp , Empfehlung des Clans oder Besoffenheitszufall .

Ach , es lag alles am Disco-Licht ? Es war der langweilige Gatte , im Vergleich zu dem dieser Typ hier für einen One-Night-Stand durchaus reichte ?

Oder die schmähliche Schadenfreude , der besten Freundin oder der Schwester den Typ ausgespannt zu haben : Auch das soll es schon gegeben haben .

Lese ich . Denke ich mir im Traum . Nur der liebe Gott blickt bei seinem Schlüsselbund für Lover und Situation noch durch .

 

 

Ein wunderschöner kalter klarer Morgen ,

sonnig , desinfizierend wie Rasierwasser . Ein wunderschöner Tagesbeginn im Park , wie geschaffen zum Weinen .

Wo ist sie ?

Wie nur ….wie….. kann sie sich nicht melden ?

Marie Annes Lachen , ihr schalkiges `die Augen verdrehen´ , halb verschwörerisch  kumpeln , ihr aus-und einpackendes Lachen . Und dann …

Wie eben Marie Anne mein Erinnerungs-Arsenal bis in den letzten Winkel vollstopft .

Auf einem Rinnsal hier im Park hatte sich noch im März eine dünne Eisschicht gebildet , so dünn , dass man darunter das fließende Wasser in Bewegung sehen kann . Auf einer ähnlich Kaum- Decke von Make-up  treffen sich , ich erinnere mich , in ihren Augen dieses befreiende , halb fohlenhaft wiehernde Lachen , und halb drängende Tränen , worüber auch immer sie diese weinen könnte .

Ich gehe durch den Park , durch die morgendlich kalte Sonne ; und wie Ovid  im öden Exil bei den Barbaren strandete , bin ich hier ausgeliefert den Gassi-Gehern und Nordic Walkern .

Vor einem Baum bleibe ich stehen und sehe einem Trupp von Vögeln , ich glaube Meisen , zu , die durcheinander sprudeln . Denke an meinen Freund Schubert , den Hochzeitsausrichter , der gerne jedem und das wiederholt seine Lieblingsthese ausbreitet : Die Aufgabe des nächsten Jahrhunderts wird es sein , das Alphabet der Tierlaute , etwa und besonders der Vogelstimmen zu entziffern .

“Wir Menschen sind so einsam und so ratlos .”

Wo er Recht hat .

Ich habe meinen  Rundgang um den See beendet  ; Marie Anne wohnt nur wenige Hundert Meter von hier . Was mag sie gerade tun ? Wie denkt sie über den gestrigen Tag ? Vielleicht ist sie so solide anderweitig beschäftigt , dass sie gar nicht daran denkt . Oder vielleicht findet sie ihre Tranchiermesser- und Dekorationskäufe so geglückt . Oder nicht ? Und da ist dann auch schon der erste durchgestellte Arbeitsauftrag für ihr Home-Office.

Ich werde demnächst hier Schilder aufstellen mit der Aufschrift : Joggerfreie Zone !

 

Fahre nach Hause und denke , tatsächlich recht aufgeschlossen , an meine Masturbations-Couch , die mir eine erfolgreiche Weichenstellung weg von M. liefert . Noch nie wollten so viele fiktive Damen mein Sperma an so vielen Stellen ihres Körpers , noch nie wimmelten , schlichen , kuschelten , keuschten (sic!) , stolzierten , lümmelten so viele Grätschen durch meine Fantasien . Der Zweck heiligt die Mittel . Und schon wieder eine Viertelstunde nicht an M.( Sie wissen schon !) gedacht .

 

 

Reiseanbahnung :

Heute ist Marie Anne verzweifelt bemüht , zwischen mir und Christiane zu vermitteln . Dabei kommt es zu dem Nebeneffekt , dass sie in ihrer nervösen Konzentration ( als sei eine sprungbereite Metallfeder mit Mühe zusammengepreßt ) sexyer ist als je und sonst : Sie ist wie  sprungbereit , vibriert vor Abflug , wenn ihr noch Vermittelndes einfällt , vibriert vor Abflug , sagte ich , nicht in meine Arme , nicht  in mein Bett .

Sie trägt ein geblümtes kurzes Kleid und eine schwarze Strumpfhose , allerdings auch hässlich-häuslich-lässliche Flipflops . Meine süchtig imaginierte Hand auf ihrem Strumpfhosenzwickel !

 

Ansonsten : Die willigen Damen von der Erotic Website gegen Marie Anne , die reine Magd . Von der ich auch dauerhaft einen Festabstand von 1 Meter ertragen würde , abgesehen von

 

 

2 mal die Stunde

 

Kuscheldrücken . Das Ganze auf dem Uferdeich , auf dem wir nicht lust- sondern  existenz-wandeln  und die Flussbiegung mit Blicken ins Kosmische  öffnen ; nach dieser Öffnung allerdings dann auch ein Hotelzimmer suchen , finden , beziehen könnten ( warum nicht ?!) ;

das Zimmer entdecken , einrichten , Reviere klären in diesem Zimmer , nein , in dieser Suite mit Balkon und großzügig .Was holst Du da aus dem Koffer , bringst Du da ordentlich im Schrank unter , ist ja nur für drei Tage  .

Ich träume so in meinen einsamen Tag hinein und schaue auf den Platz , wo Hunde gerade  ihre zweite Dose Schappi konvertieren .

Mein Blick fällt auf die Mauer , die sich den Parkweg  entlang zieht .

Von hier oben kann man die Überschriften der angepappten Plakate gerade noch sehen , wenn der Wind nicht die Zweige davor zappeln lässt . Ich nenne die Mauer , meinem Gemütszustand gemäß , die Klagemauer ; obwohl oder weil ….. Obwohl oder weil dort nur die

Werbung für die hiesigen Comedyshows und Humoristen , Satiriker und

Last-Word-Entertainer angeleimt wird : Wie Durchhalteparolen , denke

ich ;  bin ja Denkmalschützer und an Durchhalteparolen gewöhnt , aber nicht repräsentativ für die Einwohnerschaft der Freien und Hansestadt .

 

 

Marie Anne und mein Leben

nach ihrem Erstauftritt . Und die ganz große Ratlosigkeit seither . Ich will sie sehen , bei ihr sein….allein sind das keine Antworten auf die Sinnfrage .

`M´ wie : Merkwürdige Person : Sie hat ein unerwartet spektakulär gutes Gedächtnis für Details , Namen , die ich höchstens einmal erwähnte , flüchtige Begebenheiten , als hätten diese in ihr weitergearbeitet . Manchmal denke ich : So muss es sein , wenn man von einer Hochstaplerin oder einer KGB-Agentin ausgeforscht  wird .

Sie ist sehr um Christiane  bemüht , behauptet , sie beide hätten die Begabung zur Tanzfurie gemeinsam . Dabei ist  Marie Annes Interesse an mir/uns womöglich doch nur Firnis ? Lange Menschenkenntnis

( nennen wir das mal so , bin ja in jeder Hinsicht Denkmalschützer )

macht mich zum Pessimisten : Na wartet nur ! Warte,Welt , missgünstige Faxenmacherin : Ich werde sie ja sie  schon irgendwie  in den Zustand einer beliebigen  Entlarvtheit  überführen können  …..nicht

` ALS was ´ werde  ich misogyne Type Marie Anne entlarven , sondern

`ZU was ´ …..

Meine Menschenkenntnis macht mich zum gestandenen Einfallspinsel .

 

 

Man kann es den Frauen auch nicht recht machen .

Kuschelreport Nr.2 : “Je mehr Du mich streichelst …. “ Christiane lässt mich zappeln .

“ Ja ?”

Christiane sagt : “Für jede Streicheleinheit , die Du mir zukommen lässt

( und wer lebte nicht gern in einer schmiegsamen unspitzigen Welt ?) , für jede Hautbesetzung Deinerseits also stelle ich mir vor  ( Haut-besetzung in bester Absicht , gut dosiert und handsigniert , sozusagen ) stelle ich mir also vor , Du gibst Marie Anne wild , unbewusst , kannst gar nicht anders , es kommt wohlig über Dich , schreit lauthals JAAAJAAA ! , Du gibst IHR : Zweieinhalb . Oder drei . Oder sieben . Wer wollte da zählen . Und das ach so gerne .”

Tja . Soll ich das leugnen ? Wenn ja , wie ?

Das Bessere ist der Feind des Guten , sagt meine Ehefrau noch und steht auf , um Frühstück zu machen .

Stelle mir gerade vor , ich sagte Marie Anne endgültig :

 

“ I love you .”

 

Und sie antwortet , analytisch : “ Subjekt- Prädikat-Objekt.”

Künstliche Intelligenz und Patentamt .

 

 

Gestern ,

bei der kanadischen Rösterei am Elb-Ufer : Ich ging rein und orderte ; die beiden Frauen unterhielten sich angeregt draussen vor der Türe , in  Eisheiligen-Kälte . Ich reichte die Capuccino-Pappbecher für sie heraus und zahlte drinnen ,  zu dritt gingen wir weiter .

Wie einfach ! Ich sage nicht : Trivial …Wo ist

 

jetzt/jetzt?/jetzt !

 

dieses Detail , dieses Erlebnis , jetzt ein Erinnerungssplitter . War doch eben noch da ! War  Sinngeber ! Nichts falsch dran , alles richtig gemacht …..vom Schicksal .

Und dann tanzten wir , ohne Musik , Tango auf der Deichbastion , wo ein bisschen Nachmittagssonne hinfiel , nicht wärmend , aber nette Beleuchtung . Alle Passanten registrierten , merkten auf , Kinder

stutzten , manche fragten , viele lächelten , Hunde kapierten nicht .

Wir tanzten Soltadas und Barritos , die beiden Frauen waren sich einig , dass ich das NIE beherrschen würde . Auf dem Fluss ein Chemietanker .

Fortgesetzter Seiltanz zwischen der `Na gut ´-Haltung von Christiane

( zu egal welchem Thema ) und marmorner Abwaschbarkeit , wie zelebriert von Marie Anne .

Unsere Dreier-Treffs zum Dinner abends , in Krippenlicht , und danach zieht sich jeder in seine `so what´-Einsamkeit zurück und malt große Fragezeichen auf den Spiegel . Nein , das mache nur ich . Sage ich mir an einem dieser lautlosen Sonntagmorgen .

 

 

Sagte ich irgendwo ,

unsere ? meine ? Gesellschaft mache Marie Anne offensichtlich glücklich?   belebe den Schmetterling in ihr ?

Jetzt denke ich gerade , ihre Fröhlichkeit , ihr Lachen enttarnen sich als Politur ; nicht gerade fake , aber nirgends doch Halt bietend für mich , für die Situation insgesamt .

Na ja . Zufrieden sein mit Krümeln und Almosen , Haltung bewahren vor ihrer `klar doch ´- Zerstreutheit . Ich möchte mir zu gerne sagen : Gut , IHR spielt Euren Part mit der Krümelei vom gut bestückten Tisch ; ich spiele meinen mit dem Aufsammeln . Auflecken . Krümel reichen dem Genie schon . Versuche ich mir zu sagen .

Wie wärs damit ? Ich wechsle meinen Beruf und werde Beichtvater , verzeihe ihr , der Welt , Allen Alles . En Gros et en Détail . Was könnte ein besserer Stolz-Reparatur-Baukasten sein ?

Oder : Warum klagen über die falschen Antworten ? Vielleicht stimmt was mit meinen Fragen nicht ?

Das sind so typische Morgen-Eingebungen , am lautesten kundgetan

an Sonntagen . Nachmittags winsele ich dann in meinen einsamen

Ecken , geplagt von überdurchschnittlich lebendiger Phantasie , und rufe hinein in Wüsten .

Bin ein Bewohner von Bletchley Park und spiele das `imitation game´

noch einmal . Oder bin ein Astronom , der ins Weltall hinaushorcht : Sendet da wer ? Hat jemand meine Botschaft erhalten ? Vielleicht war

ja nur meine Message nicht deutlich genug ? Bin zu diskret für diese Welt – und das als Dichter erotischer Schandwerke .

Dabei ist Marie Anne ja durchaus gut im De-Codieren , mit ihrem phänomenalen Gedächtnis , ihrer choreographisch geschulten Instinktbegabung . Alan Turing , der über den Ärmel-Kanal rüber horcht : Was machen die Nazis so auf der anderen Seite ?

Christiane ist dabei ein diskret bemühter Störsender . Alles nur Spiel …aber ich leide wie ein Hund . Bin auf Dauerentzug . Bin ein Zurecht-Rücker , Selbst-Korrigierer , könnte permanent Marie Anne nachsetzen und noch einmal erklären , wie ich was nun wirklich gemeint habe , aus der ganzen erdrückenden Reichhaltigkeit  meiner `message SENT ´-Schublade .

Oder…. haben wir sie etwa schon , unsere Geheimsprache ; geheim vor Christiane ? Vielleicht hat Marie Anne ja gestern sagen wollen , dass …, als sie eigentlich was ganz Banales sagte :” Mein Vater ging früher Sonntags immer angeln.”

Da gibt es für den Dechiffreur viel Arbeit .

 

 

Sex war gestern .

Oder vorige Dekade . Heute ist Tango . Marie Anne hat ein Wollkleid an , wintrig noch fast , passend zu diesem sogenannten Frühjahr eben ; da gibt es kein textiles Knistern . Sie korrigiert die Position meiner Hand an ihrem Rücken , hätte meine Handfläche gerne “schulterblattnäher , fester aufliegend !”

Wir tanzen in Christianes Wohnzimmer auf Strümpfen ; das macht keine Striemen auf dem Parkett  und bringt  etwas von Kinderzimmer-

Geburtstagsstimmung auf .

Marie Anne tanzt endlos Ochos , Rotation in Endlosschlaufe , weil sie auf mein choreographisches Signal zum Ende wartet . Bzw. mein Signal nicht mitkriegt .

Dann tanzen die beiden Frauen , und Marie Anne mimt den männlichen Part . Nein , Christiane sagt nicht : Jetzt ganz Frau sein ! Und ihre Partnerin weiß :

“ An Deinem Gancho…da müssen wir aber noch arbeiten !”

`Arbeiten ´?

Würde ein Argentinier tatsächlich so einen Satz sagen , so ein Tango-Gangster aus der Portena-Gegend von Buenos Aires ? Oder ist das eher treuherzig teutonisch , so nur denkbar unter uns Hiesigen , rettungslos verlorenen Leidenschafts-Soll-Abarbeitern , Überstunden-Anhäufern in westlicher BRD ?

 

Und das Ganze war vielleicht irgendwie auch ein Treffen von drei Giftmischern , jeder geheimnistuend , hinter jeweiligem Rücken eine Prise hiervon/ davon mit den Fingerspitzen einstreuend , und jeder achtet darauf  , dass die Dosis gerade noch kaum nachweisbar , gerade noch wirksam , gerade noch  mannschaftsdienlich und stimmungs-stabilisierend wirkt  .

Habe mich sozusagen eben für die Teilnahme an der Billiard-EM angemeldet : Spiele gewollt /gekonnt/ gekonnt /gewollt über Bande  :

Sage Christiane etwas , das sie  an Marie Anne weitergeben wird ,

und umgekehrt ; an diesem Edelstein arbeite ich : Aus allen meinen

( zwei an der Zahl z.Zt.)Liebschaften das Beste an Fürsorge und Sorgfaltspflicht bei gleichzeitiger Raffinesse und unter Wahrung von Unterhaltungswert :

 

Oh Oscar Wilde ,

 

erhebe Dich aus Deinem Grab und zolle mir Beifall !

Und ausserdem ist es , als riefe ich Marie Anne zu : Komm nach Hause ,

nach Hause ist hier ! Dein Schutz , Dein Heimathafen , Dein Launching Pad .

 

 

Sex …. daran denken

bereitet mir Schwierigkeiten ; ich stelle mich sozusagen eher einer athletischen Aufgabe . Jedenfalls beim Erinnern an meinen glücklichen Abend , gestern , mit Marie Anne ( Christiane war auch dabei und … wie soll ich sagen – geduldig  . Entsagend , aber mit leisestem Droh-und Rache-Potential ) .

Sex ? Ich möchte Marie Anne umarmen und drücken , ich liebe ihren Anorak und ihren Schal , möchte mich in wahrem Rausch für Marie Anne rückverwandeln in einen Teenager , der `noch nie´ ( Sie wissen schon ) , und : ( also das ist ja nun wirklich das Letzte -)  Bin sozusagen sauer auf Christiane ( ?! als wäre sie die einzige gewesen ! ) , sie hätte sozusagen irgendwie . Mir meine Jungfernschaft genommen !  In zwanzig redlichen Sozusagen-Ehejahren .

Ach ja . Stimmt  , wir sind nicht verheiratet .

Die Arme , wenn sie ahnte  , was ich  alles an Foulspiel um sie herum zusammenbraue .

 

 

Reisen .

Oder jedenfalls fliegen . Sich wiegen . Wolken als Leibgarde .Weitblick .

Schaukeln als Möglichkeit , nicht da zu sein , weg zu können , geborgen im Wissen um das Zurückschwingen gleich . Man müsste Marie Anne

wenigstens  einladen in einen Stadt-Rundflug- Flieger .

Reisen !

Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder …Bin mental manipuliert

aufgeregt wie vor Schul-Ausflug ! Reisen wie ein gut gemeinter Rücksturz  in die Kindheit : Alles neu , auch in Hanoi !

Reisen wie des-infizieren !

Bin heute , Donnerstag , 17. Mai ,  krank , habe  Grippe , sage telefonisch Tangotreff und Teestunde bei Marie Anne ab .

Sie : “ Oh , das tut mir aber leid ;  werde schnell gesund ; dann eben bis zum nächsten Mal ! “

Wie kann frau nur ! soooo ! was sagen ….sooo sagen .

`Nächstes Mal !´

Ja wann denn bitte ! Und mit welchem Müll füllt sich die Zeit bis dahin ! Füllt bis zum Platzen , eine Verstopfung entlang des Sekunden-

zeigers ….

Und dann bin ich nächstes Mal leider , so will es das Los , der Lenker der Zeiten : Dann bin ich auch noch mal  mindestens 1 Woche älter …

 

Was ihre Anmut ausmacht : Ihre Frische , ihre Jungmädchen-Naivität , die wohl von einem guten Onkel nichts Böses erwartet . Zu ihrem

Schutz (!) :

Sie hat anscheinend eine schwierige Beziehung zu einem fast 40 –Jährigen (!) gehabt  , der zum Besitz sonstiger Mängel hinzu wohl auch ihren Kinderwunsch nicht teilte ; jetzt lebt sie seit mehreren Jahren dezidiert und demonstrativ ohne , nicht gegen , Männer , hat sich mit Willemer , dem bundesweit bekannten Pferdemetzger und Mäzen vom SV Wilhelmsburg ,  einen guten Onkel zugelegt , der netterweise nie persönlichen Auftritt in meinem Gesichtskreis verlangt  ; sozusagen nicht da ist . Sie reagiert fröhlich und dankbar auf irgendwelch/alle sozialen Angebote :

 

Und ich ….fühle mich meinerseits  überwiegend als erfolgreicher Patriarch und Papa , und ein wenig als Verführer in der Kulisse . Bin verzückt von ihrem Tanz , ihrer tänzerischen Grazie . Tango-Beweglichkeit, wachsame Bereitschaft , mit Allem Rechnen denn auch auf Deinem Gesicht :

Auf dieser Bühne ist Erstaunen , Frohsinn , Annehmen , oder fröhlicher Protest , gut markant strukturiert in Staccato – wie Tango .

Vielleicht kann die Tänzerin ja hinwegwirbeln über …..

 

 

Mir fällt auf ,

wieviel Geld Christiane in letzter Zeit in ihrer Wohnung für Blumen ausgibt . Sie hat einen tollen Geschmack in Farb-Zusammenstellungen : Resultierend in üppiger Gartenlandschaft im Frühsommer , auf der Schreibtischkante und auf dem Teetisch , an dem heute leider keine Teestunde stattfinden  wird .

Sie kompensiert so ihre überhand nehmende Arbeit im Krankenhaus ,

ihre Nachtschichten und Überstunden . Mir ist immer wieder klar , ja

doch :

Ich darf ihr um Himmelswillen nicht in den Rücken fallen , nicht treulos werden ; warum ist man schon so ewig zusammen , wenn das Ganze

( bätsch!) wegblasbar ist durch eine jüngere Newcomerin .

 

 

Marie Anne ,  Sie ……..stören !

Merken Sie nicht , wie das alles nicht passt und kratzt und eckt , wenn Sie nicht anrufen ?

Wie ein kleiner Tod : Das `Gestern waren wir …sagtest du ..´ , das

Heute : Nur weite Leere ; und morgen , nein nächstes Jahr , wird man drüber weg sein , sagen die Freunde jetzt und auch  erst recht dann …ja ja im Nachhinein etc und die Zeit heilt alle Wunden .

Ich komme gerade dem Religionstrieb auf die Schliche : Tatsächlich

sind wir alle wie wir so da sind : Schauspieler . Wenn wir Unterhaltungen mit Toten mimikrieren , Wunschträume mit teuren Abwesenden

imaginieren , uns ausmalen , was wir mit der unverbraucht abwesenden  Geliebten unternehmen und inszenieren würden im Falle von Lottogewinn : Wir sind Schauspieler , machen uns gerne was vor , lasten das unterbeschäftigte Phantasievermögen aus , negieren die einfachen Tatbestände wie zum Beispiel :

 

Sie ruft nicht an .

 

Hat auch keinen Grund dazu . Ist ja durchaus auch berufstätig ! Wir sehen uns doch wahrscheinlich am Wochenende oder so .

Sie ruft nicht an .

 

 

Es wird Abend an der Elbe . Ein Schrott-Transporter  gleitet Richtung Nordsee , unromantisch aber wenigstens leise . Die Möwen sind lauter .

Und die Fenster auf der `Monrovia ´ sind wie ein Show-Room für Heimeligkeit , oder sagen wir gleich : Heimat .

Darin ist der Fluss gut , so richtig : Als Deflations-Anheizer . Alle meine Freunde , die jetzt nicht hier sind , nach denen ich mich sehne , werden  am Fluss immer noch ein Stück präsenter , schmerzhafter , sehnlicher vermisst .

Ich sehne die Freunde herbei und mich gleichzeitig in die Ferne , natürlich zusammen mit IHR .

Typischer Altmänner-Exhibitionismus , würde die scharfsinnige und

scharfzüngige Christiane sicher sagen : Er will ihr was zeigen ! Und alles was er da noch sozusagen auf die Beine bringt , ist die Reiselust ; IHR zeigen , was er von der Welt kennt ; die große Expertise und Kennerschaft auspacken . Marie Anne , ich zeige Dir die schönsten

Winkel und Ecken und Aussichten dieser Welt , da wo ich überall schon mal gelebt habe , wenn man das Ohne-Dich-Irgendwo-Sein Leben nennen kann . Glatter Exhibitionismus , glattes Angeben .

Oh Marie Anne , oh Venedig !

 

 

“Apropos Patent “ ,

sagte sie an einem der nächsten Milonga-Abende .

“ Ich danke Ihnen ( MIR ?mir!) “für diese Inspiration . Bin ja selber keine

Erfinderin , weiß aber , dass kreative Menschen manchmal nur kurz vor dem Verhungern , sozusagen mitten in der inspirativen Wüste , gerettet werden von irgendeinem saudummen Zufall .”

“ Ich höre …”

“ Zufall und Inspiration : Das ist DIE Love-Story . Na ja , wie gesagt , selber brauche ich da gar nicht zu hungern , aber meine Klientel…”

“ Kommen Sie  zur Sache , Sie müssen gleich wieder tanzen . Macro scharrt schon mit den Hufen !”

“ Modemacher , Designer , von denen ich einige gut kenne , sind eben  auch Erfinder . Und ich könnte mir vorstellen , dass Sie eines Tages in den Modemacher-Himmel aufgenommen werden….

ich würde mir da schon mal  meine Schutzrechte patentieren lassen .”

“Wofür ? Patent worauf ?”

“ Nun , ich wette , eines Tages rennt jeder modisch bewusste Mensch , egal was er trägt , Tasche , Schuhe , Hut ,Schal so rum wie Sie …mit gut sichtbarem Preisschildchen , wie dem , was Sie da wie Leuchtanzeige am Hemd ( ich weiß , Sie wollten gar nicht angeben , haben es nur vergessen , sind ja vom Denkmalschutz , also von gestern ) , was Sie da also am Hemd hinten am Hals mit Ihnen  rumtragen .”

Christiane prustete los , auch das  Paar rechts auf der Tango-Pritsche , ich klammerte verlegen nach dem in der Tat vergessenenen

Pappmärkchen , Christiane verschluckte sich , Marie Anne klopfte ihr auf den Rücken .

Spätestens seither sind beide befreundet .

 

 

Wenn …irgendwann einmal

( träume ich ) ….wenn es irgendwann einmal anstelle des ewigen unerreichbaren

 

`Morgen ´

oder             `Irgendwann ´

eben ein      `Gestern ´

geben sollte :

`Gestern abend  ( war es soweit , wir haben uns in einem Gefühlssturm

umarmt ,  als der Strom ausfiel und wir auf der Tanzfläche wirklich gelöst gelungen eine raffinierte Saccada zu Ende getanzt hatten  ) ,  wir hatten Zeit , uns zu erklären , Seelen- Strip in Gänze , die Deichtore zu öffnen , zuerst nur wenig , dann für einen Schwall von ….Liebe : Wie Kartenspieler nach einer schwierigen Partie nachkarten :

`Und dann hast Du Karo gespielt ; das Kreuz-Ass wäre besser gewesen – nein , dann  hättest Du doch… ´

wie zwei Liebende die Karten auf den Tisch legen und im Nachhinein erklären : `Also Dienstag auf dem Parkplatz meinte ich noch ….sagtest Du …und ich dachte ….nein , das habe ich nicht gesagt ….nein , ich habe was anderes gemeint …hätte ich DAS gewusst ….´  :

 

 

“ Hat Marie Anne Dich gefragt ? “

fragte Christiane . ” Nein…..(?) “( hat sie nicht) .

“ Mich schon , und ich werde ihr helfen , das sei gleich mal gesagt .

Es geht um 50.000 Dollar , die sie auftreiben möchte .Ihr Vater

lebt , wie Du weißt ,  seit 20 Jahren in den USA , sein Geschäft ist neulich pleite gegangen ; er steckt in finanziellen Nöten …und nun auch noch das .”

Ich fluchte auf die Geheimbündelei zwischen den beiden Frauen . Die doch eigentlich über ein Duell mit Florett und Pistolen dafür sorgen sollten , dass , aus zwei mach eins ,  nur noch eine übrig bleiben würde , meiner Meinung nach mit deutlichen Vorteilen für Marie Anne .

“ Ihr Vater hat jetzt eine böse Nachricht bekommen . It never rains but it pours , wie die Schweden sagen . Sein grauer Star muss dringend innerhalb der nächsten Monate operiert werden , sonst wird er

erblinden .”

Oder …..spielt Marie Anne wie ich über Bande ? Die arme Christiane als Billardkante , die Kugel jeweils halbgenau/schlau weitergebend .

“ Und er muss in den USA operiert werden ? “ fragte ich .

Das war anscheinend so . Und das Problem war , dass der Patient in Amerika diese OP selbst bezahlen muss , jedenfalls einen großen Teil .

“ Marie Anne hat mich NICHT direkt gebeten , ihr Geld zu leihen …” sagte Christiane .

Nein , hat sie nicht . Mich auch nicht , erst recht nicht , da wir ja über Bande spielen ( hat Christiane noch nicht gemerkt . Oder ?)

Nein . Ich möchte Marie Anne kein Geld leihen .

Das Lesepublikum weiss  , warum .

Auch wenn ich selbst kein Geldproblem im engeren Sinn habe .

Natürlich möchte ich kein misstrauisches Auge auf  sie werfen :

Ist sie käuflich ? Eine Schwindlerin ? Fühlt sie sich mir mehr als jetzt

verpflichtet , wenn…

“ Gut , dass Du mich nicht gefragt hast ,” antworte ich Christiane .

 

 

Unheilvolle Seiten

derselben Medaille ( mehr als zwei ) : Das Kind , das viel zu oft allein gelassen wird , das noch in der Erwachsenen- Version nachts nach Heimkehr der Eltern greint ; der Erwachsene , der im Traum nachts den viel zu vielen Aus-getauschten nachruft :

“Wo seid Ihr ?

Ihr wart doch gerade noch …Ihr seid viel zu viele , die ich nicht gehalten habe , die sich nicht gehalten haben ; und Dein Marienhaar , Fee , die Du vor mir  über weite Flachlandwiesen herschwebst , vielleicht Dich zu Pferd abhebst von den Wiesen  der Elbmarsch ; Dein Haar verfängt sich an den Zäunen , hinterlässt den Beleg , Du warst hier , liesst Dich von mir so lange halten wie es für unser Gleichgewicht nötig war .”

Ein Nachklingen  über dem Land ….

 

 

Jetzt wissen wir es ,

jetztjetztjetzt . Also : Lass Dir was einfallen ! Du bist dran ! Los doch !

schleudert der verzweifelte Mönch den kahlen Wänden seiner Zelle zu .

Mach ! Du bist dran ! Lass Dir was einfallen ! wüte ich durch meinen

Tag , an dem SIE…..na was schon ,  wieder einmal nicht anruft , nicht mailt , keineswegs  mir per Zufall am Bahnhof begegnet ; nein , sie willl sich also nicht zu einem Spaziergang an St. Michaelis ( oder gleich am Horizont sich verscherbelnden Fluss ) mit mir verabreden .

Sie warf mir den Köder ihrer Einzigartigkeit , ihrer Andersartigkeit , ja ihrer zu dechiffrierenden Versprechen hin , ich schluckte , zappele jetzt ; dabei ist sie einfach unverhohlen unverfroren Teil dieser Welt !

Der ihrerseits auch nichts einfällt , die mich verhungern lässt am langen Arm der aufgezwungenen Askese .

Nein , was fühle ich mich stark als Meister meiner Begierden  ! nein was bin ich platt und wehrlos ausgeliefert angesichts Deiner – ich sagte es schon – Einfallslosigkeit .

 

 

Ein Mann zwischen zwei Frauen

…von denen mindestens eine gar nicht so genau weiß , dass sie Teil einer Umzingelung ist .

Gerade noch fühlte ich mich integer und solidarisch mit ihr und jetzt ….

Eins dieser verzweifelten Kräftespielchen zwischen Christiane und mir : SIE nuschelt irgendwas , zwingt mich ( Unterwerfungsritual ! ) , mich noch mal zu erkundigen , mein kleines unschuldiges Gegenritual . Ich zwinge meine Quau (=Quasi-Ehefrau ) so oft , den genuschelten Satz zu wiederholen , bis die Worte quasi schwarz auf weiß in der Luft vor mir stehen : Ab jetzt kann jedes Wort gegen Sie verwendet werden ….

 

Ich in dieser doppelten Einsamkeit : Christiane  zieht sich zurück , quasi mich gesund-isolierend ; Marie Anne , als ob sie schließlich doch…

ahnte …, aus Angst vor kommender Entscheidungsfrage .

Christiane scheint beruhigt . Ich treffe Marie Anne nicht , frage nicht nach ihr , boykottiere planmäßig ihren Namen . Habe Marie Anne so wenig angerufen wie sie mich …( was für ein vernichtender Satz , wenn man drüber nachdenkt !) . Aber Christiane versteht bei meiner M.A. Enthaltsamkeit  nicht ( oder ?) , dass ich nur höher pokere und und meine Karten ausreize , versuche Marie Anne zu provozieren : Wer

von uns beiden Clandestinen gibt zuerst nach ?

 

 

Aber dann :

“ Kannst Du nicht aufpassen ?”

Ist das die klammheimliche/ kleinteilige/ niedrigdosierte

Rache ? Christiane versucht mich in Gegenwart von Marie Anne herunterzumachen .

“ Du und Dein Geiz  gegenüber Deinem Sohn! “

“Kannst Du unserem Gast nicht mal endlich den Mantel abnehmen ?”

Die ( vorläufig nur ) gedanklich betrogene Ehefrau in feministischer Solidarität mit der nichtsahnenden Begehrten .

Marie Anne scheint diese Mäkelei nicht wahrzunehmen . Noch schwanke ich :

Ist die Gefahr größer, von ihr als Schlappschwanz und Pantoffelheld wahrgenommen zu werden ? Übrigens ( wir sitzen im Café , zu dritt ) kreist über ihr eine Fliege , und Marie Anne , die Göttin , kriegt nicht mit , wie sich das Insekt jetzt auf ihrer Kopfhaut herumorientiert ; Marie Anne mit Fliege , Göttin in sozusagen Unschuld.

Oder soll ich einen Showdown ( mit oder ohne heimlich Geliebter ) herbeiführen , auf dass allüberall großzügig verstreut Porzellansplitter auf uns Barfüßige warten ?

Gefahr für unseren Hochseilakt…und wie soll der eigentlich enden ?

 

 

Damals in einer Tanzpause .

 

Eine Frau wie sie – und ohne Partner ?

Ich frage .

Sie saugt an dem Strohhalm , scheint einen Augenblick zu stutzen oder nachfragen zu wollen , habe die Frage nicht verstanden , schüttelt kurz den Kopf und  macht klar , dass wir das Thema heute nicht vertiefen wollen .

Später sagt sie :

“ Jochen ist so beim Film beschäftigt . Das hat uns ziemlich auseinander gebracht .”

Hat SIE vielleicht von IHM  entfernt , im Umkehrschluss aber ….

eine ziemlich andere Geschichte .

Wie folgt .

In einem meiner favorisierten Porno-Programme `Seeing is believing ´

gibt es einen –nennen wir ihn –  Hengst , der nacheinander diverse junge Frauen begattet .

Es geht anscheinend immer um eine Bewerbung für eine Porno-Film-Rolle , das Programm ist auch untertitelt mit `Casting Couch ´.

Besagter  männlicher ( sehr männlicher ! ) Hauptdarsteller lässt sich

eingangs immer erst den Ausweis der oft noch schüchternen , schüchtern tuenden Girlies zeigen : Ja , sie sind schon 18 .

Und dann der Einstieg : Sie öffnen den Reissverschluss an seiner Hose und versenken sich in den Tiefen seiner Genitalien-Gruft  und präsentieren wie eine Trophäe die stattliche Erektion , von der er behauptet , sie könne sich durchaus noch steigern , wenn sie nur etwas intensiver ….

So weit so inspirierend .

 

`Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht !´

sagen die Objekte der Begierde , und gleichgültig , wie sie sich da erprobt und kalkuliert akrobatisch verrenken : Ihre Existenz hat etwas Schwebendes , Engeln gleich in einem Barockgemälde . `Willkommen in unserem Paradis Artificiel ´, würden sie sagen , könnten sie denn Französisch .

Die Damen wechseln , der Hengst bleibt .

Hengst und Inneneinrichtung des Studios , offensichtlich einer Privatwohnung , sind in jeder neuen Folge ( ja , ich habe mehrere gesehen )  wiederzuerkennen .

Er ist untersetzt , vielleicht Mitte dreissig , athletisch gebaut  mit der Schultermuskulatur  eines Matrosen ; kahlrasierter Schädel , was   Durchsetzungswille und-vermögen  zeigt ; ein kurzgeschnittener Kinn- und Oberlippenbart ; wache braune Augen , etwas spitzbübig die spitze Nase , die gleichbleibend zu einem Scherz anschubsen möchte .

Wirklich ganz zufällig im Bild , und das nur unregelmäßig , etwa jede zweite Folge , eine Fotografie an der Wand neben der Verandatür .

Diese Fotografie zeigt ein verliebtes Paar , vergnügt vertraut zutraulich

optimistisch aufgeräumt in die Linse schauend : Zeigt den Hengst

und in ihn verschlungen Marie Anne .

Beide bekleidet ! Aber vielleicht noch nicht lange , nicht mehr lange , denke ich in Wut , nachdem ich erste Verblüffung gemeistert habe und bevor ich mir diese Folge ein weiteres Mal ansehe , um sicher zu gehen .

Ich verstehe .

Die Welt ist klein ?

Sie , liebe Leser und Leserinnen ,  hatten das schon vermutet .

 

 

Typisch verliebt :

Ich gehe an einer geparkten Autoreihe vorbei und spiele mit der Frage : Welches Auto würde Marie Anne am ehesten zu mir passend scheinen , sie für mich einnehmen ; in welches würde sie am elegantesten einsteigen , mit welchem Schlitten würde ich am liebsten mit ihr Richtung Süden ….

Entschuldigung , ich war gerade abgelenkt . Wie war die Frage ?

Natürlich liebe ich sie . Wie morgens allmählich die Schwerkraft wieder entdeckt wird ; man sich seines Namens erinnert . Ja , natürlich ; wie ein

Grundvertrauen . Ich denke an sie , ich liebe sie . Wo mag sie sein , wann sehe ich sie wieder ; was war noch mal abgemacht ?

 

Leere ! Das Wort , das Gefühl  , die Vergiftung in ein Vakuum hineingesagt ; ich : So schwach , hin und her verteilbar , ohne Rest na

ja , wem tuts denn da weh ?

Hin und her , aber eigentlich doch wie per Stiletto-Stich fokussiert .

Als habe wer gesagt :  Such ! Waldi ! Such ! Es ist hier im Zimmer .  Aber was eigentlich ?

A propos Waldi :  Wie tief kann man sinken ? Vor lauter lautem Gar- Nichts seitens meines Handys spiele ich den Wächter vom Fenster aus : Wieviele Gassi-Geher benutzen die Plastiktüte ?

 

 

Christiane

holt gerade Getränke ,  die Tango-Queen setzt sich zu mir .

“ Und worüber schreibst Du so ? Nur Gedichte ?”

“ Nein , im Augenblick schreibe ich über eine Zweierbeziehung .”

Christiane kommt zurück , hat die letzten Worte mitgekriegt , setzt sich und horcht drein .

“Es ist mein Roman-Erstling . Du willst mehr hören ? Bitte sehr . In den Augen ihrer Freunde sind sie ein Traumpaar : Beide kultiviert , angenehm , erfolgreich , in verschiedenem Ausmaß ( darum wird es gehen ) gut aussehend .

Er ist ein Frauentyp . Was unter anderem natürlich heißt , dass er ein Schürzenjäger ist . Sitzt im Strassencafé , bevorzugt in einer  Universitätsstadt , und registriert aufmerksam Frauen , Frauen aller Art .

Er selber charakterisiert das als Springbrunnenstudien : Was da die Straßen entlang sprudelt , Frauen Frauen Frauen , keine möchte man vermissen oder je wieder vergessen . Er verflucht sich , dass er nicht zeichnen kann . Und fotografieren darf er in stalker-feindlichen Zeiten nicht . Also sieht er dem Gesprudel zu , Stunden hintereinander ,  in denen sozusagen paradiesische Brünnlein sprudeln .

Und kehrt irgendwann , meist deprimiert , mit seinen mentalen Skizzen und Eindrücken nach Hause zurück .

Und das mit seiner Depression würden ihm seine Freunde nicht

glauben .

Er ist nämlich liiert mit der schönsten Frau von allen .

Seit sie 15 war , verdreht sie allem , was männlich ist , den Kopf .

Betritt sie einen Raum , geht ein Ruck durch denselben ,

seismisch Stärke 6 , und danach ist dieser Raum , diese Vernissage , diese Party quasi neu grundiert , codiert , befestigt , in sicheren Verhältnissen :

SIE nämlich bringt eine Art Schwerkraft unter die Leute : Sie ist die Achse , die magnetische Blickausrichtung , sie sorgt für Ordnung .

Klare Hierarchie , klare Setzung von Themenschwerpunkt .

Wenn einer der Teilnehmer nach einem Alibi für den betreffenden Zeitpunkt befragt würde :” Erinnern Sie sich wenigstens an einen der Teilnehmer ?”

würde man sofort sagen :

“ Elisawetha war da .”

Marie Anne hört interessiert zu , Christiane weniger , mittlerweile .

 

 

Die Dancing Queen :

Was geht in ihr vor ? Sie weiß ziemlich genau , und weiß dass ich es weiß , dass SIE nicht zu der Art Frauen gehört , als deren Repräsentantin soeben Elisawetha beschrieben wurde . Sie ist nicht auf den ersten Blick eine Schönheit .

Obwohl . Natürlich .

Oh Marie Anne .

Und jetzt , wo Du wieder aufstehst und Dich nach Macro umsiehst , wippst auf Deinen Tango-Stöckeln , mir die Schulter , die eine gekonnt unbekleidete , zudrehst : Schultern , nackte Frauenschultern von hinten gesehen , wie sie ihren Forscher- Blick nach vorne absichern , lassen auf das Vorne , Voran ! Ab-Jetzt schließen , da ist auch , wenn über-haupt , in diesem weiten Blickfeld vor dem Horizont , für Dich/Mich/Ihn/ Uns eine Chance , ab jetzt , demnächst , wer weiß .

 

 

Habe eine Rolle

eingenommen , die bisher nicht in mein Leben passte : Die des

Komikers , vielleicht würde Christiane sagen : Des Gockels .

Ich rette mich aus den engsten Gesprächs-Sackgassen und -Fallen in unseren Treffs in Humoresken , die Marie Anne zu schallendem Lachen bringen . Liebe ich sie deswegen ? weil der Künstler in mir das Publikum in ihr so relativ zielsicher erreicht ? Nennen wir es : Tragi-Komik . Seiltanz mit JOHANN .

Las gestern zum Diner aus meinem Roman die Tango-Episode .

Dazu gab es allerdings nur Schmunzeln , netterweise auch von Christiane .

Wieder einmal haben wir 5 Stunden um den opulenten Tisch herum gesessen , unterbrochen von ein paar Tanzfiguren-Exerzitien ( macht mir eigentlich nicht so viel Spaß , sitze lieber und schaue ) , und ansonsten der Kultur von Zuhören , Scherz , Nachfragen , Referierung der Historie gewidmet. Kulturarbeit der erfreulichsten Art .

Aber ! Das Leben ist endlich , wann oh wann nur erreicht der Film das Happy End im Crescendo ?

In besagter Romanepisode , in der es um ein Tangofestival geht , gibt sich der Erzähler der erotischen Wahrnehmung hin , dem Knistern aus Tänzerinnen-Strumpfhosen  . Pflichtgemäß dem feministischen Zeitgeist hinterher eilend runzelt Marie Anne die Stirn und sagt :

 

Aber Johann!

 

So viertel-mokiert , wie in der  gerade wieder angesagten  Prüderie Pflicht ist . Ich stehe natürlich zum Vibrieren meines Erzählers und nehme die Situation insgeheim als Einladung wahr , Marie Anne noch einmal genauer unter erotischen Augenschein zu nehmen .

Ja, sie trägt heute abend Décolleté , eine straffer betonte Bluse und einen hüft-affinen eleganten halblangen Rock .

Wenn ich mit ihr tanze ( das geschah nur für einige Minuten ) , habe ich den Eindruck , sie ist heimliche Athletin : Ihr Rücken in harter Muskulation , straff und willensstark .

Andererseits :  Ich sah gestern Deine Endlichkeiten ; bist halt auch nur ein Mensch . Bist hinter den Rücken Deiner Konkurrentinnen hämisch und ungerecht und grausam .” Hast Du Brigitte gesehen ? Wie kann man sich nur sooo anziehen , mit DER Figur ? Ende des Zitats .

Aber was nützt mir dieser Sicherheitsabstand , dieser Befund , wenn Du unendlich in meinen Tag ohne Dich hineinspielst , Wellen aussendest ,

ich Dich herbeirufe und Du meine Gedanken bevölkerst ?

Oh möge , möge doch …. dieser mein Rasierklingen-Ritt weiter dauern :

Nicht mich abrutschen lassen in ein irgendein/wann Vergessen-

Werden , auch nicht in aus-explizierte Räusche , mündend in Kater , evtl. in ein Lebenslang-Zusammen , mit Dir , vergleiche meine Verbindung mit Christiane .. ..

 

 

Die Welt /meine Welt

ist auf einmal so viel Frage , so viel Bereitschaft zum Nachstaunen ; Marie Anne bewundert bestaunt  mich , meine Welt , fragt , nimmt aufmerksam zur Kenntnis . Marie Anne von Willemer . Ihre Augen weit offen , voller Willkommen offene Augen .

Sie zur Tochter machen …aber ohne Mutter . Keinesfalls !

Ich wiederhole gerne :

 

Bitte keine

 

Realisierungen mit Kater .

 

Ja …..

 

aber zum Spiel mit dem Feuer : Zu Candle-Light-Dinners ; leuchtenden Augen und Wangen ; Spazierengehen ; gerne auch : Reisen , per Dampferkajüte . Sie müsste mich liebevoll wie ein freundliches Gespenst behandeln .

 

Reisen :

 

Die ganze zu durchkreuzende Welt auf ein Samtkissen gelegt …

 

Aber derzeit  wuchtet in mir  : Nur gelähmtes Flehen , flehende

Lähmung nur ;  Erstarren in bizarrer Eislandschaft : Wohin ich auch

sehe , mein Blick will das Andere , Beliebige gar nicht sehen , ist schier belästigt durch Anderes (alles beliebig zuviele Andere !…..). Mein Sehen zwischen Vermeidung , jetzt wo ich sie erkannt habe , und einem hilflosen Stocher-Blick in Marie Annes Augen:

 

Sieht sie denn nicht ?

 

Ich rufe nach dem Video-Beweis !

 

Wir blicken beide auf diese Vakuum-Schleuse , das Land zwischen uns , in dem wir unsere Karten nicht auf den Tisch legen ; in dem wir gute Freundin , treuer Ehemann , willkommener Gast und Hausgenossin

sind , auf Sicherheitsabstand : Bei dem Vielen , was kaputt gehen

könnte , ist es ein kleines Wunder , dass wir doch letztlich unverkrampft durch die Räume gehen .

Sagte ich `wir ´? Was weiß ich von IHR , ihrem inneren Kosmos ?

Wie oft im Leben trifft man genau ins Ziel ? Oder weiß genau , was das Ziel ist ? Wie oft ist ein Gespräch wirklich das Solideste , Welthaltigste , was Dir ( in Gedanken und Realität spreche ich sie jetzt mit `Du ´an , eine klare Steigerung ! ) widerfahren kann ? Die Gespräche mit Dir , die ich am nächsten Tag rekonstruiere und heraufbeschwöre …Ein Gespräch mit  wichtigem Wechsel : Du sagst…

aber was sagt SIE ? Welche Karte zieht sie ? Ein Dialog  wie ein

hastiger , lange erwarteter Rettungsgriff : In diesem Gespräch nur mit jahrelanger Verspätung , irgendwann im Rückblick , Unwichtiges .

 

 

Marie Anne hat Geburtstag ,

in drei Tagen , und Christiane und ich überlegen , verspätet , wie ich finde , aber ich habe absichtlich das Thema nicht aufgebracht  , spiele schließlich meine Billardpartie über Bande : Was denn ein Geschenk sein könnte .

Ach ja , Christiane ….

Christiane wägt  Angemessenheiten beim Geschenk zwischen Textil und erlesenen Spirituosen , ich plädiere sofort und entschlossen für eine

Uhr .

Eine Uhr ? Ja . Auf dass……..

 

Vielleicht liegt das Alles (= ihr Schweigen , das Ticken der viel zu vielen Uhren in meiner Sammlung ) nur an der Sprache ? Vielleicht müsste ich eine andere Sprache sprechen , erfinden ,  oder – bescheidener – nur verstehen , eine ,  in der wir uns verstehen ?

Ich Dich …Du verstehst mich bestimmt , egal was ich um die Ecke herum formuliere , wie neulich das Oscar Wilde Zitat in ihrer Richtung .

“ It is only the plain women who cry – beautiful women go shopping “ .

 

In Schönheit sterben wäre für mich vielleicht situationsgemäß.

Bin ich besagter Pygmalion , der eine Idealfigur aus diesem Eis herausbeatmen möchte und ins Triviale einfangen ? Bin ich der Einzige hier , der um die Kälte von Marmor weiß ? Alle anderen sagen : Sie sei so freundlich und warmherzig ( sogar eben oben erwähnte Brigitte ! ).

Es ist andersrum ! SIE rappelt mit dem Schlüsselbund , bringt mir die Befreiung ; in IHRER Gesellschaft bin ich anders , so wie ich sein möchte ; einfallsreich , lustig , charmant , inspiriert ; ich brauche sie wie Kokain . Du kannst mich hier nicht so high and dry verlassen !

 

Alter Don Juan ! wirft mir da wer an den Kopf , bestimmt würde das als Erste Christiane , meine Quasi-Frau , sagen .

Bin ich dieser untröstliche Spanier oder ein Ritter Blaubart , der mit den vielen versammelten Gerippen im Kleiderschrank ? Vielleicht passen die beiden in mir  ganz gut zusammen , wenn ich auch ! ewig ! (gerade sicherlich nicht !) in meiner Sammlung krame  und mich aus dem Nichts  in eine Abgelebte ( wenn sie das wirklich ist ) neu verlieben kann . Und das oft .

 

 

Diese Frauen im Netz

dagegen : Klingt wie `Nerz ´ und : Als werde es ab jetzt immer Antwort geben ,

 

“wir sind das Ende der Antwortlosigkeit !”

 

…behaupten die endlich Nackten jedenfalls . Ist mir ja auch erst einmal sehr willkommen , ich stolpere ihnen hinterher : Habt Ihr nicht gerade noch gesagt , ab jetzt gebe es immer Antwort , nimm unser Lächeln , unsere sündige Warte-Wollust  als Voucher ?

Wo meine Wände sonst nicht antworten . Wenn es im Gefängnis meiner Zimmerwände keine Luftbrücke von Anrufen gibt , keine Anrufe von Marie Anne jedenfalls .

Und das Ganze unter norddeutsch grauem Himmel , eine Art Spiegel von Einsamkeiten : Suhlt Euch mal so richtig in Eurer Überflüssigkeit , Ihr Bürger von HH , betrachtet das Ganze mal kompromißlos bleiern gründlich , von allen Seiten , von oben und von unten , wie wenig Ihr gebraucht seid , wie wenig Antwort es gibt , wie wenig Ihr Euch auch noch zu fragen traut . Graue Himmel als erstickendes Spiegeltuch . Und sowas nennt sich Wonnemonat .

Morgen abend gibt es die nächste Tango-Stunde .

Da drüben macht gerade ein neues Reisebüro auf . Direkt neben dem Fitness-Studio .

 

 

Der Sonntag

ohne Marie Anne….. in dieser unserer Wildwest-Kulissenstadt bietet er nur und  bestenfalls Phantomschmerz , ein Angerissen-Sein .

Schwindel : Wo bin ich , was soll ich hier .

Nein , ich erwarte keinen Anruf , keinen Zufallstreff . Wo ist sie , was tut sie , …..und letztlich gut , dass ich sie nicht dabei sehe .

Zuhause vor dem Spiegel stehen , die Wohnung inspizieren für ihren Blick , der hier niemals auf meinen Schätzen ruhen wird . Ich möchte sie reicher machen , keinestfalls unglücklich !

 

Aber so spiele ich doch die Möglichkeiten durch : Wenn sie schon per Home-Office arbeitet : Könnte sie sich nicht den Mittwoch frei machen und mit mir nach Paris ? oder Venedig ?  fahren ?

Reisen ist mir schon immer der klassische Sex-Ersatz . Reisen : Die Welt wie in einem  Bernstein-Sarkophag zur Immobilie machen , woanders immer woanders  fortlaufend irgendwohin unter Bernsteinschutz !

 

Sprach ich von Lähmung ? SIE ist erstarrt , im Schweigen und im Verschlafen von möglichen Treffs . MIR würde ja jede Menge an Situationen einfallen , aus denen heraus sie mich anrufen , treffen , sprechen könnte ; ich habe diese Nicht-Ganz-HaHa-Zufalls-Begegnungen alle schon durchgespielt , mir möglichst gewinnende Gesprächs-Einleitungen zurechtgelegt .

Allein : Sie schweigt , ist und bleibt abwesend und unbeflirted .

 

Nein , Christiane , Du liegst falsch ! Ich will nicht mit ihr schlafen !

Das heißt ….. genauergesagt : Das größtmögliche Kompliment an Marie Anne , die größte Gefahr für Dich , Christiane , ist : Ich möchte mit ihr ein-schlafen , in-eins-schlafen , besonders an so einem jetzt herrlich sonnigen Frühsommermorgen wie aus der Lenor-Reklame , alles Flausch , wohin man sieht , horcht , schnüffelt : Alles entschärft , weithin minenfreies Gelände !

 

Gelähmt ..und doch haltlos , im freien Fall .

Ihr , Freunde , seid doch wahrhaftig gute Schauspieler ! Tut so , als säße ich Euch gegenüber , auf diesem Stuhl , an einer Bar , und in Wirklichkeit …torkele ich da draussen im Raum  –

 

Neinnein , ich will doch nur mit aller Inbrunst der Ersatz-Vater und Lehrer sein : Der Welt-Erklärer , der bei der Gelegenheit ganz nebenbei ganz egoistisch zum Sich-Aussprecher wird . Meine Liebe ( ich nenne das

so ) zu ihr  intensiviert sich in den Bilder-Szenen .

Es gibt Erinnerung an konkrete Schauplätze , Dialoge , Begegnungen vom letzten Wochenende ; ich möchte in diesem  nur einfach weiterblättern , gerne fulltime , nächste Szene bitte bitte ! saufen bis zur Neige .

Diese Gier nach Antworten ! gerne auch auf Fragen , die keiner stellte !  Überschuss an Gefragt-Sein ; nein , wer wollte letzte Antworten haben .

Dieser Schmerz …sei ein Geschenk , lese ich .

 

 

Komme gerade aus Wilhelmsburg zurück ,

wo ich ungestört ungestört ungestört ! an vorgestern denken kann . Wie früher die Fotografen der Dunkelkammer entgegenfieberten , um zu sehen , was sie denn auf der Expedition wirklich eingefangen haben .

Der alte Bunker hier hat mit Sicherheit keine Zukunft mehr , die Abrissbirne wird sozusagen schon angewärmt , sobald ein Investor sich mit seinesgleichen über die notwendigen Machenschaften abgestimmt hat .

Hiesige Betonreste , zerbröckelnd , moosig , rostig verdreckt  , haben keine Zukunft , aber :

Eine Vergangenheit  ! haben ein Ende erreicht , sind würdig ob dieses Stadiums . Signalisieren : Ein Ende ? Das kannst Du auch haben .

“Papa , was macht denn so ein Denkmalschützer ?”

Ein Denkmalschützer , lass mich mal nachdenken …

der denkt nach , schützt Denkmäler , macht sich Schätze und schützt

sie …

Nein , im Ernst : Bin auch so eine Art Tatortreiniger . Neulich hatte ich einen lukrativen Job in einem schönen mittelaterlichen Städtchen hier in Schleswig-Holstein ; möchte den Namen nicht nennen , weil da sonst noch mehr Eskapisten hinfahren wollen und sich `Nichts wie raus aus der Gegenwart ´ etc  .im Bummelschritt mit Städterucksack aus unserer

Zeit stürzen wollen .

Jedenfalls bestand mein Auftrag darin , mit Expertise alle in Frage kommenden Bildausschnitte , Schauplätze , Szenarien im Film daraufhin zu überprüfen , ob auch wirklich keine Spur von 2021 übrig geblieben war , irgendwas , das nicht ins Jahr 1568 gepasst hätte .

Wie kann man die Kirche   ins Zentrum bekommen , ohne die Tankstelle mit zu erwischen ? Wie das Zeughaus ohne den McDonald nebenan ?

Den Renaissance-Erosbrunnen  ohne den gammeligen Sexshop ( ja , er ist gammelig und in die nach 1968er-Jahre gekommen , aber eben halt doch nicht Renaissance-typisch ) usw. Und in einer  Sequenz entdeckte ich tatsächlich auch noch malerisch : Eine Steckdose ! im sturmumtosten

Liebesnest vulgo Schlafzimmer .

 

Marie Anne bestand ( vorgestern nämlich ) auch ach wie mühelos den Küchen-Test .

Nicht den , welchen SIE unweigerlich meinen;  NICHT die Prüfung auf : “Wieviele Sterne , Schatz , verdient dieses von Dir zubereitete Soufflé/Cordon Bleu/Risotto à la  etc . nun wirklich …”

Anders gesagt  .( Zum Verständnis vorausgeschickt ) :

Mit Christiane IST es ein strukturelles Problem : Ihre  Küche ist zu eng ! Es bedarf der Absprachen , wenn wir zwei gleichzeitig diese 8 Quadratmeter  frequentieren . Wer zum Herd will , hat Vorfahrt ;  der ziemlich wahrscheinliche Unfallpartner muss seinen Besuch am Kühlschrank erstmal auf Eis legen ; wer am Frühstückstisch feststellt , dass ein Eierlöffel fehlt , muss seine Ellenbogen eng anlegen  , um  gegnerischen  Griff nach der Teekanne nicht  wegzurempeln .

Kurzum : Es bedarf in Christianes Wohnung einer Software , ein Frühstück vorzubereiten und einzunehmen ohne Klirren , Splittern , Fluchen , Keifen , Selbst-Kasteiung , Besserungs-Gelöbnis , Zerknirschung und Stimmungs-Triumph . Wusste ichs doch , dass Du schlampig bist !

 

Anders mit Marie Anne .

Die enge Küche würde nur das ideale Setting für weiteres , legitimes , wärmeanlegendes Kuscheln abgeben .

Als sie mir das erste Mal die Wohnungstür aufmachte , war sie allein.

Etwas tautologisch , merkte ich gleich , dieser Satz : Schließlich wohnte sie hier allein , mit Allein-Sein-Möbeln eingerichtet ; so als hätten

Sessel , Sofa , Tisch ( gedeckt für unseren Kaffee ) vorher noch mal geprobt : Gleich kommt wer , unser Alleinsein zu überprüfen ; und wir müssen jetzt so tun , als sei es hier gemütlich und aufgeräumt , als sei hier  grundsätzlich/ eigentlich/ na klar /warum nicht :

 

Platz für noch wen …

 

Marie Anne wirkte in ihrer Wohnung so traurig wie Ophelia im Flussbett  ; was vielleicht auch den Fenstern auf die Dunkelheit hinaus geschuldet war , und der Ruhe der Vorstadtstraße , die eine Symmetrie-Achse legt durch Allein-sein-links( gerade Hausnummern )  und Verlassen-sein-rechts (ungerade ) .

Sie bot mir nun wirklich extrem unschuldig an ( ja , der Ausblick aus dem Wohnzimmer sei nett , aber ich könne , so ich wolle , ja auch mal den Ausblick vom Schlafzimmer aus würdigen …..).

Das hatte nichts Tango-Mäßiges an sich .

Neinneinnein . Das KANN sie nicht lasziv und verführerisch gemeint haben !!!!

Draussen trägt sie einen ladylike-grauen Mantel , ihre langen Haare ebenmäßig nach hinten über die Schultern gebreitet .

Hat ….Koteletten (! sv. Damenbart ) . Ist vernarrt in Ilonas ( unsere Tanzlehrerin ) Tangoschuhe , unterstellt  ihr Eifersucht bzgl. Salvador

( Ilonas Gatte ). Ist das …Self-Styling ? Weiss sie/nicht /wie viel ? um ihren Appeal für Männer ?

Eine Verwechslung meinerseits :

Sie ist von sich aus , ohne mein Dazutun , so glücklich – wie sie sein müsste , sage ich , wenn sie in mich verliebt wäre .

So ein Unsinn . Sie ist nicht glücklich .

 

Am Vortag noch war ich mit  Marie Anne zu einer IKEA-Expedition

verabredet : Sie möchte für die Fete des Tango-Kurses Sommer-dekoration einkaufen .

“ Ach ja , und ich brauche auch noch ein neues Tranchiermesser !”

Ach ja , das Kaleidoskop der Gemütlichkeiten im IKEA -Areal , flughafengroß : Arena aller , wirklich aller häuslichen Entfaltungs-möglichkeiten …..aller finalen Verlierensmöglichkeiten . Last seen in .

Ich schiebe also mit ihr durch die Segmente , zusammen mit jeder Art von Familien-versprochen-sein  – für die sonstigen Kunden .

I couldn´t care less was Marie Anne da kauft ; aber alle Menschen werden Zeugen , wohlwollende und anerkennende Zunicker ( bilde ich mir das nur ein ?) und Geschmackskenner und Daumenhalter und Welterfahrene und Bestes-Gönner . Alle geadelt durch M . und die Heilige Zufälligkeit , die ich so sehr herbeigesehnt habe , dass es fast schon  teuflischer Plan ist .

Ja , Ikea-Gelb und Blau sind künftig unsere Farben . Ha ! Beinahe hätte ich einen Turm aufeinander gestapelter , ineinander geschobener

Plastik-Nachttöpfe ( Svalbard , nur 1, 75 Euro ) umgefahren  .

 

Nach der Rückkehr von unserem Ausflug , immer erst im sicheren Abstand von der Detonationswelle : Ich fürchte mich ! Fürchte mich , als hätte man mir ein schlimm zerbrechliches Spielzeug aus hauchdünn empfindlichem Glas geschenkt…Gerührt von soviel Vertrauen , besorgt um seinen Schutz , gebannt durch diese venezianische Murano-Schönheit .

 

Tango …

die choreographische Entsprechung zur Seifenblase , in der ich Marie Anne und mich eingesponnen habe . Sage mir keiner , irgendwas wäre gewonnen , wenn die Seifenblase sich zur stabileren Glaskugel

wandelte ! Die Kunst , eine Seifenblase zu verewigen …..( ohne Fotografie , Sie Spielverderber ! ) .

Und was alles unmöglich ist , weiß ich doch . Happy ever after , glücklich und zufrieden , Sex der immer wieder etc .

Alles alles unmöglich , ich bin bei Christiane sicher behaust , sozusagen untergebracht , untergepflügt , abgelegt ……in meinen/ ihren/ unseren Sackgassen und Einbahnstraßen .

 

Ach ja , war es erst gestern , gestern also gestern morgen noch mit Marie Anne in Ikea ; anschl. mit ihr Kaffeetrinken in Sowiesostr.

What shall I say ? Sie ist – ich mache es mir erneut klar – 29 , wirkt 5-10 Jahre jünger . Hat (wie erwähnt , belichtungsabhängig )  deutliche Ansätze von Damenbart  . Nahe an den Tränen , wenn sie erzählt von Schicksalsschlägen , zu vielen unlängst : Tango , Job , Macro , Willemers Distanz , ein  Freund , Jochen , der sie verließ ( aha , jetzt weiß sie es auch ). Sagt auch , sie hätte genug Frust mit eifersüchtigen Ehefrauen gehabt ( u.a. mit Ilona , der Tanzlehrerin , Gattin von

Salvador s.o. ) , finde dagegen ihr Verhältnis zu Christiane im Werden und unkompliziert .

 

Ah ja ?

Ich wiederum sage mir –sehr heimlich -den heroischen Satz : Wenn hier einer von uns dreien ( Lover- Geliebte – Quasi-Ehepartnerin ) Verlierer oder -in  ist …. dann sollte ich das sein .

Klopfe mir auf die Schulter ob dieser Kühnheit    .

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teil 2:

Gancho

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lese den folgenden pseudo- japanischen Dreizeiler und bedauere, dass er doch letztlich nichts mit dieser meiner  Welt zu tun hat :

 

Haiku

 

Ich bin Dein Fest , Du

bist mein Fest  an einem nach-

nächtigen Morgen .

 

 

Vorsicht , Inzest ! Wie bitte ?

“Ja , wenn Du mich…. streichelst …Eigentlich egal was wir machen : Du behandelst mich wie eine Schwester …”

sagte weise Christiane .

Christiane ist meistens weise . Fast immer ohne Wichtigtuerei .

Das hat , sage ich mir , notwendigerweise mit ihrem Beruf zu tun . Sie ist Ärztin .

Arzt ist auch nur so ein dahergelaufener akademischer Beruf , denken Sie vielleicht , und es gibt ja genug Normalverbraucher , die , wenn nicht auf diesen , dann auf jenen Doktor schlecht zu sprechen sind . Da man selbst am intensivsten an seinem Zipperlein leidet , ist man auch selber der eigentlicheExperte ; der Arzt nur der mehr oder weniger treffsichere

Rateteam-Teilnehmer : Was fehlt einem denn so ?

Ich sah das immer anders , ganz ohne Christianes Einfluss . Ärzte/Ärztinnen sind die eigentlichen Erwachsenen in unserer Gesellschaft ; sehen bei jedem Mitglied in diesem menschlichen Kindergarten das Prinzip , das Gemeinsame ; die gleiche Grund-ausstattung in allen Möglichkeiten und Schwachstellen . Haben den Überblick wie früher Mama und Papa ; ihre Diagnosen und Expertisen haben dieses erwachsene Augenzwinkern , wie wenn Papa sich mit Onkel Josef über die kleinen Wichtigkeiten der Kinderschar ins Einvernehmen setzten : “Das hat der Peter doch gar nicht böse gemeint .

Guck noch mal im Garten , vielleicht hat er das Schäufelchen da

nur versteckt .”

Wie gesagt , auch Christiane traue ich den Röntgenblick von über-legener Warte aus immer zu .

Nervig in letzter Zeit allerdings , dass sie mir vor dem Schlafengehen immer Auszüge aus Camus ` Die Pest ´ vorlesen will .

Dr. Rieux , sage ich , den solltest Du mal per Inserat suchen ; das wäre doch der  ideale Partner für Dich .

Du bist eine Pest , sagt sie dann .

Erwähnte ich schon , dass Christiane Herzspezialistin ist ? Dr. med Christiane Vulpius , Cardiologie . Alle Kassen .

 

Und es ist kein Nullsummenspiel , es gibt Real-Wachstum : Ich

entdecke , dass ich zärtlicher denn je in den letzten Jahren zu meiner Partnerin bin . Zeit finde , herbeitrickse , in der ich mit ihr im Bett liege und kuschle , haarscharf knapp vorbei an erotischen Zonen ; seit ich Marie Anne kenne , bin ich keusch, na ja fast , ach Szylla  ach

Charybdis , ich bin lieb zu Christiane .

Gelten meine  Sanftheiten vielleicht ihrer Konkurrentin , fragt mein

Aufseher . Klar , aber egal . Irgendwie meine ich meine Küsse und

mein Handauflegen .

Marie Anne , die Göttin der Liebe , die Allzuständige , Zauberin , die Öffnerin aller Türen  , Schlüsselträgerin zur samtenen Welt des

Anderen , Befruchterin des Versprechens , der offenen Ferne .

 

 

Raumsonde Archimedes :

Taumelt im All , kein Signal , kein Heute kein Morgen , ein Gestern , ein Heute in Qual . Houston : Warum meldet sich Marie Anne nicht ?

Und der Anruf kommt dann doch während meiner masturbatorischen

Morgenübungen . Mein Auge schweift , während ich den Hörer balanciere .

Wie wäre es wohl : Dir mein neuerlich umgestaltetes Studio zeigen , unvorbereitet , aus einem improvisierten Moment heraus :

Unaufgeräumt , lieblos prosaisch , die Gegenstände wie eifersüchtig destruktiv : `Für diese Besucherin wollen wir uns jetzt nicht von unserer besseren Seite zeigen ´ .

Später wirst Du mir sagen : “Doch sehr eigenwillig , romantisch , Vieles verheißend abenteuerlich , Deine Ungeborgenheit …..”

die ich erst anheimelnd fand , als ich die vielen Lampen , mit denen ich

meine Räume teile , eine nach der anderen raffiniert justiert hatte , jeweils mit Blick auf eine geniale Kram-Ecke . Lang lebe die Bohème , allerdings noch nie so leicht zu imitieren wie heute .

Ich möchte Dir alles zeigen ! Bin manisch darauf aus , Dir die Türen zu meiner Welt zu öffnen . Schau her , dies sind meine Landschaften ; dies meine Säle  , meine Wörter …Du bist meine Inventur-Beauftragte , wohlwollend , absegnend , bist meine Begrüßung :

” Ab hier übernehme ICH “ , fürsorglich und beruhigend .

 

 

Die einfachste Definition

von Liebe ist wahrscheinlich : Du machst mich glücklich ! ( abgesehen davon , dass DU wahrlich wahrlich auch  das Zeug dazu hast , mich unglücklich zu machen ) . Und , wo ich gerade einen Querblick auf die schlecht gelaunte Christiane werfe : Ehefrauen wollen im Regelfall nicht , dass ihre Männer glücklich sind .

Stimmt ja gar nicht !

 

Was will uns die Bekannte des Dichters damit sagen ?

Seit einigen Tagen ist Marie Anne besonders nett zu Vulpius ( sie nennt sie tatsächlich so !) ; fragt nach ihrem Befinden , nach ihrem Gut-finden und geschmacklich Befürwortenden ; gibt den Handschmeichler …ist es

( ich wage es kaum auszu formulieren ) , um Vulpius einzulullen ? Ist es Mitleid ? oder im Gegenteil : Verschwörung der Frauen ?

 

Unbeschränkter Herr

meiner Sackgassen , bin ich

weltweit zuhause .

 

Schrieb ich heute morgen , wie so oft in letzter Zeit ratlos , eingeschränkt in meiner mentalen Beweglichkeit .

Ersatzhandlung oder Isolationsschicht : Jetzt heißt es aber endlich mal wieder Blumen gießen !

 

 

Christiane und die Perforation .

Mittlerweile denke ich : Was sollte sie eigentlich dagegen haben , wenn ich ihr den Status einer älteren Schwester ( aus unverständlichen Grünen unbesponst !)  zuweise . Der ich nur Gutes wünsche , mit der ich auch gerne zusammen bin , wenn nicht gerade ein Treff mit IHR-ja-IHR  möglich ist .

Christiane arbeitet eigentlich schon seit Wochen an einer Art

Perforation , einer Sollbruchstelle ….wenn sie so schroff  reagiert wie eben , vor allem ,  komischerweise , wenn ich nett zu ihr sein will ; so latent in Permanenz , in latenter Permanenz schlecht gelaunt , zankbereit ; lauernd auf irgendeinen Makel an mir , den sie dann gerne just  vor Marie Anne (!) breitwalzt !

Da bereitet sich ein Riss im Fundament vor  …und ich weiss , was immer sich da auch vorbereitet ….ist eine self-fulfilling prophecy :

Je brummiger , staubiger , auf Biestigkeit versessen Du auftrittst , desto …….unschuldiger , seidig frühlingshaft ist Marie Anne ,  Deine Konkurrenz , im Bild .

 

Waren gestern zum Essen bei Marie Anne eingeladen . Die trug eine schwarze Flatterhose und ein irgendwie eher hausmütterchenhaftes Hemd . War freudig gastfreundlich , bereitete und servierte Gang nach Gang , jeweils ausgefallen und raffiniert komponiert ; erzählte häufiger als sonst von Willemer (heute ) und auch ihrem abgelegten Freund (damals ) , dem sie anscheinend keinen Groll widmet .

Sie quirlt durch Flur und Küche und ist eine Bescherung ( Weihnachten

ist immer irgendwo  ) .

 

Wer lenkt hier wen

von was ab ? Meine Porno-Sucht mich von Marie Anne oder

umgekehrt ?

Was es nicht alles im Internet gibt ! Ich liege auf dem Sofa und wundere mich . `Coming in Granny´s mouth ´ etwa . Oder `squirt ´. Schon sehr ablenkend .

Und aufregend ! Wenn das Mittel zum Zweck zur Droge wird …

die man natürlich sofort ! wer mich denn kennt !  wieder absetzen

könnte .

Die Verselbständigung der Fingerkuppe , hier eine Seite aufmachend , da schnell wieder zu . So müssen die Seeleute früher getickt haben , wenn sie nach monatelanger Reise in einem Hafen , sprich : In der Nähe eines Bordells ankamen . Fata Morganas von Frauentrecks …

Und wieviele Frauen es heutzutage  gibt , die diesen Website- Breitensport mitgestalten ! Alle zehn , was sage ich , fünf Minuten eine Ejakulation . Alle die Männer und Frauen , auf einer Art Schüttelrost , wenn man die hauptsächliche Motorik besagter Treffs einmal beschreiben möchte ; oder in einem Cocktail-Shaker ; und welche fitte Ferienstimmung unabgesprochen und glaubwürdig da vorherrscht : Hier hat keiner der Agenten Kopfschmerzen oder leidet an Bandscheiben-schäden .

Und wo sind übrigens alle die Ehemänner der Amazonen ? Sind alle diese älteren Frauen auf den Spezialseiten Witwen ? ( Lustige !) die da von athletischen jungen Männern , auch sie gut gelaunt und von gutem Charakter , angenehmem Aussehen und Benehmen ,  gevögelt werden :

Alle Löcher berücksichtigt und in ihren Möglichkeiten gewürdigt , alle Flüssigkeiten erlaubt , sogar Tränen , wenn als Dekor zu Intensitäts-empfinden eingesetzt ( ` bin ja so dankbar , dass sich ein junger Hüpfer für mich alte Schachtel interessiert !´) .

Vielleicht sprechen mich diese Oldies so an , weil ich ja auch ein  Mitglied der ehrwürdigen Bremer Stadtmusikanten bin ….zu alt eben für diese Welt .

Ich surfe .

Zeitraffer !  in diesen Filmen gibt es keine Zeit für Herantasten , Erörterung von Umfeldfragen …der Orgasmus nach pünktlich abgezählten Minuten . Keine wahrnehmbare Nachbereitung .

Wie schnell ist das Ganze für die konkret Beteiligten wiederholbar ?

Die Braut zieht keine Schleppe zum Altar , bringt keine Mitgift mit !  Wer

immer sich da trifft auf einen Quickie , hat seinen Schatten verloren  . Schade . Bzw. langfristig ohne Biss , ohne Geschmack , ohne Würze ….

Das ist das Ende der Literatur , seufzt der Dichter.

 

Dennoch !

fühle ich mich  – trotz erziehungsbedingt gehöriger moralischer Vorbehalte – wie aufgenommen in eine Familie ( nur ohne Opas , Väter , Ehemänner , Onkels  ), Sex ist unschuldig : Ich habe wieder die Kinder-optik auf diese alten Vögel von Sexagenarians : Vielleicht kommen sie gleich mit einem Geschenk um die Ecke ) .

Oder ist dieser Porno-Kosmos nur verschleierte Krypto-Reklame für führende Bettenhäuser ? Bürger , seht Euch diese Betten an ! Im Idealfall ( denn nicht immer spielt dieses Möbel im Bildformat die ihm zukommende Rolle ) zieht die entkleidete Schöne eine Art Bannkreis um sich , sagen wir  1,70Meter im Radius , und dieses Bett wird Freistatt , ein fliegender Teppich : So schön kann diese Welt sein trotz Erfindung der Schwerkraft …..Hier lasst uns Jerusalem bauen .

 

 

Auch heute wieder :

Eine orkanische Orgie , die Fingerkuppen werden ungeduldiger …

sozusagen zappeliger …

Nein , ich habe nicht an Marie Anne gedacht in dieser Zeit , wirklich gar nicht ; aber Christiane machte mir eine Szene , weil ich ausgerechnet auf IHREM Geburtstag  Marie Anne als erster zugeprostet habe . Der Krach dauerte zwei Tage und sperrte mir als gastfreundlich-unheimliches  Exil eine zweitägige Orgienwelt ( s.o.s.v. websites ) auf .

Ach , übermorgen sehe ich Marie Anne wieder . Hatte an sie kaum gedacht in den letzten Tagen ( Gründe s.o.s.v. websites ) . Mal sehen , was sie Freitag wieder ( für eine Woche ?) zu meinem Fortsetzungs-roman beiträgt . Was sie mal eben so gesprächsweise fallen lässt , woran ich wieder textanalytisch zu kauen habe . Wochenration .

 

Der Denkmalschützer . Drei Meter vor dem Dark Net , immerhin aber auf den gesellschaftlich verpönten Pornoseiten : Er müht sich um Statik ! um Schönheit ; um nacktes So-Sein Ausrufezeichen . Er findet hier

Unschuld , noch in der gewieftesten Spreizung , `hier bin ich , ich kann …..auch auf links ´ sagte der Edelstein , sagte Michelangelo , sagen die triumphierenden ersten Fotografen um Daguerre ; wir sind Photo-

Voltaik , unsere Bilder sind Sonnen-Segel , Sonnen-Bekräftiger , jubilierende Notare .

 

 

Und der gleiche  delirierende Denkmalschützer ist auch noch Tango-Tänzer bzw.-liebhaber ? Wo der Tango doch , wie Salomes Schleier ,

gründlich aber oh so qualvoll gekonnt vernebelt ?

Ich klettere ins Auto und lasse den Motor an : Wie automatisch zugeschaltet dann immer das Denken an Marie Anne , als hätte ich den Support einer Schutzheiligen angerufen .

Komm ! Wir verschwören uns gegen die Schwerkraft ! Wir …. sind subversiv , wo die Anderen alle Erfahrung auf ihrer Seite haben .

Lass uns nicht Bescheid wissen . Wir laufen ausser Konkurrenz .

Heute , endlich ,

wer weiß das schon . Ein Ende der Spiegelungen . Ich male mir nicht mehr aus , dass Marie Anne hinter mir steht , mich sieht . Dass ich mich strengen Maßstäben unterwerfe , weil SIE ja wie ein Schatten meine Begutachterin ist . Sei nicht so streng mit mir . Aber komm näher .

 

 

Ein Jungbrunnen ,

diese Porno-Seiten  ….Wie viele Frauen ! Der zwingende Eindruck ist : Fast alle Frauen dieser Welt wollen sooooo gesehen sein ….! Und dann sehe ich auf die Plaza hinaus : Jede von den Morgendlich-Strebsamen  , mit noch intaktem Make-Up unterwegs zur Arbeit , vielleicht zum Chef : Vielleicht nicht jetzt gerade , aber grundsätzlich irgendwann durchaus doch , nimmt jede an ihrem Kartenspiel teil , wobei sie allein IHRE Karten auf der Hand kennt , den Mit-oder Gegenspieler geheimnistuerisch im Unklaren lässt : Natürlich habe ich hier ein Geheimnis , ich weiß dass DU es weißt ,

” wie ich gerade an Deine Hand auf meiner Muschi denke , Deinen Penis vor mir sehe , mich ausnahmsweise auch mal auf den Rücken legen lasse ….”

und wieviel Frischluft dabei , Unschuld , Bereitschaft zu wechseln , Ich will Sie nicht lange aufhalten , das wars auch schon , aber wenn Sie wollen…

Diese Frauen auf galaktischem Aussenposten ….das Teleskop , mit dem sie erfassbar sind , heißt website . Wie sie da ihre Schere auf der Mondsichel öffnen…..

 

 

Hier kommt Moira ins Spiel . Deren echten Namen ich natürlich nicht kenne , Moira scheint mir passend , klingt  keltisch/irisch , sie hat schwarze Haare , ohne – denke ich mir – wie eine Südländerin auszusehen . Sie ist um die 45 , schlank , hat leichte Runzeln am Hals , blickt immer freundlich-wohlwollend aus stahlblauen Augen ; zeigt recht dichte  Körperbehaarung , weshalb sie auf meiner Porno-Seite auch unter `hairy ´geführt wird .

Seit Jahren masturbiere ich ungefähr am liebsten über ihren Bildern in zweien meiner denkmalgeschützten Hefte ( Papier , Hochglanz , old school ) , wobei sie sich im einen Fall in ihrem – eher schmuddeligen – Wohnzimmer langsam der Kleider entledigt : Sie trug eingangs einen langen Rock , eine weiße konservative Bluse …sie zieht sich jetzt  aus und steht hinterher ohne einstudierte Allüre einfach nackt und unternehmungslustig vor der Linse , ein wenig nachdenklich wie

fragend  `woher kenne ich diesen Mann ?´ . Im anderen Heft stellt sie sich anfangs schlafend , reckt sich dann , hebt freundlich lächelnd beidhändig ihre – eher kleinen – Brüste dem Betrachter entgegen , steht schließlich wie im ersten Band auch einladend freundlich …vor mir . Zwischen den beiden Heften mögen einige Jahre liegen .

Und gestern ! begegnet sie mir modern und up-to-date-digitallly native auf  `Mature Porn Pics ´ , und meine Welt ist noch einmal reicher geworden , wie kokainisiert ! Sie hat diesmal einen Partner dabei , vor dem sie sich auf der Couch aus einem langen leichten vanillegelben Sommerkleid heraushebt ; sie trägt darunter geräumig , konservativ stoffreich weiß BH und Slip , die sie –ja-  auch ablegt ; nackt  ist sie gebückt und lutscht am Glied ihres Partners , auf das sie sich schließlich mit Blick in die Linse setzt ; der Schwanz dringt tiefer ein…im letzten Bild sieht man auf ihrem dichten schwarzen Schamhaar weiße Sperma-tropfen .

Eine Heilige ! die in ihrer Nacktheit in meinen Heften …bisher…doch allein für mich da war ! hat es jetzt tatsächlich – mit welcher Verspätung – getan , hat sich ficken lassen , wenn auch nicht von mir ,  aber genau so freundlich dreinschauend , sie kann es auch , tut es auch , wer hätte das gedacht ! klassisch , wie gütig ,` ich weiß was Du , ja Du da draussen , eigentlich immer willst wenn Du mich siehst , ich heiße Moira und wohne in Nordengland , in unserer Gegend regnet es meistens ´ , eine Göttin , fast meine Schwester , denkt Apoll .

Fast so , als ob sich meine Mutter vor meinen Augen begatten ließe :

Saubere Lösung : Sie tut es also doch ! Wie aufregend ! Wie

erleichternd ! Man betrügt mich !

 

 

Diese zärtlichen Worte ,

wenn sie sich zum ersten Mal umarmen , die Lippen des Anderen suchen . Diese zärtlichen Worte , wenn beide wissen , dass es nie dazu kommen kann  , dass man sich umarmt und küsst ; man redet aber über irgendwas Überraschendes , eine überraschende Klarsicht auf etwas , was beide angeht , und beide wissen , es geht um mehr als um die Formulierung `wie ich Dich sehe , wie Du mir aufgefallen bist ´ und das war es auch schon . Wenn beide etwa wissen , dass er verheiratet ist , und sie kein Abriss-Unternehmen . Wie im Film-Klassiker .

Wir spielen Billard , über die Bande .

 

Zur Zeit sind wir Corona-bedingt  allesamt-und-sonders gestrandet . Keine Milongas , keine Tanztreffs , nur ( vor gestrengem und gefürchtetem  Ordnungsamt  verheimlichter ) Einzelunterricht bei Ilona . Die beiden Tanzlehrer in unserem Kurs , Salvador Mexikaner , Ilona  effiziente Deutsche , sind für  Marie Anne und Macro sozusagen gleichberechtigte Partner . So gut sind sie auf der Tanzfläche .

 

Ja und ach ! Marie Anne scheint sich regelrecht heimatlos zu fühlen in den Zeiten der Pandämie , ohne Tango-Sessions . Daher wohl ihre überraschende Anhänglichkeit an dieses ältere Ehepaar , das Christiane und ich  für sie sein müssen – was sonst  ; und wir veranstalten , na ja , ein bisschen zu großspuriges Wort , Tanztees zu dritt bei Christiane oder mir .

Tango . Ausschließlich . Meine rechte Hand um ihre Hüfte , gelegentlich zu ihrer rechten Schulter ausgreifend . Ich denke an den Mann im Kreis von Leonardo : Umgeben von einem Zirkel , mein Zentrum das Zentrum von allem . All mein Ausgreifen kommt nach Hause zurück  , und Deine Soltada-Drehung geht herum um Dein Zentrum. Wir erlauben einander , das  eigene Zentrum zu finden . Beide in einer  Seifenblase von immerhin ein bisschen Dauer und Stabilität . Alles drumrum um meine Nullstelle ( das Lesepublikum möge sich bemühen , zu verstehen , was ich – anatomisch gesehen – meine ) .

 

 

Zeitvergehen :

Einmal positiv gesehen : Die Wäsche , gestern noch triefnass aufgehängt , trocknet . Langsam aber . Wie gewünscht . Schon fast .

Ich bin so aktiv : Hänge die Wäsche auf . Betaste das Textil alle zwei Stunden . Bin so involviert ! How time flies .

Sommerferien in Zeiten des Lockdowns . Am Samstag hatten sich die Politiker endlich geeinigt , dass ab Mitte der folgenden Woche alle Nicht-Lebensmittelgeschäfte geschlossen sein würden , um das Virus auszuhungern .

Kritiker äusserten umgehend die Bedenken , nun werde in den letzten zwei Tagen vor Geschäftsschließung umso mehr Einkaufswut die Strassen verstopfen , schließlich müssten doch noch Bikini-Ersatz-Reise-möglichkeiten gefunden und getestet werden .

Christiane und ich rümpften , hierin noch einvernehmlich , die

Nase . Naserümpfen war ohnehin , wahrscheinlich wegen der naseweis- ostentativen Maskierung in den letzten Wochen , eine unserer gemeinsamen Stärken . Nein , wir würden dieses Jahr endlich einmal  konsequent dem Konsumterror entgegentreten und einander einfach Nichts sagen Nichts bieten . Voll öko gar Nichts …..

Ich meinte , dies sei dann eine gute Gelegenheit , auch andere Vorsätze

endlich zu realisieren . Und drängte gegenüber meiner Frau , wir sollten doch unsere schon vor Jahren eingestellten Beischlafbemühungen wieder aufnehmen :

Wäre das nicht ein , nein : DAS angemessene Zeichen für Verbundenheit , Kommerzverweigerung , Besinnung auf wahre, tiefere Werte ….

Nein .

Noch nie habe ich Christiane so eindeutig , drastisch , wütend erlebt , als ich ihr meine Idee erläuterte  : Ihr war aufgefallen , dass ich um sie herum schnurrte , sie markant umarmte , ihren Hals knutschte , ihr Ohr

knabberte ……

 

“Was ist denn nur heute mit Dir los ?”

 

Meine solchermaßen abgeschmetterte Idee war zweifellos getriggert , die Leser/innen werden es sich gedacht haben , durch zuviel Pornokonsum , der seinerseits wiederum hochunschuldig als reine Ablenkung von meinen Sehnsüchten betreffs Marie Anne zu verstehen war .

 

 

Implosion .

Die Blase platzt . Die Überlebenden haben sich zurückschleppen

können : Der Abspann des Films interessiert nicht mehr und weiter .

Die Entzauberung von Marie Anne .

So ! sieht also ein erloschener Vulkan aus ….

Marie Anne ist eine gute Zuhörerin , von überdurchschnittlich mittelguter Löschpapierqualität .

 

Mann liebte , wurde nicht erhört , verdorrte in der Entfernung ;

wurde fündig bei den  Sollbruchstellen: Ihre rätselhaften Diatriben  gegen unsere Tanzlehrerin ; im Gegenübersitzen entdecke ich Marie Annes langen Hals , getoppt von einem Doppelkinn : Wie bei einer

Martinsgans . Also ehrlich ! Oder ?

Bin halt ein grundsätzlich zu Treue unfähiger Brutalo .  Pygmalion wünscht sich Galatea wieder zurück in den Marmor .

Aber : Ich werde sie weiter im Telefonregister führen . Sie in sicherem Abstand anplaudern , aus ihr das Letzte heraus holen , was traum-tauglich ist . Spiele mir bitte über Bande irgendwas zu , was mich

spinnen lässt .

Gestern abend war Filmabend in unserer Triade ; man sieht Jessica Biel in  `Easy Virtue´ und eine Doku über Bryan Ferry .

Marie Anne spricht sich über alles gerne aus , ausführlich , folgenlos ,

lüftet backfischhafte End-zwanziger- Einsichten in die Welt-zusammenhänge . Christiane und ich sind ihr belangloser Spiegel , vor dem sie Posen einnimmt . Pose : Bin jung , erfolgreich , zuständig ! Noch Fragen ?

Aber …vielleicht sind wir ihr ja  tatsächlich eine Art Familie ? Sie backt Weihnachts-, nein Oster- , nein Sommerplätzchen ( jaja , Opa und Oma freuen sich immer ) für uns , das wäre wirklich nicht nötig gewesen , betont , dass sie oft an uns denkt ( immer : An `UNS ´ , Ende des

Zitats ) , impliziert unmissverständlich , dass sie sich selbständig eigenhändig autonom und reflektiert isoliert habe ; wir (!) hingegen seien `the select´, `the chosen few´, (auch wenn sie niemals anruft ) .

( MICH anruft !)

 

 

Digital

e Scheuklappen , setze sie heute morgen also wieder  auf , rede mir ein , ich sei allenfalls ein Quartals-( nicht :Säufer…)Pornosüchtiger , somit also , heute aber ! : Los gehts …sehe und bin konfrontiert mit

 

1 Name ( ich meine jetzt :Nicht das erotisierend gemeinte Pseudonym

wie  `Stormy Monday ´ )

1 Gesicht

1 Lächeln

1 Hintergrunds-Tapete , gern auch psychologisch gemeint , also :

EIN  Schicksal

1 favourite football club , wer weiß

1 Vater

1 Mutter ( jeweils biologisch unabdingbar , aber Zufall , natürlich )

1 Robinson , der vielleicht ziemlich viel versucht und sucht , SIE sucht

hinter der  Kameralinse , unter ihren Followern

1 Foto( oder –Serie )

 

25 ( vermute ich ) Dollar/Pfund/Rubel/Kronen Lohn und

Aufwandsentschädigung für nacktes Spreizen , Stelzen , Stillhalten vor

dem Fotograf ….

 

soweit der Armutsbericht  , auf der Grundlage einer gründlichen Vereinsamung .

 

 

”  I love you !”

dagegen ( aus der Reihe : Sackgassen der Sehnsucht ) . Als ob mit der Empfindung , die zu diesem Satz passt , Dauer gewonnen wäre , als ob der Satz ein Snapshot wäre , der wiederum

 

Alibi ,

Basis für Alles ,

Existenzbeglaubigung  ,

Gottesbeweis

 

in Einem wäre . Die allseitig nervende Lust am Photographieren , sozusagen ( `auf einem Bein kann man nicht stehen ´) die Vervollständigung , die zur Lust an jenem Satz passt .

Und was bleibt schon , wenn man den Satz `I love you ´ überlebt hat ? Man kann es ja noch mal mit Photographieren versuchen .

 

Nehme mir vor , dass, sobald ich M. endgültig verloren habe , an irgendwen Jüngeren anders , an ihr Bestehen darauf , dass sie mich nicht braucht , verloren an die allgemeine Digitalisierung  , endgültig jedenfalls – dann werde ich bei mir zuhause alle Spiegel entfernen , wenn nicht zerschmeissen :

Achtung , traurigster Satz : Ich brauche niemanden mehr , der mir zusieht ; brauche mein Echo nicht mehr , mein Beraterteam .

 

 

Wir drei :

Die drei Trapezolinis , Hochseilkünstler , von denen ich der Intendant , managing director , wohlerzogen tollkühn .

Was ich Christiane nicht antun darf , damit nämlich auch mir antäte , meiner eigenen Biographie von zwanzig Quasi-Ehejahren , die sich mit Scham füllen würde wenn . Wir drei führen also notgedrungen den Tanz auf der Rasierklinge aus .

Wieso notgedrungen ? Marie Anne könnte jederzeit Segel setzen und raus aus der Sackgasse ( schiefes Bild ) . Also Ritt auf der Rasierklinge , einzig und allein meine Verantwortung , ich , wie gesagt , der Managing Director des Unterfangens .

Ergo sammle ich und strebe danach , sie zu veranstalten : Die raren Momente , die Bernstein-Ewigkeiten , wie in der Photokabine : Die Schnappschüsse, banal, ertappend , sektoral schnippelnd begrenzt .

Also. Bleibt

 

der Traum vom Reisen .

 

Solange das nicht realisierbar ist , eine Phantasie ist so gut wie die andere , lasse ich mich durch galoppierende Erotik verführen nein ablenken . Erfolgreich . Alles was das Sortiment /kennt .

 

 

Hornhaut oder nicht ?

Habe ich langsam die Nase voll von Deinen Flippigkeiten ( wie kann man sich so lange mit Christiane  über Klamottenmarken unterhalten ? Mit Macro über biologische Küche ? Mit Ilona über Salida oder Gancho rückwärts und , horribile dictu , ` Frauentechnik ´ ? )

Meine sich entwickelnde Hornhaut also . Lässt lästige Themen- Akustik abperlen…oder ?

Und :

Ist das alles na ja eben halt Spiel , na ja , leider mit mir ? Katzengold und Glimmer , all dieser Zirkusmanegenflimmerstaub  , um mir echt was zu

bieten ? Bist Du die Großmeisterin des also hinausgezögerten Orgasmus ?

Sie tarnt sich bis zur Durchsichtigkeit , dieser weiblich allzuweibliche  Luftikus ; gut gemacht , aber…

( sie ist um mich herum und mir so notwendig wie die Luft zum Atmen ) .

Ich denke an Bücher .

Zwei Bücher : Ein Reißer , den man nicht aus der Hand legen kann , bei aller Durchschaubarkeit  ; und eine leere Kladde , einladend wie eine unbetretene Eiswüste , in die ich  mich einschreibe !

 

 

Meine Pornosucht

ist wie schief gelaufene Methadon-Kur , so könnte ich mir das vorstellen , in der man das Heroin mit Chemie , den Teufel mit Belzebub austreibt , vom Regen in die Traufe geschwemmt ; ich denke erfolgreich nicht an Marie Anne , präge mir dafür Adressen von Websites an , die nach dem zweiten Besuch abgebrannt wie Pommernland klingen .

Ach was ! Sage ich mir an durchschnittlichem Morgen : Ersatz ? Was heißt hier Ersatz ? Ist doch alles Schöne irgendwie Ersatz …..für etwas Schlimmes , das man nicht hat bewältigen können , aber :….Müssen !

Meine Porno-Websites , selbst wenn ich nicht unter unmittelbarem physischen Impuls  handle , bieten Augenbad , Linderung , ein gastlich herzliches Willkommen mit erwarteten und unangesagten Gästen jeweils der liebsten Art .

Sie nennen es Sucht ? Ich nenne es redlich erworbenen Besitz an Selbst-Belohnung .

Bei aller Häme des Vulgären . Die meisten Damen lachen oder lugen lüstern verlogen . Ich finde die Frauen und Mädchen attraktiver , die unlustig gegen-lümmeln , oder natürlich die angeblich `Hoppla -Überraschten ´.

 

Wie ich das gerade so sage und mich mal im Autospiegel mustere : Trage wegen Sonneneinfall von links schwarze Brille : Die macht mich glatte – ich will nicht übertreiben – 20 Jahre jünger , gleicht meinen zwei-Tage- Bart fast aus ( wir finden , nur glattrasierte Männer sehen kinderpopohaft jüngelchenmäßig aus ) ; ich nehme die Brille versehentlich ab und bin gleich wieder alt /zu alt/ viel zu alt . Absurd die ganze Gedankenarbeit , streichen wir die letzten zwei Seiten .

 

 

Gucke also – nur zur Ablenkung ! na ja – besagte Filme .

Alle diese Kopulations-Dokumentierungen , mit denen ich mich durchaus mit Erfolg  ablenke , auf die Marie Anne mich unwissentlich quasi verweist/verwaist : Immer gleiche Abläufe ( Sie  wissen schon ) , alle mit glattgelutschten Akteuren , alle mit ebenmäßig schönen Körpern :

Oh Ihr klassischen Griechen ! Die Begattungen allesamt in der Stille von jeweiliger Mönchszelle , man kann den Ton ja sowieso abstellen .

Alles flutscht und glubscht und stülpt und rutscht und schlürft und trieft und würgt und verwürgt sich und streichelt wie begehrt .

 

 

Träumte

heute nacht . Der liebe Gott war ein Reise-Konzernmanager und sagte zu einem Mitarbeiter : “Also der Part über Venedig ist ihm ja ganz gut gelungen . Wie ist denn der Werbeblock über Bombay ?”

 

Marie Anne hat angerufen !

Lieber Gott , lass den Vesuv ausbrechen , lass aber Bern-statt Bimsstein regnen , uns in diesem Ausbruch konservieren , was sie sagte , was mir als Antwort einfiel  ! Gib diesem Augenblick Ewigkeit !

Sie und ich….. in dieser kleinen Monstranz von Glanz und Weitblick .

Aber , wie auf der kleiner werdenden Eisscholle , auf der ein Eisbär -Teddy unbehaglich um sich sieht : In dieser Zelle ist nicht viel Platz , etwa nicht für Marie Annes ausgeprägte Zugehörigkeit zum 21. Jahrhundert .

“ Wie ! Du hast diese App noch nicht ?”

Die App heißt : `Milongas für Millionen ´ .

 

 

Der Brand im Altenheim .

“ Wir haben alle gerettet , “ schnaufte der junge Einsatzleiter , als er endlich Zeit für ein paar Sätze zum Journalisten gefunden hatte .

“ Gott sei Dank waren wir relativ schnell hier , das Feuer doch nicht so expansiv schnell…. “

“Chef ,” mischte sich ein Unterführer ein , “ stimmt nicht ganz , muss Sie korrigieren . Einen der Insassen haben wir nicht retten können .”

“ Waaaas ? Und das erfahre ich erst jetzt ?”

Mertens  war kleinlaut , rauchverdreckt , suchte nach Worten .

“ Ja , der ältere Herr auf Zimmer 36 im 15. Stock . Erst dachten wir , das Zimmer sei leer . Dann hat uns die Schwester gesagt , er müsse aber da sein . Das Zimmer war verschlossen , und als wir aufmachten , rief

er :`Ich will hier nicht raus , nicht weg , ich gehe hier nie wieder weg ´; und er hatte sich am Bett angekettet , mit einem Fahrradschloss .Wir hatten keinen Bolzenschneider dabei und mussten die Etage räumen …und dann war es zu spät . “

“ Er ist verbrannt ?”

“ Nein , erstickt .”

“ Nein , er war nicht dement ,´” sagte die interviewte Heimleiterin im kleinen Kreis am nächsten Tag , “ er war ja erst Anfang 70 und wirklich

frappierend klar . Hier zum Beispiel ein Brief an die Direktion …”

Sie kramt.

“ Hier . Es ging um eine neue Pflegestufe , Heraufsetzung, Anpassung . Ihm war der ganze Sachverhalt völlig gleichgültig . Er schreibt :

`Ist mir schnuppe . Dieses verdammte Heim . Dieses Haus der

Schande . Dass man das alles überlebt hat ! All die gelungenen Spiegelauftritte , die man verloren hat . Überlebt ! Verloren verraten !

Im Kielwasser des Heute , sagt mein Lieblingsdichter , den SIE nicht mehr  kennen würden , Hülsen von Versprechen …wie gnadenlos einsam man

 

alle , alle , alle

 

gemacht hat dadurch , dass man weiterlebte  , und nicht  selber sagte : Bis hierhin – und nicht weiter ! Hier für immer ! Was sind wir für miese Museumswärter !´.”

 

“ Wir fanden dann im Nachlass , was man bei alten Leuten so findet ,” erzählte die Stationsschwester weiter . “ Jede Menge Bücher , eine

riesige Ansichtskartensammlung . Und “ ( sie zögert kaum ) “eine stattliche Sammlung “ , sie sprach nun doch mit sozusagen spitzen Fingern  , “pornographischen Druckwerks . Aber in der Brusttasche seines Morgenmantels auch einen Stick .”

 

Gott/ sei/ Dank .

Das war nur so ein Traum . In Wirklichkeit bin ich nicht der Alte , sondern  fitte 50 . Ich und Altersheim ?

 

These A:

Das Erinnern ist das Präsentieren von alten Rechnungen , die man vergessen hat zu bezahlen .

B.:

Nein .

Es ist alles bezahlt . Alle, woran man sich erinnert , dadurch dass man sich daran erinnert .

 

 

Mittlerweile eine Sache

der Archäologie . Ein Spurenabdruck . In einer Gesteinsprobe . Gesteinsprobe , wäre ein guter Titel für einen Roman.

Meinen Roman . Irgendwo da im Schiefer ein Abdruck . Eine

Kapitulation . Platzhalterisch , aber bestehend auf : Mich gabs auch mal . Dann wieder ein Parfüm . Auf dem Mars Reste von Flüssigkeits-ablagerungen . Canyons , wodurch hervorgerufen ?

 

Woraus der geneigte Leser , die hoffentlich noch mehr geneigte Leserin schliessen möge , dass Marie Anne sich nicht in meinen feuchten Träumen eingenistet hat ; was SIE für mich ist ….Ich sehe sie als was einem Erstickenden ein Hauch sein mag  ; einem Jongleur eine hauchdünne Kristallkugel ; einem Musiker ein Pianissimo ; einem Dichter der geniale Reim .

Weiter in Text und Subtext .

 

Kraftstrotzend , jedenfalls heute , wie ich da die Kugel den Berg hinaufrolle , mit Christiane im Bett , den Berg hoch , nur noch ein paar

Meter oder Sekunden , dann erleichtert merken , dann der

Orgasmus  : Ab hier hier hier jetzt jetzt jetzt rollt der Stein  selber

und freiwillig auf der anderen Seite herunter . Sisyphos in der Gestalt von JOHANN fällt erleichtert in die Kissen zurück .

 

 

Nachmittagslicht , wie

Du die Fernen öffnest , wie

in Anerkennung …..

 

denke ich bei diesem Spaziergang . Und wenn sie mich erhörte ?…..

bitte bitte lass mich  nicht den Jahrestag ihres Mich-Erhörens erleben , nachdem man usw.  ( das Übliche ).

Du , Marie Anne ,  und ich , wir tun einander den Zeitvertreibungs-Gefallen . Es ist halt alles Spiel , Kitzel , auch so eine Art Masturbation , ICH entsprechend als Phallusspitze , Rotationsachse ( aber bitte empfindsam  ) , um mich herum das Jemals – All , oder auch : Ich als die Nadelspitze , die der große Ballon fürchten darf .

 

Marie Anne und ihre irgendwie nimmermüde , Nichts mitkriegende , so tun als ob-be , locker bleibende Beatrice-Rolle , die Conferencieuse , Sprechpausen-Überbrückende ; sie schwimmt wie ein Kork auf der allgemeinen Rollenverteilung, Beatrice , Julia , Lady Macbeth ,

Marie Anne ; die mädchenklug Altkluge .

Aber …! ( hier wundere ich mich über meine Kritikfähigkeit ) mit Damenbart und sogar leichtem Koteletten-Ansatz .

 

 

Härteste Währung der Welt  :

Der Kater ! Ihn haben/nicht haben / entscheidet ….

denke ich noch . Ich denke immer in Haikus .

Sie ist so brutal , unbarmherzig , gewissenlos , humorlos , gefühllos , ellenbogig , unbekümmert , skrupellos  :

 

zwanzig (20) Jahre jünger als ich !

 

Der Hunger , mit dem ich Dich , Deine Wohnung , Deine Äusserungen aufnehme : Aha , hier , dritter Stock , Blick auf Einfamilienhäuser , sooo kann man leben ?

 

Du willst also nicht anrufen .

Danke für Dein Vertrauen ! Ja , ich bin stark , bin immer stark, habe mir schon alle möglichen Drogen in meinem Leben abgewöhnt ; Du meinst ,

auch den Entzug Deiner Nähe , Deines Anblicks , Deiner Sprache  kann ich verkraften ? Nun ja , nicht gerade mit links …Dein Vertrauen ehrt

mich !

 

Bitte nicht ironisch werden , sagte ich zu Marie Anne . Habe da eine große Empfindlichkeit . Du willst sicher wissen  , wieso .

Meine ( einiges !) ältere Schwester lehrte mich Ironie . Sie war sehr ironisch . Wieso eigentlich war sie so dauer-ironisch ? Meine letzte Theorie diesbezüglich : Ironisch , so richtig , wurde sie , als sie den kleinen Piepmatz ( sic !) beim Baden ihres kleinen Bruders häufiger mal zu sehen bekam , und wohl als Backfisch ( sic !) schon an die größere Ausgabe bei ihren Altersgenossen dachte . Oder gewöhnt war ?

 

Bäätsch ! Erotik , das Kitzelspiel , auf Eisesspitze  , auf Blicke auf Spitze getrieben : Bäätsch !

Hier gibts mehr Verlierer als….GIBT es Sieger ?

Ach ! Sie sagen :

„Warum Sieger ?“ SIE denken also an `win win´ ? frommfromm! oder an Schlachtenbummler ? Na gut , ich konzediere :

In Sachen Erotik gibt es nur Sieger am Haares-Rande der Niederlage .

 

 

Auf welcher Seite

der Klinge ist es schöner ?

Sie zuckt die Schultern .

 

Lebe gefährlich ! sagte der Experte in Gratwanderungen . Bevorzugen

Sie Damaszener-Klingen ? oder eher Dutzendware aus Solingen ?

Oh was nicht  alles unmöglich ist : Das weiß ich nun wirklich  .

Happy ever after , glücklich und zufrieden , Sex der immer wieder etc . Alles alles unmöglich , ich bin unmöglich , bin  bei Christiane sicher behaust , untergebracht , untergepflügt , abgelegt in meinen Sackgassen und Einbahnstraßen .

Das Einzige , was geht , gehen könnte : Reisen Reisen Reisen .

 

Reisen ……

 

Immer abends gemütlich rechtzeitig in schönem Hotel ankommen , sodann stilvoll dinieren , noch spazieren gehen , Lounge Music zum Absacker …Bitte immer wieder den Film an dieser Stelle stoppen , morgen nochmal , aber in anderer Idylle . Vielleicht den Fluss hinunter .

Reisen , unter anderem zu dieser Musik , die ich gerade von CD-Player spiele : Ein spanischer Gitarrist improvisiert über Jazz-Standards . Flamenco ! Olé ! Lange hingezogene Überredungsversuche des schrammelnden wirbelnden Gitarrero . Undenkbar , dass er mit seinen Künsten irgendeine oder eine konkrete Frau rumkriegen will

(` hier der Zimmerschlüssel´) . Es geht eher um ein erigiertes Sich-Zeigen , in ganzer Statur zur Vermessung  auffahren  , und die entsprechende Tänzerin würde auch nur kenntnisreich zirkeln und stampfen und wuchtig abwinken : `Danke , bin im Bilde ´.

So spanisch möchte ich mir vorkommen , mir ein Zusammensein mit

Marie Anne  vorstellen .Wenn überhaupt .

 

 

Apropos Ikea :

Mir war mittlerweile klar , dass ich Phase 1 schon weit überschritten hatte .

Die Phase nämlich , in der ich mich morgens /mittags/ abends

gerne drei mal täglich und freiwillig vor den Spiegel stellte und mir soufflierte :” Geht doch ! Wenn ich mich so und so hinstelle , wenn das Licht nicht so , sondern… so… auf mich fällt …wenn ich dazu diesen jungdynamischen  Pullover , nein ……..besser dieses verwaschene Goldgräberhemd ….trage , dann sehe ich doch höchstens 15 Jahre älter aus als sie . “

Das war Phase 1.

Die geneigte Leserin , der einfühlsame Leser kann sich nunmehr vorstellen , wie Phase 2 aussieht :

Sie besteht aus einem wirklich gekonnten Slalom um alle möglichen Spiegel herum . Bloss nicht reingucken , sehen wie man aussieht . Spiegel-Vermeidungs- Burka .

Phase 2 entsprechend  legte ich gekonnt im Ikea-Terminal unsere Einkaufsschlender-Route , auch wenn es Umwege nötig machte , an der Spiegelabteilung ( Sonderangebot `Hyggeved´!) vorbei .

 

 

Troubadour

Warum lässt sie sich

soviel Zeit ? Für einen Stein

ist Zeit kein Problem !

 

notiere ich .

So geht also Phantomschmerz ! Als ob da nichts wäre …..Man sieht nichts , hört nichts , riecht nichts … sie ruft nicht an . Als ob Thomas Alfa Edison nie gelebt hätte , Graham Bell nie ein Patent angemeldet …wozu das alles ? Marie Anne macht sich schuldig , betreibt sozusagen Schändung des Ansehens von Großen Toten .

Sie ruft nicht an .

Versuche , mir einzuflüstern : Ich mache alles richtig , wenn ich nichts tue . Warte . Mein Warten : Die Geheimwaffe , Carte Blanche  . Andere beneiden mich um mein Warten , flüstere ich mir ein .

 

 

Lauter Fahndungsfotos !

Ich war entgeistert . “ Ist das Ihr Ernst !” fauchte ich den Fotografen an . Auf den Bildern guckte mir müde ein verfallener überforderter Greis entgegen .

So sehe ich wirklich aus ? Der Foto-Heini , der für meinen neuen Lyrikband  den Dichter stehend , sitzend , die Welt erklärend ausholend abbilden wollte , Licht oder Halbdunkel , war eingeschüchtert :

“ Wir können ja gerne noch mal…”

Offensichtlich sah ich wirklich so aus . So musste Marie Anne mich sehen . Ich drehte das Messer meines Selbsthasses genüßlich weiter in meinem Fleisch . Wie hoch muss ich ihre Freundlichkeit , ihre Zutraulichkeit schätzen , wenn sie dieser Mumie da ( wie fotografisch dokumentiert ) locker flockig flippig freundlich…lieb… begegnete , ….als ob da nichts wäre .

Dann bewerbe Dich doch ! Für den Job im Altenheim , wo Du unsereins das Sabberlätzchen wechseln kannst und nebenher tröstliche Worte findest .

Apropos Messer und Selbsthass :

 

Ich hatte mal eine Freundin , die sich – vor meiner Zeit –  gerne ritzte.

Zu meiner Zeit war sie dann die Einzige , die mir einen blies . Das auch nur zwei oder drei Mal . Aber seither bin ich schier besessen  von dieser Technik .

 

 

Und meine Gedichte ?

Flaue Nachfrage nach meinem neuesten Band , sagt mir der Verlag . Schwierige Zeiten für Lyrik , Sie wissen schon …

Ist was ?

Ich hämmere wütend einen Kurz-Essay mit besagtem Titel(`Ist was ?´) in die Tasten – hätte ja auch ein Porno-Programm anwerfen können …

 

„Seufz!

Weniger Leser , viiiel mehr Schreiber : Wie sich da noch als Dichter empfinden ? Den seit der Romantik allgemeingültigen Modellstatus des

Einsam – und –unverstanden- Seins , dann aber maßstabsetzend idolisiert – ( `jaaah, er !!!! ER hat es , genau so fühle ich mich auch

immer ´ ) ….den also : Weiter ausbeuten , ausschlachten , leichenfleddern wollen , das Ganze aber in mittelstandstypischem Wohlstand …..

am Wahltag skeptisch grün votierend ; irgendwie ziemlich unlauter , nicht der ideale therapeutische Gedanke vor dem Spiegel .

Also .

Die Vocation als Dichter aufgeben ? Sich definieren als erfolgs-

abhängig ?

Nehmen wir den ehrbaren , in Wintertagen mehr denn je ehrbaren Beruf des Installateurs , vulgo Klempner . Er würde bei magerem Auftragseingang – etwa im Hochsommer – nicht sagen :

 

O je ! O je ! Ich bin nicht Klempner mehr .

 

Sondern .

Sagen : Ist was ?”

 

 

Jede Ehe

hat bekanntlich ihre Geheimsprache ; es fängt an mit intimer

Wehrhaftigkeit gegen die Außenwelt und wird zur Beschwörungsformel , zur Litanei , diese Beschwörungsformel nehmen wir immer , heilige Mutter Gottes .Christiane und ich nutzen diese Lexis auch nur in Momenten der freundlichen  Zutraulichkeit , sagen dann etwa `Miau ´ oder `Wuff ´oder `Oink ´ .

Ja , wir sind auf der Tim-und-Struppi-Ebene Verbündete , vertrauen auf eine Welt der erfüllbaren infantilen Wünsche . Besagte Tierlaut-Imitate

erinnern uns an die Tatsache , dass wir uns kein Haustier  zulegen

wollten , bzw. konnten : Weil wir ja immer

 

Reisen !

 

Die armen Tiere , die wir praktischer- , zumutbarerweise nicht mitnehmen könnten ….

Ach , reisen …..

Ja , Reisen fände ich auch jetzt schön , auch und sogar mit Christiane , aber…

ich lasse den Satz unvollendet .

 

 

Ertappt

Der erotische

Blick :

Fundgrubennagel und

haltbarster Treffer . Da hilft nicht

Dementi noch Alibi .

Sie sind in der Kartei :

Ich lese Ihnen Ihre Rechte vor ….

Marie Anne , wie nur konntest Du mich verlassen ? Oh Göttin , wie nur ?

…eben nach gestrigem Ikea-Einkauf heute nicht anrufen ? Ich tobe rempelnd durch meine Wohnung . Die ich in den letzten Wochen immer auch durch ihre Augen sehe : Mir etwa sagend : Das Bild könnte ihr gefallen , aber eher , wenn ich diese Vase daaahin stelle .

 

Drei Haikus aus jenen Tagen :

 

Hast Du sie gut ge-

spielt , Deine letzte Karte ?

Wie ? Du hoffst weiter ?

 

Sie hungert sie aus ,

ihre Lover ! senkt Schweigen ,

fällt Bleigewichte .

 

Sie im fröhlichen

Plauderpanzer ….. ich vergeb –

lich Rost dosierend .

 

Ich notiere dies so nebenher und sehe nach der Therapie ratlos aus dem Fenster heraus .

Gedichte schreiben hat noch nie wem geholfen , die Welt nicht gegen einen Kometeneinschlag von galaktischem Schulterzucken gefeit .

Diese Welt …schaltet Maserati-haft rauf und runter ; beschleunigt , lässt mit Tempo alles nebenher durch meine Minuten stürzen , was unwichtig ist , mich trennt vor ihrem nächsten Lebenszeichen ; oder legt sich wie bleiern solide Betonschwellen vor mich , auf mich : Hol mich hier raus , Du hast den Schlüssel , Du mit Deinen Herkules- Kräften ,  stemmst die ganze Welt : Melde Dich ! Kometeneinschlag ….und das Ende der

Dinos .

Ich versuche als Alternative sowieso immer  tapfer , nicht an Marie Anne zu denken . Denke an Projekte ( aber nur kurz , nur schnell ) und frühere Beziehungen . Die Bilder von damals stehen Schlange , ich büße für ihr

Von-mir-seinerzeit-auch-nicht –festgehalten-werden .

Aber alles das ergibt nur herumliegende Wrackteile in der Streuspur eines Flugzeugunglücks . Und jetzt ? Bin ich überfordert , aus all dem noch eine Ordnung zu machen , meine ( nennen wir es ) Identität zu kleistern . Wie bringt man Wrackteile wieder zum Fliegen ?

“Wir liegen hier nur rum, fordere von uns nichts Unmögliches .”

 

Alle meine Kritzeleien und Tage-Belästigungen ( so ein Tagebuch kann sich ja nicht wehren ! ) : Lauter Entzugs-Dosen . Metadon-

Ersatzspritzen . Ich bin der Jongleur mit den glühenden Kohlen .

Fliehe also abermals in die  sanfte filzsamtige Welt der Pornographie . Bin dort schon fast zuhause . Nenne es `Fort-und Weiterbildung ´ :

`Man muss ja informiert bleiben …´

Bei `fort´ fällt mir ein ……. Mein Buchhändler gibt den  Psychiater , vor dem ich keine Geheimnisse habe , dem ich meine libidonösen Zuckungen offenbare .

“Nein , das  ist leider wirklich vergriffen !”

 

 

Marie Anne weiß es

natürlich nicht : Sie ist die Ko-Autorin von diesem meinem Roman .

Mal sehen , versuche ich mir zu sagen , was IHR vielleicht so einfällt .

 

Dein nettes Flöten….

und mein Gesehne nach ….oooooh!

Kissenschmelz und Kuss !

 

Erfolgreich über

meine Leidenschaft hinweg-

geplaudert : Gekonnt !

 

 

Ich versuche mich mit Rachmaninov ….ja was ? abzulenken ? zu feiern

( meine Verknalltheit ) ; im Rausch zu steigern …

das Klavier-Konzert Nr 2 schwappt durch meine Wohnung  und plätscher-lappt vertümpelt ( eher als stürmt ) durch Gehör und Schmachten…. Knutsch-und Kuschel-Rausch .

 

Sie trug gestern wieder , wiewohl zwischen uns Winter ist , ein leichtes Seidenkleid , das an ihrem Gehen vorbeiweht  ; sie klatscht begeistert in die Hände , wenn sie meine Bemerkungen ulkig findet .

In der Tat , sie ist die einzige Person meiner Bekanntschaft , die meine Scherze und Anspielungen , Paradoxien und Schmähungen versteht ; ich werde zum Allein-Unterhalter , sie zur Generalbevollmächtigten meines sonst nicht vorhandenen Publikums .

Um der Wahrheit die Ehre zu geben : Christiane findet mich

gelegentlich , Freitags von 15 bis 18 Uhr , so sie auch nur ein wenig gnädig gestimmt  ist , ebenfalls ganz kurzweilig und  lacht . Kurz .

 

Und ich , meinem Programm verpflichtet , wie ich es Marie Anne etwas von oben herab , wie bei der Verkündigung von Sicherheitsstandards , neulich beim Abschied an ihrer Treppe mit einem Oscar-Wilde-Zitat , quasi verlautbarte :

Stil ist alles ! If it doesn´t come naturally : leave it !

Und jetzt …

Leichtigkeit ist Dienst an Allen …

und jetzt …

 

 

An diesem leeren übervollen

Sonntagnachmittag , dessen Wolken uns gerade in immer dunkleres

( Geschenk-?) Papier einwickeln .

Nach den eher unmöglichen Hosenanzügen letztens , einmal in polnischen Nationalfarben , knallrot knall weiß , hüftbetont und flauschig-flusig , trägt sie heute abend wieder das leichte Seidenkleid über  schwarzer Strumpfhose , das notgedrungen bereitwillig bei Gehen und Stehen mitwill , weht , gehorsamst ihre Motorik spiegelt .

Wie eingeübt , bemerke ich diese Reizvariante gehorsam nur aus dem Augenwinkel ; wann immer ich Marie Anne zum Aufschlürfen begehrens-wert finde , sehe ich Christiane an , in non-chalant gelangweilter Manier , als sei ich wegen irgendwas belustigt ratlos .

 

Und wie genau begehre ich M. eigentlich ? Ja . Ich würde sie gerne mit meinen Händen befestigen , ihr den Schutz meiner Handflächen andienen . Nein , ich mag sie mir nicht nackt vorstellen . Oder fordernd

ausgelegt . Wie ich schon sagte , unsere Beziehung ist in jeder Hinsicht chancenlos .

Sagte ich schon , dass ihr roter Lippenstift , selten angelegt , den Rest von ihr quasi nackt macht , sie zu einem einzigen überdeutlichen Juwel aufstylt ?

 

 

Ich steige

jetzt gleich ins Auto , liebe Marie Anne , und freue mich schon auf die Wegstrecke , auf der ich Dich vergessen kann .

Porzellan-Fürstin ! Lady `Is was?´

Dieses Gefecht ist abgebrochen ! So viele Prüfungen , denen Du mich zuhause im Kerker meiner acht Wände unterwirfst durch dein Nicht-Anrufen !

Was soll ich tun , was kann passieren , was liegt in meiner Hand ?

Die einfachste Lösung : Dich zu hassen ! Verteufelung ! Sturz der

Göttin ! Zwischen Damenbart und zu enger glückseliger  Umarmung von Macro oder Deinem ignorantem Freundinnen-Kult mit Christiane  sollte sich doch  etwas finden lassen ? Ein Einfallstor für meine Wut und meine Fundamental-Opposition ?

Tango ? Fand ich schon immer fake .

Frauen , zwanzig Jahre jünger als ich : Wie unerwachsen sind DIE

denn ….

Sie merken schon , liebes Publikum , heute kann mich mein Auto fahren nicht ablenken bzw. inspirieren .Unfruchtbar unbefruchtet bleibt die A 2 kilometerweise hinter mir .

Also , raffe ich mich hoch : No news is good news !

Wenn sie schon nicht anruft : Vielleicht , weil ich für so viel Klarheit gesorgt habe , sagen wir doch gleich : Respekt ? Vielleicht traut sie sich nicht zum Handy zu greifen , weil sie es wirklich nicht verantworten möchte , den Maestro zu stören ? “Vielleicht schreibt er ja gerade wieder eins seiner tollen erotischen Gedichte ?”

Vielleicht liegt die zur Inspiration ungenutzte Strecke hinter mir ( bin unterwegs zum Kulturfrühschoppen in Bremen-Vegesack ) ja so gebändigt und befriedet da wie ein frisch gebügeltes Bettlaken ?

Sagte ich schon , dass ich für mein Leben gerne bügle ? Glattheit , um nicht zu sagen Harmonie ( Harmonien, himmlische ) , herstelle ?

“Habe alle Fragen beantwortet ! Melde Vollzug ! Alles ist vorbereitet für festlichen Empfang .”…und wäre es erst mal nur im Kulturhaus zu Vegesack .

Ach ach ach ! Wäre da nicht ….ich schlucke ….( oh Gott , ich habe meinen Text vergessen ) wäre da nicht diese schwarze Strumpfhose ! Und die selbige besagte …..unbegreiflich unbegriffene Streckende , Knickende , Bewegende!

 

 

Der dritte Tag

ohne Dich , genauer : Ohne Anruf oder SMS oder Mail oder Hörensagen vermittelt durch Christiane , die den privilegierten Privatzugang zu Marie Anne hat . Wir Frauen unter uns etc.

Nein , auch in der internationalen Presse las ich nichts , das Fernsehen ließ fern sehen aber zeigte Dich nirgends . Ich fühle mich wie wohl ein Amputierter ein Glied vermisst und deutlich aus dem Gleichgewicht gebracht wurde . Da fehlt etwas, der Rest ist nicht austariert ; die Wohnung leer , entsprechend hallt irgendein belangloses Geräusch wie nachtragend, hämisch . Du fehlst mir .

Ich hangele nach Halt , irgendwo hinlangend . Alkohol , klar ! böte hochalpinem Suchen ein Absicherungsseil .

Blöd , dass ich schon seit Jahren nicht mehr trinke , aber jetzt ….wann wenn nicht jetzt ?

Oder ich halluziniere eben Reisen . Irgendetwas , das mich absichert , mein Gleichgewicht stabiler macht . In Venedig ….da wäre mein Sockel solide .

Das Wort `Sockel ´ bringt mich wieder auf Amphitrion und Galatea . Die Kühle , die sich erwärmt . Komm , wir reisen nach Italien , da gibt es viele Statuen , die stabil auf einem Sockel stehen und auf Beatmung aus sind .

 

 

Sitze – wo schon –

im Café , warte . Noch  60 Minuten , und ich werde wissen , welche Karte sie gespielt hat :

Entweder : Sie kommt nicht !

aus `egal´ , oder bewusst quasi raffiniert vermeidend ? weil …das wäre allerdings schon ein Kompliment an mich , ein schwaches ;

oder :

Sie kommt …..und ist wie immer-  “war da was ?”

oder :

Sie kommt und ist wie auch immer anders , je nach Maßgabe des Kostümverleihs ….noch 55 Minuten , in denen der 50 Jahre alte Don Juan zum letzten Mal in seinem Leben am Roulettetisch die Kugel verfolgt und meint : Alles sei möglich ….sei doch immer schon möglich gewesen .

Drei Tische weiter sitzen vier  Youngster ; ich spotte : Nach Taliban-Manier getrennt : Die Jungs auf dieser , die Mädels auf der anderen Seite . Studenten oder Oberstufenschüler .

Man könnte eine Art CO2 Methode anwenden : Wie lange kennen sie sich schon ? Und ohne Gefahr des  Vertuns wird man sagen : Seit kurzem , oder kürzestem .

Sie lächeln – `unaufgefordert ´wäre eine grobe Untertreibung ; sie lächeln quasi die ganze Zeit , hingegeben , hingebungsvoll und empfangend ; unbefleckte Empfängnis , sozusagen , wie saubere weiße Eisberge , die sich gegenseitig seelig anschmelzen .

Dann giggeln die Mädchen und die Jungs lächeln fachmännisch erhört . Die Köpfe auf beiden Seiten je verschwörerisch zusammengerückt ,

Mädchenteam , Männerteam ; breite Freude , Lippen zuhörerisch gespannt gebannt .

Ach ja .

Da hat es ein Denkmalschützer deutlich schwerer , sage ich mir .

Noch 50 Minuten und man ist höchstwahrscheinlich ausgeschieden , raus aus dem Spiel .

 

 

Und bei jedem geparkten Auto , an dem ich irgendwann in diesen Tagen vorbeigehe , fühle ich die Vibration , die Unruhe : Wann fahren wir endlich los , Richtung Süden , Haare im Wind ? Bei jedem  Hotel ,an dem ich vorbeikomme , das sich alsbald  in meiner visionären Wahrnehmung breit macht , überlege ich , wie von da aus wohl der Ausblick sei , ob stimulierend oder runterbringend . Jede Villa mit Blick  vom Flussdeich .

Jeder Liebhaber sagt und fühlt wohl so etwas :

 

SIE  SIE  SIE nur SIE

 

ist die berufene Schiedsrichterin über Sinn und Zweck meines Lebens ; sie hat es in der Hand , meine Biographie auf- oder abzuwerten .

Für mich als stattlichen schutzlosen Greis von 51 ist  besagte Demut noch schmerzlicher  und riskanter als für  einen jugendlichen 08/15

Liebhaber .

 

 

Nach ihrem gestrigen Besuch

bei Christiane und mir ( Filmabend :  `Good Woman ´mit Helen Hunt und Scarlet Johansen ) .

Marie Anne mit Damenbart und unreiner Haut ; sprach offen über  Willemers Joseph ,  ihren durchaus noch nicht  Verflossenen ; war herzlich ; ich deklarierte unser Erstaunen über ihre Zutraulichkeit ; sah selber dabei ganz gut aus , recht jung geblieben schmal aristokratisch fein.

Oh Marie Anne …..In welche Registratur ordne ich meine Wünsche ?

Als ob ich , Dir im Sessel gegenüber sitzend , in eine Ordnung hineinsehe , wo es  Antwort gibt hinter Klarglas ( aber welche ?)

Du bist Stichwortgeberin und Zuständigkeit ; Licht am Ende aller

Tunnels .

Wieder in meinen Räumen allein , merke ich , Du bist eine Art `lieber Gott ´, eine Allpräsenz ; ich spreche mit Dir , frage mich , was Du von dieser oder jener Einzelheit und Komponente meiner Wohnung hälst ; lebe sozusagen in einem erbarmungslosen Spiegelkabinett – oder gibt es Gnade ?

Seit ich Dich kenne , bin ich nicht mehr allein und alleiner denn je .

 

Wie wird es also…… enden ? Eine Tangostunde , ein Nachmittagstee

( mit mir und Christiane zusammen ) “ fällt aus/ ach ja / Marie Anne hatte Dringlicheres mit Dringlicheren “, findet man später heraus ;  man sieht sich , ach ja , neue Jahreszeiten . Wie gehts Willemer ? Wie gehts …wie war noch mal der Name von Deinem Verflossenen ?

 

 

Sie tarnt sich !

Macht auf harmlos , tauscht sich mit Christiane über Rezepte für Weihnachtsplätzchen aus ! Das kann sie doch nur als Nebelmanöver

meinen ! Was tarnt sie damit ?

Eine andere Art der Pornographie …vielleicht nicht , aber auch an Bildern haftend : Sie kam nachmittags , in unserer Dreier-Teerunde , auf die Idee :

“ Da wir doch gerade bei Dir sind : Zeig uns doch mal Dein Photoalbum ,

das ist doch bestimmt  bestückt mit  schönen schwiemelig  alten Papier-Unikaten !“

Christiane kannte die meisten , Marie Anne war gespannt .

Warum eigentlich ? Sie wollte mir noch einmal vor Augen führen , wie unwiederholbar unerreichbar weit weg die Tage meiner jugendlichen Attraktivität waren ?!  Wahrscheinlich , nicht auszuschliessen .

Ich zeigte ihr Kinderbilder – von meinem Sohn .

Daraufhin solche , die mich im Rebellengestus der 68er präsentierten .

“ Nein , wie gigolomäßig Du da Dein Hemd offen trägst!“

Kein Zweifel , das tat mir gut , ja , ich war einmal ein Frauenliebling  . Hier stand ich in meiner Verwechslung , meiner irrtümlichen Existenz : Siehst Du , wie gut ich Dir ……. damals gestanden hätte ? Unschuldig , Euer Gnaden , ich war mal SCHÖN !

Sie war halb schon drin , in meinem Zugabteil der Zeitreise : Steig ein , ich bin ein Kandidat für Deine Love Story !! Zumindest auf diesen abgewetzten Foto-Schwarten .

 

 

Hoppla ! Wie ?

Ach ja …sie könnte doch aus lauter Zerstreutheit  mit mir schlafen ! Das wäre doch früher mal , damals , Sie wissen schon , normal bzw. geboten gewesen . Wurde daran erinnert beim Blättern in meinem Fotoalbum .

Aber ich will ja gar nicht primär mit ihr schlafen , geht meine Liturgie an dieser Stelle . Obwohl .

 

Studie einer Schwäche :

Ballade

 

 

Er liebt sie sie liebt ihn .

Er ist zwanzig Jahre älter als sie

sie ist zwanzig Jahre jünger als er .

Er wagt lange nicht  , sie zu berühren .

 

Er will seine Frau um keinen Preis

verletzen .

Gar keinen.

Er wagt lange nicht ,

die andere ,

 

die

einzige ,

zu berühren .

Sie liebt ihn

und sagt : Alles ist gut .

Sie haben sich ihre Liebe gestanden  .

Sie haben sich berührt .

 

Sie lächeln zusammen

ohne Verabredung

wie in der Selbstverständlichkeit

der Naturgesetze .

Er hat dem Nichts entgegenzusetzen .

 

Sie haben sich verabredet ,

ab jetzt

zusammen

alle Filme zu sehen , die sie beide mögen .

Es sind viele .

 

 

Marie Anne zieht

sich aus unserer  Familie zurück ! Sie meint , mitgekriegt zu haben , dass Christiane unter meiner Neigung zu ihr , der Jüngeren , leidet ; möchte aus Frauensolidarität nicht der Grund sein , dass meine langjährige Partnerin eifersüchtig sein muss etc .

Soviel Edelmut !

Oder war es gerade preisgünstig zu haben ?

Wird sich zurückziehen ! Und ich hatte meine Kulissen seelenflügelweit aufgeklappt ! Wie sie dort hineingepasst hätte ! Wie üppig sie in meinen Landschaften hätte leben können !

Das Ganze macht Marie Anne jetzt abhängig von einem klärenden

( wie sie hofft ! ) Gespräch – mit Christiane ! Wenn Christiane zu Protokoll gibt , ich sei  offensichtlich zu leicht erregbar in Marie Annes Anwesenheit , sehe sie gar verzehrend an und hätte sie sogar zu oft/ in falscher Armhaltung/zu lange /mit geschlossenen Augen/mit Nachwirkung umarmt , dann : Werde sich Marie Anne von uns beiden zurückziehen .

Soll sie sich doch von Christiane zurückziehen , zum Teufel  !

Will also den Stab über mich brechen . Ich – der Abgestrafte  ,

Bösewicht , in die Ecke ! Schäm Dich !

Dann …..kaufe ich mir eben einen Hund ! Nein , ich gehe jetzt sofort zur Kirche und stifte ein Votiv-Täfelchen ( tut man das in Deutschland ?) , auf dass Christiane gnädigerweise sagen möge : “Na ja , man kennt ja diese alternden Männer , das muss man ja nicht so ernst nehmen .

Nein , ich möchte Dich , Marie Anne , ja auch nicht aus unserem Blick verlieren .

Lass gut sein …”

 

soll sagen : Wenn JOHANN sich künftig züchtig , züchtiger noch als bislang benimmt . Am Besten den Blick abwendet , vielleicht in den Schoß versenkt , wenn Marie Anne in Sichtweite ist , etwa auf der Tanzfläche ihre Viertelkreise wirbelt oder verzögert .

Am Abend bin ich mit Christiane verabredet . Um meine rasende Angst , abgehängt und abgestraft zu werden (` Mama ist böse auf mich , hat mich nicht mehr lieb , nie wieder !´) , um diese bleierne Furcht  auf keinen Fall nach aussen zu kehren , auf jeden Fall zu verheimlichen , sozusagen meine Männlichkeit in eine Fassade zu retten – kaufe ich so eine Super-Riesenpackung Toilettenpapier , ein Meter nach vorne , einen nach hinten , Lastwagen hätten dann wohl hinten ein rotes Warnfähnchen dran , und steige die Treppe zur Wohnung meiner Partnerin . Was könnte größere Nonchalance andeuten als dieser triviale  Kauf , diese prosaische Alltagsvorsorge ?

 

 

Und warum Reisen ?

Dauerschwindel , der Versuch nirgends einen Schatten zu werfen , oder den unweigerlich produzierten Schatten doch ausweichen zu können; die Situation nicht verraten an eine Partitur , der man mal wieder gehorcht

hätte . Nur kein Fakten-Check , bitte !

Ich bekam vom Verlag einige Gedichte zurück mit der Bitte , sie noch einmal zu überarbeiten . Sie seien ja schon gut , aber einige davon sollte ich bitte aussortieren : Aus Gründen der Ökonomie ( sagen sie ).  Ich führe sie hier  auf .

 

 

Der Witwer

 

Ich…verliebt ?

Sie…

überraschte mich ,

zeigte mir , dass da Platz ist :

Wo hatte ich nur meine Augen bisher !

Platz ,Geräumigkeit :

Für meine Neugier ,  ja Neugier ,

für meine Spürnase ;

dass ich Lust habe zu fragen ,

und mir meine eigene Geschichte

plötzlich anders glaube ;

einen Vektor gefunden habe :

Ab jetzt …

 

 

Die Leser und Leserinnen  erraten leicht , dass jene Zeilen geschrieben wurden , nachdem Christiane mir eine fürchterliche Szene gemacht hat

und ihre Eifersucht auf Marie Anne offenbarte . Sie stellte mir meine

Gitarre vor die Tür , die ich bei ihr deponiert halte , warf ein Paar  Tangoschuhe hinterher und meinte , ich möge doch bitte nie wieder

kommen .

Meinem Gedicht mag man entnehmen , welche Wucht diese Szene entfacht hat und wie ich mich unversehens in den Kampf an einer zweiten Front geworfen fand .

 

 

Kohabitation :

 

Seit Jahrzehnten

zusammen , zwei Igel ;

die anderen sagen : Sind´s Stachel ?

sind´s Flügel ?

 

( das ist Christianes Lieblingsgedicht , ist ja klar )

 

Das folgend aufgeführte Gedicht früheren Entstehungsdatums sei  , nach Meinung der Anthologiemacher , eindeutig nicht zur Publikation

geeignet , weil für den Geschmack des zeitgenössischen  Literatur-betriebs zu anstoßerregend .

Eben ! Sage ich da . Soll es ja auch . Was braucht unsere Zeit mehr als

Konzentration auf das Wesentliche ?

Meine Berufskrankheit , aber eine doch sehr angenehme .

Das alles mir ! Mir , dem strebsamen Nachfolger Aretinos , wie wir

sehen :

 

 

Fete gestern ,

 

 

durchaus ! wie immer ! Mann / entdecke/DIE FRAU /

im Zentrum des Geschehens , Gastgeberin oder verspätet doch noch eintreffender Star ,

lese im zweiten Schritt mit und begleitend wie selbige sich

auf der Waage so macht : Was sagt sie wie ,

 

wie gewinnt oder verliert sie

durch ihre performance ; betrachte des weiteren

wo sich die Anderen ihrstbezüglich verorten , welch Schmetterlingsschlag welch Bonmotvolltreffer…

wie nahe kommt ihr Alfons ?

 

das Frischluftmolekül die Geheimbotschaft wo sie sodann und ureigentlich

stopft in die toten Briefkästen ,für die (großes Kino !)

IHR ZWEI die exklusive geheim-bis-nichtexistente

Patenschaft ……? Was da Liebe : Sei per definitionem

 

bis auf Widerruf subversiv !

Ach ja ….wie´s war ?  Na ja ….ach ja …..

Ro-Juli-me-o-a ….

waaghalsig halt und laut lausig nachhaltend .

 

 

Und prompt

gibt es wieder  Graffitti an meiner Hauswand  !

`Faschist ´ , `Pornokrat ´, ` Schwanz ab ´ und ` impotenter Wichser ´.

Um nur einige zu nennen .

Christiane in Tränen . Mein Hinweis auf die Versicherung und einen mittlerweile eingeübten , schnell mobilisierbaren Anstreichermeister kann sie nicht trösten .

“ Irgendwie doch einfach auch eine gute Reklame für das

nächste Buch  , oder ?” füge ich hinzu . “ Und wenn ich den Auftritt im Fernsehen jetzt absage ,  dann habe ich mich dieser miesen Meinungsdiktatur unterworfen .”

“ Ich mache Dir und Deiner Schreiberei nur dann keine weitere Szene ,” sagt sie noch beim Tränentrocknen , ” wenn wir , zur Reparatur unserer Beziehung und zum Tapetenwechsel , anschließend , nach dem Literarischen Terzett , eine Reise machen . Ja , nach Stockholm  .”

 

Nun .

Stockholm .

Mit der ungebrochen nibelungentreuen Ehefrau in eins meiner Lieblingsländer : Schweden , neutral in allen Kriegen , ein Land , an dem alle Albträume der Zivilisation vorübergegangen sind ,` war da was ?´: Unschuldsvermutung , unschuldige Bullerbü-Gesichter , leider auch

Ikea- ( nicht : Wohn -) Wahnwelten .

Ausserdem liegt es am Wasser , auf dem Wasser , unschuldsumspült , frischluftgesättigt . Am Meer eher niemals gesättigt , Nimmersatt /Hafenstadt .

 

“ Stockholm ? Wie schön für Euch ! Ich war da vor zehn Jahren auch schon mal , mit meiner ersten Liebe quasi” ( vor zehn Jahren ! `Liebe ´! innerlich schäumt etwas in mir ) , sagt Marie Anne  , und ausgerechnet Marie Anne sagt dann noch , sinngemäß  : Man sollte allerdings heutzutage nur noch Traumziele aufsuchen mit mindestens einem Spaten im Gepäck , besser noch einem Bagger : Um allen Touri-Kram beiseite zu räumen ; damit man irgendwas findet , was …halt echt ist .

Der Denkmalschützer- und sowieso nicht nur der –  jubelt ihr verhalten

zu . Wie verständig , diese Kleine !

Stockholm , Wladiwostok oder Hauptsache anderswo , anderswo –

aber mit ihr ; auf einer schwebenden Insel , ohne Schwerkraft , ohne Bleivergiftung , Laputa . Nun ja .

Ich halte mein Blatt verdeckt . Was auch sonst .

 

 

 

Christiane

wird dabei und inzwischen immer wichtiger für Marie Anne . Hätte ich die vor meiner Lebensgefährtin /Frau warnen sollen ?

Marie Anne ruft nur und ausschließlich Christiane  an , wenn es um Verabredungen von uns dreien geht . Zufälligerweise gingen sie am gleichen Samstag Vormittag zum Friseur , nicht zufällig trafen sie sich vor unserem Kaffeeladen und unterhielten sich angeregt , bestimmt über Gott und die Welt und – tja : Über mich ? In welchen Rollen , in welchem Wechselgespräch ? Hätte ich Marie Anne vor Christiane warnen sollen ?

Ab jetzt bin ich dann anders schauspielerisch gefordert . Muss so tun , als ob , als hätte ich nichts von der Akzente-Verschiebung gemerkt , von der Erosion ..unverändert herzlich !

Bin kein bisschen weniger plein d´esprit . Alleinunterhalter wie immer ! Ulk-Nudel wie nur je , aber mit Tiefgang , versteht sich . Für jeden was im Programm , eine unwiderstehliche Chamäleon-Variante . Fühle mich in einem Eiseshauch weiblicher Nichtbeachtung vernachschmählässigt .

 

Und heute abend beim Diner  : Marie Anne redet über Belangloses , Küchen-Wichtigkeiten , und brav  denke ich : Das tut sie , um zu bluffen , mich zu reizen , tarnt …so kann Mann sich täuschen ( wollen ) . Dann wieder anders .

Sie will vermitteln . In  dem Konflikt zwischen Christiane und mir , der da

-hätte man es gedacht ?- geht über die Friseurfrage . Meine Partnerin leidet offensichtlich , jedenfalls aber ausgiebig unter meiner neuerdings Langhaar-Frisur , sucht nach natürlicher Verbündeter , der anderen weiblichen Stimme in unserem Kleeblatt über Sorbée und Espresso . Ihre Larmoyanz über meine angebliche Sturheit ( ihr nicht zu Willen sein wollen ) zwingt mich ( bin ich jetzt sowohl genervt wie auch – für meine Verhältnisse – raffiniert ? ) , ausführlich zu werden : Was unsere langjährige Beziehung nicht alles an Qualitäten aufbiete , vertrauen , Verständnis , ..und jetzt diese Mäkelei …..ob Christiane nicht merke ,was sie da an Flurschaden anrichtet etc .

Marie Anne hört zu , nein , sie zeigt keine Anzeichen von Eifersucht ,

welch alberne Hoffnung meinerseits ; sehenden Auges ramponiere ich meine Aussichten bei ihr , wäre ja eigentlich bereit meine Beziehung zu Christiane als überlebt , reizlos , konfliktträchtig , ausgelutscht darzustellen …SIE aber findet vielleicht (!) meine Schilderung von Christianes Qualitäten und Sensibilitäten als  selbstlos , edel , honnête , so ein integerer treuer Mann ….wer

 

soooooo nett

 

von seiner Frau ( also Beinahe- ) spricht , und das bei einem manifesten Krach …. ich verdanke das alles Christianes Sturheit und Insistenz :

Nein , meine Frisur gehe so nicht .

 

War das nun gut inszeniert von mir ? . Es geht noch weiter . Bei der Verabschiedung lobt Marie Anne : `Das ist aber eine schöne Jacke da an Dir !´ und ich , gespielt kleinlaut ( oder integer und honnête ?)

`ist ein Geschenk von Christiane ….´

Marie Anne muss doch einfach den Riss sehen !

Vorher gab es zur Entspannung Scherze , im Abspann des Abends , spontan ziehe ich ihr auf einmal ( erste Berührung jenseits  der Tanzfläche ) den Knoten ihres Schuhriemens auf , sie schaut verblüfft , Christiane hat es nicht mitgekriegt , aber abhier/heute/jetzt fängt eine neue Zeitrechnung an , und ich kann sagen , ich bin dabei gewesen .

 

 

Ich könnte sie heiraten

( bin ja z.Zt. offiziell solitär u.ledig  ), sie mit meinem Sohn verkuppeln

( der steckt in höchstens lockerer Beziehung zu einer wenig attraktiven Arbeitskollegin ) oder sie : Adoptieren ! Allerdings leben ihre Eltern

noch , wenn auch geschieden ( macht ja nichts ) .

Oder ein Harem ? Oder Bigamie ?

 

Apropos adoptieren . Neulich , in einer schon etwas zu lange dauernden Gesprächspause , machte ich gegenüber Christiane den Vorschlag :

“ Und wenn wir  Marie Anne adoptieren ?”

Christiane blätterte in ihrem Buch .

“ Warum ? “

“ Ach , nur so .”

Sie blätterte zurück . “ Ja dann …immerhin wären wir dann im Soll , oder kämen ihm etwas näher .”

Auf meine Frage hin : “ Die deutsche Frau gebärt laut Statistik 1,2 Kinder in ihrem Leben . Na ja , gebären ist nicht gleich adoptieren . Wäre also gepfuscht .”

Ansonsten bleibt sie ungerührt .

Überhaupt ist Christiane meistens ungerührt . Vielleicht ist das eine `déformation professionelle ´ für eine Ärztin . Als ich neulich von einem bedauerlichen Todesfall in unserer Bekanntschaft erzählte ( `und noch sooo jung ´) , zitierte sie wieder eine Statistik : “ Denk nur an die soundsoviel ( genau weiß ich jetzt nicht ) tausend Kinder , die gerade geboren werden , die ein Gynäkologe in seinem (!) Leben zur Welt

bringt ; denk an all die Kinder , die in diesem Augenblick schon nur in

one-night-stands gezeugt werden .”

Ja , die Uhren laufen . Auch für Christiane sind Menschen ( denke ich manchmal ) nur Uhren , die halt so vor sich hinlaufen , schnurstracks geradeaus , nichts links und rechts vom Wegrand mitkriegen ; irgendwann müssen sie repariert werden , irgendwann gehen sie kaputt .

“ Als kaputte Uhr möchte ICH aber in ein Museum . Mit Blick auf Canale Grande !”, sagte ich damals .

Nein , Christiane ist nicht so gefühllos .  Nur gut informiert .

“ Und alle diese Uhren messen die Zeit in einem Film . Und nicht jeder kommt in jedem Film vor . Bist Du sicher , dass DU in Marie Annes Film vorkommst ?”

Nein , Christiane ist nicht  gefühllos .  Nur gut informiert .

 

 

120 : Marie Anne erzählt

 

von einem neuen Tanzpartner . Nachdem Macro krankheitsbedingt dauerhaft verhindert ist . Ansgar heißt er wohl ; als ich ihn einmal in unserer Schule sah , fielen mir seine runden roten Gesundheitsbäckchen auf ; er lächelte ein Siegerlächeln , drahtig souverän gerade noch jung , hat vermutlich den ersten Porsche schon hinter sich . So muss ein modernisierter runderneuerter europäischer Tangotyp aussehen , der

so gerade eben leider nicht aus Argentinien kommen konnte .

Schicksal Schicksal !

Ansgar habe Christiane in einer Tanzpause erzählt , er lebe in quasi Scheidung von seiner Frau , nur deshalb nicht offiziell , weil das zu

teuer , jedenfalls finanziell ungünstig sei . Chapeau !

 

 

Die Kurse gehen auf Talfahrt .

Im Klartext : Im letzten Jahr hatte ich ein Publikum ! Jemand , nämlich Marie Anne , fragte , ermunterte zu erzählen , lachte ( nein was konnte sie lachen ! eruptiv , begleitet von ohnmächtig-überwältigtem In-die-Hände-Klatschen !) über bisher nur von mir als solche empfundenen Wirrnisse, Ungereimtheiten , Peinlichkeiten , Geschicklichkeiten und Paradoxa in my life ; ich war , sobald sie in mein Auto geklettert war oder egal wo zur Tür hereinkam , irgendwie tatsächlich zuhause , hatte Rückendeckung ,  Rückendeckung von vorne , jemand hielt mich in seinen imaginären Armen .

Und jetzt …a new lover for her ? Wäre zu wünschen ! als selbst-verständlich und gesund zu akzeptieren ! zu wünschen !

Aber seit dieser Droh-Wolke am Horizont fange ich an , lautstark auf der Strasse Selbstgespräche zu führen :

Aha !

( Pause ; nach 50 Metern : )

Soso !

( s.o. )

Tja !

Was soll man machen !

War ja zu erwarten !

Ist ja klar ! etc .

Und jetzt ?

 

Überwiegend Ausrufe-und Fragezeichen .

Wobei sich heute ja niemand mehr wundert über laut artikulierte Stoßseufzer , Wünsche , Kommentare , den neuen Walkie-Talkie-Medien seis verdankt und verwünscht . Auch eine Art von Hygiene : Nobody cares .

Also wieder verwaist . Verwaisung in Serie . Jedes nicht veröffentlichte literarische Werk meinerseits eine sowieso Verwaisung . Und jetzt das !

 

 

Heute morgen Umzugsoperation mit Marie Anne :

Wertstoffhof , Hornbach ,van Dooren . Sie überrascht mich mit  warmherziger Offensive , Gefühle auf Herrn vG zugeschnitten . Bin sowohl witzig und geschliffen wie geplättet von einem Gefühlsrevival . Heute abend wird mit Sicherheit schmerzhaft : Sie stellt einen gewissen Martin vor – bei Rios . Bezieht überraschend deutlich Position : Was sie von mir ferngehalten hätte , sei mehr Christiane als mein Alter gewesen .

Soll man das glauben ? Fühle mich wirklich aufgelöst in Zärtlichkeits-verlangen .

Wir lassen die zwei Jahre Revue unserer Bekanntschaft passieren , ich merke , wie sie mir HH  teuer machen konnte .  Mein Entsetzen über ihre Unreife und Trivialität ist vergessen , ich möchte sie umarmen etc .

Trägt blauen Pullover mit weißen Sternen . Verkneife mir Bemerkung : Wir Bartträger müssen zusammenhalten . Bin väterlich klug , aber vermutlich mieser Schauspieler .Würde ihr gern weh tun .Schreibe kurzen Text über Pont d´ Avignon . Phantomschmerz aller Länder etc .

Möchte ihr gerne vorwerfen (!) , dass sie flippig ,nervig und

unreif ist haha .

She rubs it in , wie man so neu- deutsch sagt  :

Letzten Montag erzählte sie von Martin : ` Es war erstmals mehr als

Tango… ´etc (!) und sie hat-wetten –  beobachtet , dass und wie mir das zusetzte . Heute gibt sie es zu , getarnt als Bedauern : Hätte das nicht erzählen sollen . Habe sie Christiane gesagt .

Christiane sagte daraufhin ( angeblich ) : Nein , Dieter hat nichts empfunden . Was für ein Verschwörungs-Knoten ! Sprach ich oben über Billiard und Über-Bande-spielen ?

 

Höre nachmittags in Feierstimmung Bach Orgelsonaten :

Wie in meiner ausgehenden Pubertät , stelle ich mir Marie Anne im Hochzeitsgottesdienst in voll besetzter Kirche vor : Aufgeregt , naiv , entschlossen .

Meine Troubadour-Vita .

Bei Rios : Viel Auftrieb , Marie Anne in Zigeunerin-Kleid , tanzt konzentriert mit Smiley-Martin ; she queens it , wie man neudeutsch

sagt ;  Abklatschen , das heißt die selbstbewussteren Tänzer drängeln sich an sie heran ; Kuchen , Strahlemänner-u.frauen partout .

Sie ist eine Hexe : Kann aus dem Nichts Beschwörendes machen . Findet geheime Schlüsselöffnungen in meinem Hochsicherheitstrakt . Welche ? Kindheit , Mutter , Schwester . NUR diese Frau kann…

( ich zitiere ) mich retten , mir Stand unter den Füßen geben , ohne sie

ist nur haltloser Sturz .

Dies alles verkauft sie über die Schiene , über die Ladentheke unter dem Schild :

Bin ja so

  1. a) verletzbar
  2. b) integer ;

verletzbar durch DICH , Johann ; bitte verletze Deine Fürsorgepflicht nicht . Das kannst Du mir nicht antun ?

Spielt also die Kindchen-Karte . Aber auch die : Ich entdecke in Dir , Johann WvG , den Genius : Wie Du mich zum Lachen bringst , ich bin  Deine ideelle Leserin ; ICH : Dein literarischer Erfolg : Nein , was bist Du geistreich , Johann ( neulich sagte sie glatt `Johnny´ ). Ich , Marie Anne Willemer  ,  bin die Notarin Deines Ehrgeizes , ja , Du bist fürwahr Dichter und Grandseigneur .

Sie macht sich zum ungläubigen Kindchen , mich zum Erklärenden ; auf Umweg sozusagen zum Erwachsenen , zum Macher und zum Verstehenden .

 

 

Vom Einrennen offener Türen

einerseits . “ Aber ….vielleicht nicht doch eher in den Süden ?”

Christiane möchte sich immer noch mit mir versöhnen , diesmal aber woanders . Nicht in Stockholm . “ Wo hier in HH schon das Wetter so miese war in letzter Zeit .”

In den Süden , ans Mittelmeer ? Italien ? Immer gut , damit kann man bei mir nichts falsch machen .

Andererseits  möchte ich schlicht nicht mit Christiane fahren . So einfach ist das .Sondern . Das große unausgesprochene Sondern .

Ich signalisiere Offenheit für Vorschläge bzgl . Reise , die ja –termin-und sachzwangbedingt – nunmehr nur noch wenige Wochen entfernt vor uns liegt .

 

 

Stolpere

in meiner Wohung wieder über all die Dauerlutscher . Will sagen : All die Worte , die Marie Anne sozusagen mit links zu beliebigen Themen zu wem auch immer gestern abend auf der Party gesagt hat .

Auch zu Christiane . Nicht übers Wetter , aber ( genau so gut ) über meine Art , meine Binder zu binden .`Lässig getarnt wie Fallstricke ´ , wenn ich mich nicht irre . Sie hat es gerade nötig , über ander Leuts  Fallen zu spotten .

Christiane ist offensichtlich getröstet über meiner Enthaltsamkeit :

Ich vermeide , das Gespräch auf Marie Anne zu bringen ; rede ganz natürlich über ihre und getrennt davon meine beruflichen eng anliegenden Anliegen , als ob sie wichtig wären ( na ja , was sie im realen Leben horribile dictu schließlich sind ) .

Auch Marie Anne ist offensichtlich getröstet über meiner Enthaltsamkeit ; es gibt schließlich genug Themen , über die man sich aus-und anschweigen kann , über die man nicht telefonieren braucht ; über die man schweigen kann , Wortlosigkeit durch ein totes Telefon schicken kann , mit Blumengruß .

Ich habe die Latte erhöht , indem ich Marie Anne einen anderen Tanzpartner , genau jenen Ansgar nämlich siehe oben , wärmstens empfohlen habe . Christiane hat das mitgekriegt und sieht sehr zufrieden

mit mir/mit sich/mit der Welt aus . Ich habe das Ganze für mich nur noch spannender , also schmerzhafter gemacht . Wieviel ertrage ich

eigentlich ?

 

 

 

Teil 3 :

Pizza

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Ende , wenn alle retardierenden Momente erschöpft aufgegeben haben , beschleunigt sich dann die Affäre endlich und endgültig 8 Tage vor unserer Venedig-Reise .

Eine Reise für ein in die Jahre gekommenes Ehepaar , Christiane und mich jawohl . Meine Gefährtin mit Dekadenz-Witterung hatte gesagt :

“ Wenn schon Bazooka und Reise für die Wiederbelebung von ehelicher Intensität : Dann eben auch richtigrichtig ! Also : Venedig , turbo ,

genau ! wie für Jungverliebte .”

Ich hatte meine Gefühle über einem Sumpf von emotionalen Reaktionen   gut genug im Griff , hatte zugestimmt , nur eingewendet , eigentlich ! sei mir

 

mittlerweile

 

eine Reise in den späten Frühlingsschnee nach Bad Ischgl zum Ski-Fahren zwar lieber ( auch scheinen mir Schnee und Eis  immer noch passender zur ehelichen Reise-Konstellation ) ; mich aber dann von meiner mannschaftsdienlichen Seite gezeigt und zugestimmt .

 

Es , also die große Umwälzung , der Kometeneinschlag , auf dass alle Dinos endgültig aussterben – es  begab sich dann , wie gesagt , eine Woche vor Reiseantritt .

Ich war an jenem Tag mit Christiane so verabredet , dass ich sie auf dem Heimweg vom Verlag nach einem Vortrag im anthroposophischen Institut abholen würde .

 

”  Prostata und Gendersternchen “

 

war , glaube ich  , angekündigt und ist wohl als Thema gerade sehr angesagt  .

 

Ich parkte

den Wagen und wartete , bis gegenüber die ersten Teilnehmerinnen durch die Flügeltür kamen . Christiane ließ auf sich warten , 5 Minuten , 10 Minuten . Ich vermutete ( richtigerweise ) , dass sie noch einer Finissage über dem Streitthema  beiwohnen wollte ; die Möglichkeit , der Referentin  , Frau Tröml-Plötz  ( Name klingt wie ausgedacht , aber ….) , noch abrundende persönliche Meinungen mitzugeben ; um das schließlich –gerne –  abzukürzen , stieg ich aus und bewegte mich über die Strasse Richtung Institutsportal .

 

Ach wie einfach ! Wäre es , wenn ich mich teilen könnte . Eine Hälfte fährt mit Christiane , eine andere bleibt hier mit Marie Anne, oder noch besser , fährt mit ihr in die entgegengesetzt andere Richtung .

Oder man könnte die Welt teilen , warum nicht durch eine neue Berliner Mauer ; auf der einen Seite die gelungene allseits bewunderte freie wilde Quasi- Ehe , auf der Anderen abheben abschweben in ein in aller Unschuld hereingebrochenes , nein –brechendes Abenteuer .

 

Ich hatte im Türschliessen wohl noch an die Notwendigkeit gedacht ,

diese Art von Pilotenschein zu machen ; nur streetwise kurz links und rechts geschaut , mich irgendwie darauf verlassen , dass in dieser auch tagsüber ruhigen Strasse niemand kommen würde , es war  kein Motorengeräusch zu hören ….nur eine Fahrradklingel .

 

Der Pizzafahrer muss meine Idee mit der Halbierung mitgekriegt ,  aber falsch verstanden haben .

Hektisch ! ein Aufschrei

 

`Attenzione !

 

Pass doch auf !´ und ein eiliger Radrennfahrer ( tatsächlich wohl ein Italiener , durchaus nicht stilwidrig Türke oder Afghane ) fuhr ziemlich gerade durch mich hindurch .

Nicht links oder rechts an mir vorbei , nicht linke oder rechte Körperhälfte touchierend , Schulter rempelnd ; nein , wirklich schneidig in meine Körpermitte hinein ; ich landete auf dem Gesicht …….und , schon

bewusstlos , im Krankenhaus nach ( wie man mir sagt )  hektischem Blaulichtslalom durch die Stadt .

 

Wachte dann auf mit Christiane an meiner Seite , ärztlichem Personal

in Wartestellung  und einer Infusionsleitung herunter in meinen rechten Arm .

Christiane war entzückend . “ Oh Mann o Mann ! Du Trottel ! Mann Johann !”

Der Arzt fiel ihr in den Arm , als sie  meiner rechten Seite zu nahe kam .

“ Vorsicht ! Die Rippe ! “

Ich merkte nur  geringen Schmerz und fragte  , wie lange ich denn schon im Krankenhaus sei . Seit dem Vorabend , jetzt sei es später Nachmittag.

Und dann tat es doch weh .

 

 

Ich kam nicht drauf ,

aber Christiane natürlich .

“ Der Pizzafahrer ! Das Pizzataxi ! Der Arme war total geknickt . Ich habe ihm unsere Adresse nicht gegeben ! “

“ Gut so . War er verletzt ?”

Er hatte wohl nur eine Blessur am Arm und sein Pizzataxi mit einer Acht im Reifen und krummer Nabe zum Ristorante zurückschieben müssen .

Seine Pizzas lagen verstreut in der Gegend .

“ Ristorante ……..Bella Venezia !”

Wie bitte ?

Nein!

Doch!

Christiane lächelte durch ihre Tränen hindurch .

 

Immerhin war der Unfall früh genug vor Reiseantritt , dachte ich .

“ Stornieren ?”

Ja , daran hatte Christiane auch zuerst und gleich gedacht . Ist doch unwichtig jetzt . Und ja , stornieren geht ja ; und sie , Christiane , müsse doch sowieso jetzt bei mir sein und bleiben.

Sagte sie….. an jenem ersten Tag .

 

 

Am nächsten Tag kam sie dann mit Marie Anne . Und erzählte ,

es sei….. ja…. immerhin…. eine theoretische…. Möglichkeit , dass Marie Anne…. an meiner Statt….mitführe .

Stornieren sei übrigens doch nicht ganz so einfach .

Und Marie Anne könne doch wenigstens für ein verlängertes Wochenende mitfahren . Sie hätte ja auch noch Überstunden abzustottern . Und dann würde sie Dienstag eben allein zurückfliegen .

Beide guckten mich durch das Schweigen im Zimmer hindurch an .

“ Er sieht aber wirklich noch  sehr schwach aus ,” sagte  , nein , sie flüsterte , Marie Anne .

 

 

Marie Anne! In Venedig !

Das wäre mithin die neue Situation :

Video-Konferenz-Übertragung , aus Flugzeug , im Anflug , und

angekommen . Sie spricht in ihren Skype- Bildschirm , ich horche an meinem Krankenbett- Schiebeschreibtisch .

In welcher Stimmung ist sie ?

“Nein, rede Du nur ,” sage ich nach ihren Erkundigungen zum Krankenstand . “Du hast viel mehr zu erzählen .”

So muss ich mir das also vorstellen , und die Vorstellung verlängert meinen Krankenhausaufenthalt noch einmal zweimal mehrfach .

 

 

Zufall oder nicht :

Die Tür stand zum Krankenzimmer stand auf , Christiane war eben auf den Flur getreten und unterhielt sich per Handy mit ich weiß nicht welcher Freundin . Die erkundigte sich netterweise nach meinem Befinden , macht man ja so , und Christiane gab Dia-und Prognose durch , sachlich aber aus meiner Sicht immerhin ausreichend besorgt .

Oder zumindest ernsthaft .

Dann …..ging es in dem Gespräch ( ich sah meine Gefährtin durch die milchglasschraffierte Scheibe auf dem Gang auf und ab gehen ) um die Reise nach Venedig , die doch wohl jetzt nicht mehr …dochdoch

`wir haben uns spontan umentschieden ´ und so weiter .

Und dann kam jener Satz : “ Eigentlich bin ich mit Johann ziemlich im Reinen . Ich verdanke , natürlich in erster Linie Marie Anne  , dann aber auch ihm , dass er in letzter Zeit so intensiv auf sein Äußeres achtet : Er ist immer glatt rasiert  , hat ein Haar-Gel entdeckt , das seine Frisur immer aussehen lässt als ob er gerade die Elbe durchschwommen hat – nein , nicht dreckig ! athletisch ! Sportiv ! Und seine Garderobe . Kurz : Er hat eine Verjüngungskur hingelegt , von der ER wohl wenig gehabt hat ; ICH aber schon , Du weißt schon . Optisch-athmosphärisch .”

 

Sie finden das zynisch ? Ich auch .

Meine Rippe hatte fast , na ja ,  aufgehört , weh zu tun . Ich hatte jetzt andere Sorgen .

 

 

Wachte nachts auf ,

hatte aber wohl auch erst kurz geschlafen . Irgendwo in diesem Krankenhausbau fiel ein Tropfen . Es war nicht meine Infusions-Tube , auch nicht die eines anderen Patienten ; irgendwo fiel in –Achtung !

eins , zwei , drei , vier , fünf- sekündigem Abstand ein Tropfen – wohl in  einen ganz trivialen Putzeimer , stellte ich mir vor . Es war zum Wahnsinnigwerden . Wieviel Kräfte das mobilisierte ! Kräfte , hellwach und ehrgeizig , die einen zunächst gerne daran hindern , wieder einzuschlafen . Tropf !

Ich fluchte . Wollte niessen , spürte meine Rippe , hatte kein Cleenex oder sonstiges Tuch . Kein Taschentuch .Mir fiel ein , dass beim Abschiednehmen immer – früher jedenfalls , in der Zeit der Oceanliner und Transsibirischen Expresse , Taschentücher gewedelt wurden , Tücher im Mehrweg zwischen Tränen-Wimpern und Aerosol-belasteter Hafenluft .

Auf Wiiiiiedersehn! Muss i denn .

Natürlich würde ich auch bei Abreise von Marie Anne und Vulpius , Mann und Maus haha , kein Tuch schwenken können .

Tuch reimt sich auf Fluch . Nachts im Halbschlaf reimt sichs am besten , wie ein Dichter weiß . Fluche ich also , ich verfluche diese Reise , dieses Reiseziel , schwarze Fluchtücher mögen fallen über jede Sightseeing-

Venue . Fluchfluchfluch !

Und so war ich doch wieder bei Marie Anne , volkstümlich Manne , Patentamts-Grazie , sie patent ,   ich Patient ,  sie die Dancing Queen , ich ihr ergebener , jetzt ruhig gestellter Chronist und Künder ihres

Ruhms .

Eine Verlängerung dieser Relation auf schiefer Ebene , die sie als Tänzerin elegant bewältigen konnte , ich als – wer weiß künftiger Rollstuhlfahrer ? – nicht .

 

 

Eine Verlängerung

unserer Beziehung ….ist sie anders zu haben als durch

a ) meinen noch und mittlerweile dringlich anzuerziehenden Hass , ihre b)  gepflegte , unangestrengte Miss-Achtung ?

Danach war ich wohl doch schon wieder im Halbschlaf . Irgendwie tauchte ein Fahrrad auf , nein , kein Pizzabote , eine junge Frau auf Rennrad , wuuusch ! ist sie vorbei , aber ich sehe ihr hinterher und sehe ein bestmöglich knackig apfeliges Hinterteil auf dem Sattel .

 

Welche Drehung ! Ich betrüge meine Partnerin reichlich in Gedanken , mit nur einem Hauch von Prisen-Schnuppern in der Realität ; und jetzt registriere ich geschärftesten Sinnes , dass Christiane mit Marie Anne telefoniert , dass es eine ganze Reihe und Sequenzialität von Gesprächen zwischen den Beiden gibt , nur unterbrochen durch wirklich von beiden als aufdringlich empfundenen Trivialitäten wie meiner Krankenhausexistenz  und Besuchen treu tagtäglich .

“ Ach ja , was ich eben vergessen habe zu sagen…” plauscht meine

schlechtere Hälfte in den Hörer . Und nach diversen Viertelstunden von Gespräch und dem dann doch Betätigen der Schlusstaste sagt sie , wie ungnädig mit sich selbst :

“ Jetzt habe ich schon wieder vergessen , ihr zu sagen ….ach übrigens , ich soll Dich von Marie Anne grüßen ! “

Habe ich sie beide verloren ?

Trauergedichte ,

 

die ich nach besagtem Telefonat  schrieb :

 

 

Seine Frau verliess

ihn …traurig machte er im

ganzen Haus Licht an .

 

oder :

 

Ich habe nicht nur

Dich verloren , sondern uns

beide und Alles .

 

Woimmerhin Dein

Blick fiel einst mit mir  …..war so

lang, sofort : Heimat .

 

 

Und Marie Anne  .

Als wäre sie schwanger von mir und nähme etwas von mir mit auf diese Reise . Diese Reise ! Diese Reise !

Und Christiane ? Die ist unterwegs …mit ihrem Commissario .

So was kann sich keiner ausdenken .

 

Die Genesung meiner Rippe dauert wie befürchtet lange . Jetzt bin ich schon einen gefühlten ganzen Monat hier im Krankenhaus und kenne jede Figur des Personals , weiss , was wer sagen , wie lächeln wird , wenn ich ihnen morgens beim Frühstück , bei der Therapie , im Gang begegne  .

Alle nett , alle wie irgendwie gut getarnt schulterzuckend nicht letzt-zuständig .

 

 

Channel 1 : Marie Anne

 

gibt zu Protokoll:

Venedig : Am Ankunftstag !

 

“ Ich frage mich , wie Christiane auf den Satz gestern kam : `Ein Tag ohne JOHANN ist wie 7 Tage ohne Malaria.´

Das war noch im Frankfurter Flughafenhotel .

Jetzt im Fensterausschnitt die in irgendeiner Funktion aufgerissene Tragfläche : Aluminium-Scharniere  steuern das Flugzeug , das ist verblüffend mechanisch nachvollziehbar , wie  Schnipp mit der Schere , zwischen zwei Scherenbacken . Diese Klappen geben mich gleich der Erde zurück ; glänzend  wie Teile einer Ritterrüstung erinnern sie an die Blechhand des Götz von Berlichingen . Abteilung orthopädische Kunst des Mittelalters .

 

Die Tragfläche dippt per Linkskurve in die Ebene  jenseits der Berge , gleich landen wir,  ich , Marie Anne , ein bisschen gedemütigt durch die Angst  , die mir das  Fliegen immer noch macht : Relativierend ,  was man danach jemals noch einmal  Positives von sich behaupten mag  oder an Schönem erlebt : Und irgendwie ist Nichts – seien wir ehrlich – wie vorher .”

 

Channel 2 : Ich Johann ,

 

kann per Roll-und Fahrstuhl nachmittags ein bisschen über die diversen Flure den Schatten hinter mir entkommen – oder es  versuchen .

In den letzten Tagen bin ich öfters in der Krankenhauskapelle gelandet .

Am Eingang liegen sie ordentlich , die Kerzen , einsatzbereit , verheißungsvoll irgendwie wie Brautkleider ; sie kosten 50 Cent ; es juckt mich in den Fingern , sie zu berühren , ihre  zarte Klebrigkeit , die erst spät ein bisschen Härte signalisieren . Wie Kinder sich die Härte der Welt vorstellen .

Das Weiß der Kerzen erinnert  an ein Brautkleid , wie es Marie Anne

vielleicht nie tragen wird , ein jubilierendes schmetterlinghaftes Weiß , das die Schwerkraft der Welt wegjauchzen kann .

Der Docht an diesem Wachs kringelt , kitzelt ,wartet .

Wenn ich ihn angezündet habe , die Kerze in das eiserne Regal gestopft habe , winkt ihre Flamme im Luftzug von der Eingangstür ; am Docht etwas bläulich anliegend , in der Flammenspitze tatsächlich wie rufend .

Ich zünde zwei Kerzen an , warum eigentlich ? vielleicht  je eine für Christiane und für Marie Anne .

Ich setze mich in die hinterste Reihe der Kapelle . Was habe ich – hier – verloren ? Schließlich bin ich eigentlich in Sachen Religiosität so desinifiziert wie dieser klinisch geweißte Raum . Oder ist dieses weiße Warten auf Hall alternativlos . Dumpfes Licht durch moderne Glas-fenster , Altarstufen , ein Kreuz , in einer Ecke an Holztafeln unbeholfen und gut gemeint Kinder-zeichnungen . Und insgesamt ist die Kapelle so groß , dass ich schlussfolgere , nicht nur  einsame Beter und Seelenfriedensucher wie ich tauchen hier auf ( oder verirren sich

hierher ) ; vielmehr gibt es hier wohl auch Gottesdienste ,  beerdigungshalber . Keine Votivtafeln , alles wunschlos , mindestens wortlos .

Alle drei Male , die ich vorbeikam ( nein , eigentlich habe ich die letzten beiden Male den Raum gezielt aufgesucht  ) , traf ich hier eine Reinigungskraft : Eine Frau in mittleren Jahren , schon etwas

grauhaarig , Frau `M. Slobotic´ , wie auf einer Namensspange zu lesen . Warum sie hier  in dieser Regelmäßigkeit wischt , ist mir unklar ; die Kapelle ist sicherlich ohnehin der klinischste Raum im Hospital , ausser Pathologie und Kreissaal   .

Der Marmor des Fußbodens glänzt heute schon nass , und direkt neben der Tafel mit den Kinderzeichnungen steht das kleine Plastikschild : Vorsicht ! Rutschgefahr !

Ich vermutet aufs Geratewohl , sie hat eine aufregende Tochter im Heiratsalter .

Ich frage :

“ Und M. steht für …? Doch nicht für `Moira´ , oder ?”

Weiß auch nicht , wieso ich auf so was komme . Entzugserscheinung ?

Reste von medikamentöser Beduselung ?

 

 

Channel 1 : Marie Anne

“Venice Airport , An–und-Abfertigungshalle  ;  wild angestoßene Pendel

wir Ankömmlinge alle ; wann und wo stehn die je wieder still   ? unverstanden zielgenaues Zuviel. Reimt sich .

 

Flughafenwarteschlangen sind was mal Kirche war .  Alle sind gemeinsam unterwegs  auf Grund einer Such-Überlegung , nicht verstreut wie zu Hause . Wir kaufen uns eine Währungseinheit Abstand incl. Einheit .

 

Die Platane am Hafenbecken am Fondamente Nuovo . Eine Art Trümmerbaum ; sie wirft Rindenfetzen ab wie  Karambolagereste  .

Sie ist leicht und schattengebend über den Gehweg geneigt  . Der Wind wechselt die Platane ; Wolken schaben drüben , hinter der Lagune , ihren Zeppelinbauch über den Alpenkamm . Ihr Schatten sinkt über die Wände zum Meer ; die Sonne lässt noch einen Hauch von Regen-schauer gewähren und lehnt sich dann wieder deutlich auf meine Schulter .

 

Ich denke an meinen Bruder ! Die Frau des Blinden da vorne liest ihrem Gatten aus dem Venedig-Baedecker vor. Sie sind Briten und nippen nebenher aus Bierhumpen .

 

Ich werde nachts träumen,  entsetzt , von Menschen , die sich von mir verlassen fühlen .Verlassen und verlassen werden …..: Meine Freiheiten  werden immer bezahlt . Umso genauer wachgerüttelt lasse ich mich belichten durch meine Erlebnisse .

 

Bei hiesigen Vor-Ort- venezianischen Sozialstudien etwa  : Zum Beispiel anhand  einer  dieser Heiligen Familien . Heilige Familie , bestehend

aus :

Einem  Mann , der sich am Parkplatz Piazzale Roma als Autowäscher  anerbietet ;  der dazugehörigen  Frau , mit Kleinkind auf dem Arm , ihn  dirigierend über die Fahrstreifen zwischen den Ampelphasen .

Wir haben unser Hotel natürlich per Boot erreicht  und sind –wieso eigentlich ? überraschend früh noch nach Santa Lucia – ach ja , wegen der Zugverbindung nach Padua – herüber gewandert und sahen besagte  Kleinfamilie an der Autoverladestation .

 

Je nach Tageszeit zu  studieren : Der Sonnenwechsel   . Da spielt wer mal  Karo , mal Kreuz .

Die Reisegesellschaft : Führerin mit erigiertem Sonnenschirm vorneweg , veranstaltet ein Kirchenhüpfen von Calle zu Calle , und daselbstige Barockbaracken haben die Backen geplustert .

Im Säulengang der Frari-Kirche bewundern wir die Doppel-Säulen und Dreifach- Bögen , wie sie einen Nebel von  Licht-Uneindeutigkeit schaffen .”

 

 

Channel 2 :Johann

 

Aufgemerkt , liebe Leser , liebe Leserin !

Chamäleons gehören  – das ist meine Entdeckung – auch in die Kategorie der `gefährlichen Raubtiere ´!

Marie Anne hat meine Art , Dinge , ach was sage ich : Aufregende , schöne Erfahrungen – entwendet  , sie in MEINER Sprache zu empfinden , erfahren , reflektieren ! Und damit quält sie mich , den Nicht –dabei-sein –Könnenden , den Verbannten , den Abgedrängten und aus ihrem täglichen Leben spitzfingrig Eliminierten … mit ihrem Skypen , ihrem Erlebnis-Channel .

Ich sollte vielleicht anstatt  sie durch Venedig  zu verfolgen irgendeinen Kinderkanal vom Krankenhausbett aus ansehen .

 

Channel 1  Marie Anne  :

 

 

“Ein Pilger kommt um die Ecke und staunt . Staunt ausführlich und unmissverständlich . Staunt mit allen Accessoires : Kamera vor dem Bauch , Karte und Baedecker in den Händen ; Rucksack : Ja auch .

Die Ehefrau kommt erst später um die Ecke , stand wahrscheinlich länger vor einem Geschäft . Nein , ich bin keine unkritische Feministin .

Vor dem Café sitzend , beobachte ich den Mann  , dieses irgendwie-Waschen von schmutziger Wäsche ( sein Erstaunen nämlich ):

„Ich , das Kind , in meiner ausgebreiteten , ungefährdeten Kindheit.“

Wer Reisende in ihrer Infantilität  sieht , schämt sich für ( ja was ?) .”

 

Channel 2 : Johann :

 

 

“ Nein ,” sagt sie , wohl ganz dankbar für die Pause .

“ M steht für Miranda . Wir heißen beide mit M, mein Gatte und ich .

Macro und Miranda . Ach ja .”

Sie seufzt .

Ich frage ohne weiter nachzudenken :

“ Macro ? Da kenne ich auch jemanden .”

“ So viele gibt es ja nicht . Ach ja . Macro ist auch hier im Krankenhaus .

In der Psychiatrie . Normalerweise wäre er nach seinem Wutanfall auch schon wieder raus . Aber bei einem Skipetaren …da ist die Polizei lieber vorsichtig .Oder der medizinische Gutachter .”

Macro ? Ist sie wirklich mit unserem Tänzer verheiratet ? Und was tut er hier in der Psychiatrie ?

“ Ja , tanzen war ein wichtiger Teil seines Lebens , schon immer . Spötter haben gesagt , er hat im Kugelhagel gelernt , gelenkig zu sein , oder jedenfalls schnell zu reagieren .Na ja , er hat wohl eher damit gerechnet , bei einem Schusswechsel abzukratzen , als in Deutschland  durch eine Anwältin gelinkt zu werden .”

“ Anwältin ? Gelinkt ? “

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

“Natürlich teilen wir , Christiane und ich , das seinerzeit für die eheliche Neu- Beatmung gemietete Doppelzimmer . Ich lasse meinen Blick kurz schweifen über die Reihe von Zimmerschlüsseln  , hinter dem Rezeptionsschalter am Nagelbrett aufgereiht , die auch zum einen oder anderen Einzelzimmer gehören müssen ….Falls Christiane und ich uns wie erwartet doch mal streiten . Grundsätzlich .

Aber `unsere  ´ Räumlichkeit , eigentlich eine Suite , hat viel Fensterfläche , eine kleine Luke geht sogar fernsichtig auf Zatere hinaus und die Wasserfläche davor ; die anderen Fenster schauen auf die Gasse und auf eine ehemalige Werft , heute Ruhestätte für alle Art von Lagunenfahrzeug . Warum in die Ferne schweifen .

 

Am Tag drei sind wir in Venedig auf dem Observatorium . Warte darauf , dass mir wer erklärt , wieso der Mond im Mittelmeer keine Gezeiten bewirkt  ; Anziehungskräfte schickt unser Trabant doch wohl gleichmäßig und rundum aus .

Ach ja , Anziehungskräfte …Ein Liebender in der Ferne …wie sagt man ? wenn das Ohrläppchen zwickt , denkt gerade wer an Dich ? Netzagenturen der Zukunft : Wieso hat das eigentlich noch niemand erfunden und patentiert ?

Könnten auf dem Display  anzeigen , so ähnlich wie die Corona-App , so und soviele

 

Leute , Liebhaber , Loser

 

haben in den letzten 24 Stunden an Dich gedacht . Hinter Dir her geschmachtet , eine klebrige Zunge nach Dir ausgestreckt in den Orbit .

 

Wachte heute morgen übrigens gelockert auf , als wäre ich nie in meinem Leben angespannt gewesen ; hineingeboren in tragfähiges Schaumgummi , Aphrodite schaumgeboren . Christiane hatte im Bett schon die Brille auf der Nase und las und war guter Dinge . Klappte die Brille zusammen und fragte :

“ Wer darf zuerst ins Bad ?”

Ich ließ ihr gerne den Vortritt . Sie suchte im Schrank noch nach Unterwäsche und erzählte dabei :

“ JOHANN begrüßt mich morgens immer  erstmal herzlich mit `na Du Spaßbremse ?´ “.

Ich schüttelte solidarisch unverstehend den Kopf .

 

Beim Schnüffeln von frischer Morgenluft von Fundamente Nuove .

Berg und Meer sind archaische Signale , archaisch deutlich ; durch all die Überholungen , mit denen wir so leben , ironischerweise menschlich geworden : Sie geben dem Planet die Würde des Ortes , wo sich das Individuum selbst auf der Karte findet :`Schau , dort hinten , man kann es sehen heute , da  hört der Apennin auf !“ ;- die Gewerbegebiete im Billigland zum Beispiel um Mailand herum behaupten dagegen alles  sei  endlos ; der Mensch wird unemphatisch , alle Menschen Un-Brüder durch Erschließung .”

Channel 2 :Johann

 

 

Wie sagte Moira weiter :

“ Ja ! Das ist die Erfindung : Ein Handy , das auch als Schusswaffe

funktioniert . Handschusswaffe . Wie sagte früher die Reklame : Passt in jede Damenhandtasche , sagte Macro jedenfalls und lachte …..

Diese Tango-Schlampe ! Ich sage : Entweder Du gehst zur Polizei

( `Frau bist Du naiv !´ meinte er ) oder ich erzähle Yussip und seinen

Leuten . Die können auch …Du weißt schon …bei ihr zusammen zuhause vorbei schauen .”

 

 

Weiter Channel 1 : Marie Anne :

 

 

Johann , denk Dir : Wir legten gestern auf dem Rückweg von Murano bei San Michele an . Das ist viel mehr als eine normale Vaporetto-Zwischen-Station , San Michele , die Toteninsel ; ein Friedhof wie hinter Festungsmauern, als müssten sich die Toten gegen etwas verteidigen . Davon demnächst mehr .

Am Fähranlieger wartete ein kleines Polizeikommando : Wohl ein Inspektor in Zivil und zwei Uniformierte. Sie hatten , tatsächlich in Handschellen , einen jungen Mann bei sich , der vor sich hin und gegen den Rest der Welt  wütete . Angeblich sagte er , die Bullen sollten sich ihre  Handschellen  sonstwohin stecken . Das Übliche halt .

Der Kommissar ( das war er ) und seine Truppe stiegen  in den Vaporetto und gingen ganz nach vorne Richtung Bugwelle .

Der Junge versucht , sich aus den Armen des Polizisten zu befreien , was ihm halb gelingt , und wirft eine Spraydose ins Wasser , und eine andere im hohen Bogen –jawohl- Christiane auf das Kleid . Große Aufregung , Farbspritzer in ihrem Schoß .

Beretta ( so wird er heißen )  knallt dem Jungen eine , umstandslos und politisch unkorrekt , und kommt rüber um sich zu entschuldigen .

“ Sieht man fast gar nicht ,” sagte der Commissario,” den Fleck .”

So so .

Was aber fast stimmte : Christiane hatte ein schwarzes Kleid an mit diversen Farb-Einsprengseln quer durch die Palette .

“ Gut getarnt ,” fügt der Polizist lächelnd hinzu .

“ Sie halten die Klappe ! “ begehrte sie auf , wütend wisch-versuchend .

 

Channel 2 : Johann :

 

Beim Zusammenraffen meiner Habseligkeiten ( `Auf IHRE Verantwortung ´!!!! sagt der Arzt ,`und was die Medikamentierung

angeht : Seien Sie diszipliniert wie sonst was !´)

hatte ich noch ein Papier in den Müllkorb meines nicht wirklich lieb gewonnenen Krankenzimmers geknüllt . Christiane hat mir – aus Venedig !-  einen Brief , so echt  auf Papier , geschrieben.

Sie erzählt durchaus auch von dem Commissario und lässt bereitwillig

Liebesnächte erahnen . Und darüber hinaus sei sie der Meinung , wir seien doch beide noch=immer schon = und auch fürderhin

 

jung und agil

 

genug , nicht in einer Sackgasse mit Gardinchen ( ihre Ausdrucks-

weise ) , in ehelichem Brackwasser auf das Ende der Tage zu warten . Und ich , ja ICH , hätte mit meinem Interesse an Marie Anne ja auch zu erkennen gegeben , dass da noch Leben im Vulkan sei , nur eben nicht im Hauptkrater , sondern irgendwo in geheimen  Magma-Adern ….Sie brauchte nicht direkter zu werden .

Nein , das Briefpapier ist  nicht tränenbenetzt .

Die Uhr tickt …Hatte ich nicht vorgeschlagen , Marie Anne eine Uhr zum

Geburtstag zu schenken ? Das war damals …wie ewig lange her .

 

Jetzt bin ich hier .

Kann man ja sein , sage ich so , wische mir über die Augen und stehe vor dem Rasierspiegel in diesem sehr ge-( und wahrscheinlich auch miss-)brauchten Hotelzimmer .

Und mein Herz jauchzt vor Hiersein !

Aber hier….. war ich doch schon öfter ! Und manchmal auch durchaus nicht froh .

Was mich froh macht , ist die Distanz , aus der ich kommen, die ich auf

dem Rückweg wieder zurücklegen muss . Was mich froh macht , ist mein Nicht-Hier-zuhause-Sein . Mein Nicht –Hier –Sein sozusagen .

 

Was bisher geschah : Ich wache auf , blicke mitnichten auf den Spiegel meines Kleiderschranks in meiner Loftwohnung zu HH , sondern

auf einen Baum im Hotelgarten . Ach stimmt ja .

Ich habe anscheinend ungestört und traumlos geschlafen . Und sammle jetzt die Details , ach ja , gestern abend , ach ja , Venedig , stimmt :

Die beiden Frauen . Besonders .

Was bisher geschah . Ja , es ist schon eine etwas längere Geschichte .

Markant einiges gesprochen , gedacht , gesehen . Ach ja , natürlich , Marie Anne . Sah sie gestern tatsächlich durch mein Fernglas , an der Punta Dogana ; diesmal war ich gegenüber auf Giudecca .

Sie trug ein an ihr noch nie gesehenes braunes leichtes Seidenkleid , wieder zu  schwarzer Strumpfhose . Um die Ecke kommt – das ist wohl Beretta ; er fährt mit dem Boot vor , schließlich ist man in Venedig . Wo ist Christiane ?

 

Was bisher geschah : Zu einem Standbild erzählt wer zusammenfassend

wer tat was warum gegen wen . Schnipp . Noch mal ? Vor der nächsten Folge . Die Handelnden , Möchte-gern-Handelnden nehmen das Drehbuch in Kauf , sind ohne Alternative , tun ihr Bestes .

Ich merke beim Strecken , wie mich die Müdigkeit noch nicht entlassen möchte in einen Tag , an dem die Schauspieler noch herumstehen und ihre Rollenzuweisung gleich erst bekommmen werden .

 

 

Seit gestern sitze ich demnach hier in einem kleinen Hotel nahe Fundamente Nuovo , ich streife auch durch Venedig und möchte sie keinesfalls unvorbereitet sehen , nicht Marie Anne und nicht Christiane . Am Sonntag wollen sie zurück fliegen , und ich gönne ihr die Frist :

Erst Samstag werde ich ihr per SMS die Nachricht schicken , dass ich hier bin ; dann sind unsere Visa aus jenem Land , das nicht ausliefert ,

hier eingetroffen ( wurde mir zugesichert ) ; so viel Zeit soll sie noch genießen – eigentlich will ICH die Zeit hier genießen , hier , wo es , also unser Zusammensein , hätte stattfinden können , so richtig , so real  .Sie soll keinesfalls irgendetwas an Christiane weitergeben  , und es geht um die unschuldige kleine Frage  , ob sie sich in Hamburg  verhaften lassen will wegen Veruntreuung und Betrug .

Wenn sie wüsste , was die Stunde geschlagen hat , wie man so sagt ,

würde sie nicht ein subtiles nervöses Ticken empfinden , sondern einen atemberaubenden schlürfenden Sog . Für mich geht es anders herum : Ich schlage die Zeit tot , taste mich durch Venedig , tarne mich gegen Zufallstreffen mit den beiden Frauen , wie gut dass es hier so viele Touristen gibt ; aber in jedem Pulk von Besuchern könnten sie auch

mit-trotten .

 

Sturm über Venedig : Sonntags-Ausgestorbenheit im Lärm , nicht landende Vögel und wachsame Kirchtürme  . Regen stäubt an die Scheibe ; aber da , eine Zufallsregatta ! prescht  auf dem Weg vom Airport zum Hotelanleger . Jetzt hört man Glocken und sieht dann doch 4 Menschen in den Gassen .

 

`Den Oktober ? Weinlaub , Oliven  jenseits ihrer besseren Tage ; auf dem Lido, daraus morgens Hundebellen  und die bekräftigenden Schüsse der Jäger .  Ich sollte einen Hund haben , zuhause ,´ sagte

der Dauergast in der Lounge , der hier nicht zuhause war .

 

Ich mache den Fernseher im Zimmer an und wieder aus , surfe bei You Tube rum und lande bei dem deutschen Urlauberhit des Jahres :

 

( `Tote Dosen´ , neue Band , angesagt  )

 

 

Talk/talk/talk/talk/talk

ing About Holidays

 

Deutsche machen  erst im Ausland

rundum unerträglich sich

wenn sie sich in Bremen  tummeln,

sagen wir : Warum auch nicht ………….

 

(  trifft man sie jedoch in Pisa ,

lüften sie sich gleich :“ Seht her !

eigentlich – hier merkts jetzt jeder-

ich gebor´ner Künstler wär –

 

lebte ich nicht in Neuss-West !

Dort hats keine Distinktion ;

weshalb mich mein Kunstempfinden

südwärts führt  ( seit Jahren schon )!“

 

Doch :……wenn dann man auf dem Forum

seinesgleichen findet , so…..

denkt  sichs  wütend : Wegen MIR ists ,

dass auch  DER da  nach Rom floh !)

 

 

Passend dazu abends am Nebentisch ein Erlebnis mit Devotio

Moderna , einer neuen Art der Frömmigkeit  : Weltläufige Deutsche erklären anderen Deutschen ( erst am Anfang ihrer Weltläufigkeit ) in Italien die Speisekarte . Auf Deutsch .

Die Einheimischen ! sind hier wie überall blind ; in neuerer Arbeitsteilung übernehmen die Toursiten ( tschuldigung ;Tippfehler ! ) das Sehen .

 

 

Channel 1 : Marie Anne,  :

 

 

plaudernd , chattend, unregelmäßig sprudelnd :

“Nach San Michele kommen wir dann  in den nächsten Tagen gar nicht zurück , stattdessen laufen wir später vor Redemptore  besagtem Commissario Beretta über den Weg .

Diesem Schauspieler-Typ ( soll heißen : Polizist , der aussieht wie ein Schauspieler , der einen Polizisten…) mit 7-Tage- Bart  ; er ist allein und schlendert die Promenade entlang , guckt auf die Uhr .

Vulpius spricht ihn an : War er nicht gestern auf dem Boot ?

Beretta ( so heißt  er nun endgültig und stellt sich vor )  lacht .

“ Ich weiß , der Tourismus –Dezernent würde mich gerne feuern wegen

so einem Bild , das die Gäste ja nicht kriegen sollen von la

Serenissima .”

Und dann :

“ Ach , Sie kennen San Michele ? Ja , ich muss da morgen nochmal hin , dienstlich . Die beiden erwachsenen Brüder Corelli haben die Vormundschaft für den Knaben von gestern . Und da muss ich ihnen  drohen mit Entzug dieser Autorisierung . Dann müsste Zappa in ein

Heim .”

“ Morgen ? Können Sie uns da nicht mal mitnehmen ? Wir sind sehr neugierige Hinter-die-Kulissen-Gucker ,” sagt Christiane .

“ Wir zahlen extra ,” sage ich . Beretta lacht .

 

Er erzählt dann , dass der junge Gefangene eigentlich nicht gefährlich sei , sich aber doch mit Zähnen , Klauen ,Tritten und Spucken gewehrt hätte gegen den Vorladungstermin .

” Zappa Corelli , einer von den drei Corelli-Brüdern .Er ist der jüngste und wildeste ; hat eigentlich keinen festen Wohnort . Prügelt sich auch

schon mal mit seinen Brüdern ; die wohnen auf der Insel . Wenn man Zappa gerade wieder sucht , ist er immerhin nicht selten auf San

Michele . Ausser nachts , wenn er sprayt . Er schwimmt  dann abends zurück .”

Immerhin : Tausend Meter mindestens durch den Lagunen-Kanal !

 

Graffitti : Der jüngere Bruder , hören wir jetzt vom Commissario , steht vielleicht am Anfang einer kriminellen Karriere : Terrorismus in seinen Anfängen , wer weiß . Zappa rennt mit der Graffitti-Dose durch die nächtliche Stadt , er hat mittlerweile Gefolge ; mehrere  Schmier-und Sprüh-Handschriften überlagern sich , besonders bisher am Bahnhof .

Graffitti haben etwas von Atemnot an sich , denke ich , hier nicht anders als in HH : Jeder aus dieser Artikulier-Mafia will noch schnell gehört bzw. gelesen werden ; nicht nur , weil gleich Commissario Beretta und die Seinen  um die Ecke kommen könnten : Nein , weil es morgen vielleicht niemanden mehr gibt , der lesen , sehen , aufmerken kann .

Weil es vielleicht auch keine Mauern mehr gibt ! Gibt es eigentlich genug Mauern auf der Welt ? Graffitti-Sprayer fordern : Baut mehr Mauern !”

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

Auf dem heimlichen Weg durch die Grachten .

Ich irre durch diese Scherbenstadt …Was ich mit ihr zusammen hätte sehen wollen …jetzt verscherbelt , sozusagen . Sonderangebote allenthalben !

Und : Sobald ich sie hier sähe , ihr begegnen mit Überraschungs-Schleuse  , kalte Hassmauer von Christiane , Erklärung dosiert an Beretta …dann wäre für alle alles vorbei .

Aber ich muss es ihr irgendwann doch sagen !

Wie ging noch diese Geschichte mit den zwei Erinnerungsscherben , die zueinander finden müssen ?

 

Venedig zeigt in seiner  repräsentativen Symbolik  seinen Stolz auf das Füllhorn und die offenen Arme für Flüchtlinge ; etwa in den Palastreliefs von vor 149o , kaum vorstellbar : Vor Kolumbus Entdeckung !

gebaut .

Und heute : Gibt es eine amerikanische `Save Venice Foundation ´. Das hat man nun davon .

Carpaccio ! Er malte angebrochene Welten : Soldaten, Höflinge, Heilige und Gondoliere werfen , tänzelnd aus der Hüfte heraus , `Huch , da bin ich ja in ein Bild geraten ´ , Blicke aus dem Bild heraus , als hätte es damals schon die Ablenkungen durch ein Telefonino gegeben ; heute sind die Strassen durch den allgemeinen Handy-Gebrauch angebröselt oder durch Berettas unrasiertes Kinn ( staubig , schon drei Tage trockene Sonne ). Ich ,alter Denkmlaschützer , vergleiche einmal die früher , vor zehn Jahren noch , gängigen öffentlichen Telefonzellen mit

( jawohl ) Duschkabinen. Außenstehende konnten wissen : Was hier passiert  ,ist rücksichtsvoll , mit gutem Grund , hygienisch abgetrennt, dezent .

Noch einmal zu Carpaccio : Der bietet in der Sammlung der Accademia sündige schlanke Jünglinge von hinten : Gondoliere mit Hüftknick  Hinterbacken zeigend ,  Bogenschützen , die gerade Jungfrauen morden. Ihre Gesichter sind wie versteinert , lautlose Maskenträger  im Traum . Erstarrt längs Häuserkanten und Schlote  gleich submarin nach oben strebenden  Algen . Carpaccios Gesichter greifen  einer Reihe ernüchterter Automatenfotos vor .

 

Hallo Marie Anne . Dir sagt der Name Schreckler und Knoch etwas ?

Die berühmte Waffenfabrik , genau . Mir der hast Du doch auch schon zu tun gehabt , oder ?

Ich vermute , es gibt da einen , nein , es gab da mal einen Briefwechsel , einen Daten-und Dokumentenaustausch . Biete neues Patent , nein , noch nicht offiziell angemeldet und vermarktet , Ihnen schon einmal vorweg angeboten ….Name des Erfinders tut nichts zur Sache . Ja , neuer Typus von Kleinfeuerwaffe …..

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ In der Serenissima werden die Ureinwohner viertelweise in die obersten Etagen getrieben “, sagt angeblich Beretta , der selber auf dem Festland in Maestre lebt . Da warten sie dann womöglich auf eine

Arche , die sie aus der Pestzeit ins Decamerone hereinrettet , denken

wir .

Venedig, die Stadt der Plastikohrmuscheln  und der Kunsttelefone in den Scuole und Museen ; genutzt von  deutscher Lehrerschaft und von  juvenilen Blonden aus Wisconsin ( reitend auf Kerosin , würde JOHANN reimen ).”

 

“Was ich vorher nicht bemerkt habe ,” notiert Marie Anne im Geiste ,

“ ist dieses chemisch-sterilisierende Gedunste um Christiane :

Wachte auf heute morgen , hatte Kopfschmerz , schnüffelte herum : Es roch nach Karbol , sehr hygienisch , wie `Intensivstation , aufs schlimmste vorbereitet ´.

Ich riss die Fenster auf , Blick auf Zatere , frische Wellen vor dem Fenster , immer irgendwie beruhigend der Anblick von Schuten , mit denen Handwerker Handwerkszeug und Baumaterial herumfahren : Das Einzige , was echt ist an Venedig ; na ja , im Sinne von : “Lebt “, irgendwie Fühler in die Zukunft ausstreckt – oder Altes aktiv erhält . Hallo Johann , alter und oberster Schützer der Denkmäler .

Ich drehte mich um , hatte den Geruch schon vergessen ; meine Gehirn-membranen fuhren wieder  gegen etwas , solide wie ein Autobahn-brückenpfeiler : Ein Geruch nach Moschus und Leichenschauhaus . Die Badezimmertür ging auf und Christiane lächelte mir entgegen . ` Willst Du ins Bad ?´

Kein Zweifel , der Geruch kam von irgendwas an ihr . Sie bemerkte mein Schnuppern . ` Stört Dich mein Nagellack-Entferner  ? Johann meinte immer , morgens tauchte ich auf wie aus einer Blocksberg-

Hexenküche .´

Ich verkniff mir die Bemerkung , mit dieser Tinktur werde weniger etwas entfernt ; das Ätzen deutete eher auf eine Einbalsamierung für die Ewigkeit hin .”

 

“Und dann “, skypt Marie Anne , “ fuhren wir doch noch mal auf die Friedhofsinsel , deren Bekanntheit ich hier voraussetze .

Beretta hält gerade einen Vortrag über Graffitti .

Kannst Du ihn hören , Johann ? Wo bist Du eigentlich ? Ich sehe Dich nicht mehr in Deinem Krankenzimmer ? “

 

Originalton Beretta : “ Abgeschrieben ! Würde vielleicht ein Lehrer

sagen ; alle diese Graffitti , die  in einem Parallel-Universum sicher originell wären ; diese Innenstadt-Kritzeleien , die vielleicht wer im

Schlaf ? als Schlafwandler ? gesprüht hat , vielleicht bevor man sich im Bett noch mal auf die andere Seite dreht . “

 

“In einem hinteren Winkel des Friedhofsgebäudes , neben der Intendantur ,  hörten wir eben das Geräusch einer Schleifmaschine …ich erzähle Dir den Rest später . Hier nur in Kürze : Zwei Brüder arbeiten

in dieser Nekropole zwischen Zypressen , Sonne , Besuchern und Seeluft  zusammen an Grabsteinen und Familiengruften mit allen Annehmlichkeiten ; der eine ist Bildhauer und Steinschleifer , solider Handwerker in Overalls .

Der andere ist etwas verrückter , kann aber eher noch besser leben von seinen Auftraggebern . Es gibt ja genug Ausländer , die sich ihren letzten Wunsch hier erfüllen .

Also : Stell Dir vor : Besagter Kunstschaffender erfindet absurde ….

na ja , jedenfallls sehr individuelle Grabinschriften , die er dann bei Auftrag eingraviert in die Tafeln seines Bruders .

 

Wir kommen an  ; es gibt  gerade einen Höllenlärm im Schuppen hinter der Pinienhecke . Beim ersten Besuch war uns das Gebäude gar nicht weiter aufgefallen . Der Lärm kommt von zwei Quellen , wie wir

gerade herausfinden . Die erste ist ein Schleifapparat , den ein Mann , so um die 30 , an einem Steinblock hin- und herschiebt . Du siehst ,  er hat einen durchsichtigen Plastikhelm an und eine Schürze , über und über staubbedeckt . Der Staub ist sogar unter der Helmklappe hindurch-gekommen und hat sich weiß auf den schwarzen Bart gelegt .

“ Das ist Beppo , der älteste ,” schreit uns Beretta ins Ohr .

“ Da er sowieso nie spricht , macht ihm auch der Lärm nichts aus .”

Wir versuchen , einige Entfernung zwischen uns und den Skulpteur zu legen ; kommen somit in Reichweite der zweiten Lärmquelle  .

Dabei handelt es sich , wie sich herausstellt , um einen Ehestreit . Zwischen Amadeo , dem mittleren der Brüder , und Marga , seiner Frau .

Sie hat dabei die ausführlicheren Redeparts  , schrill , gelegentlich schluchzend ; er ist dann in seinen kurz gebellten Antworten  nicht weniger laut , und jetzt schüttelt er sie gerade am Arm . Sie reisst sich los und läuft aus der Werkstatt heraus .

Amadeo sieht uns , zuckt die Schultern , macht eine wegwerfende Bewegung hinter Marga her und winkt uns , wir sollten raus in die Sonne gehen , um uns unterhalten zu können .

Beretta sagt  , sobald wir wieder etwas artikulieren konnten :

” Amadeo ist immerhin verheiratet  . Er behauptet immer , die meisten seiner Grabschriften stammten aus – er nennt es – Inspirationen -, die ihm der permanente Streit mit Marga frei Haus liefert .”

 

Hier , lieber Johann , alter Fan von Skurrilitäten ,  nur ein paar wenige , die mir aufgefallen sind ; Amadeo zeigt mir einen sehr professionell gestalteten Katalog . Beretta wird übersetzen .

 

 

In diesem Leben

bin ich nicht vorgekommen ,

sagte der Loser .

 

( Der Arme !  sage ich )

 

 

oder so :

 

Nachmittagslicht , wie

Du die Fernen öffnest , wie

in Anerkennung …..

 

Ich blättere weiter im Hochglanz-Werbekatalog , echt schön gemacht , findest Du nicht ?  und finde auch etwas aus  der philosophischen Schublade :

 

 

Was so an Zeit in

einen Menschen hineingeht !

Verpackungskünstler !

 

 

Na , einige Auftraggeber scheinen aber auch ein gutes Leben gehabt zu haben :

 

 

Am Nullpunkt  bestrumpf-

ter Damenbeine ist es ….(

das Gleichheitszeichen ) .

 

Existenzialisten :

Vielleicht für Frühverstorbene ? Ungeduldige ? :

 

Auch die hier haben mir gefallen ( schade , dass ich Dir kein eins zu eins Foto schicken kann ; da war Amadeo pingelig ; schreibe Dir also fast aus dem Gedächtnis ) :

 

Ferne …mein Auge

feiert : nicht : Fernes , eher

mein fern sein wollen .

 

 

Das ließ mich an Dich und Deine vereitelte Reise denken , lieber

Johann !

 

Du hättest es fast

vergessen ? Ist nicht weiter

schlimm , tröstet der Tod .

 

 

Das hier wäre doch was für Dich undoder Christiane ?

 

 

Manche heiraten

um dem Schicksal zu zeigen :

ihnen fällt was ein ! “

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

Der Friedhof : Ja , ich war jetzt auch da  .Dieses Ungreifbare , unter Pinien in Seeluft ; auf hartem Stein eingemeißelt Namen , ein Bild , Lächeln , damals ,  vor dem Fotografen in zerstreuter Zeit . All diese Kraftlosigkeiten , diese spurlos geschmolzenen Schneebälle .

Strohhalm-Süchtige ! Nach je ihrem Strohhalm hangelnd , der ihnen einen damaligen/jetzigen/künftigen Daseinsgrund zu geben verspricht . Pinien rühren unter Seewind im Himmel .

 

Marie Anne meldet sich am gleichen Tag wieder ( was mag sie alles erlebt haben ? Und Christiane ? Von der hört man nichts ! ) :

 

A wie Arche ( ich systematisiere ) :

Die Lagunenwasser sommerlich riechend , wie eine etwas müde  erkaltende Hühnersuppe .

 

Allegorie : Eros

Frau trägt  T-Shirt , auf beiden lüstern betonten Brustpartien je eine schwarze Hand abgedruckt nebst  Inschrift : Don´t touch . Da haben die Männer auch erstmal was zu tun ( das zu verstehen !) .

Hängebusen Anderer wie  Fender , die stoßdämpfenden Reifen an Vaporetto-Flanken .

 

Allegorie : Menschenfischer

Handies sorgen für halbierte Menschen , halbierte Gespräche , zwei Jünglinge hintereinander mit Handie : Das macht Viertel , gevierteilt ,

gerädert , öffentlich . Sie laufen sozusagen über den Campo wie geköpfte Hühner .

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Vulpius ist seit Ankunft hier durchaus wortkarger geworden ; eine Art Spannung , in der sie den Tag angeht , eine Spur koffein-getränkter Wachheit und Augen-Schweifen-Lassen ; selten , dass sie einmal locker temperamentvoll losplaudert oder prustet oder flucht .

Was sich auf meine Stimmung , wie ich merke , überträgt ….da , wo sie sich zurücknimmt und …wartet ? denke ich mir einen unsichtbaren Mitreisenden dazu . Oder ist es mein schlechtes Gewissen , angesichts der Umstände , wie ich zu der Ehre kam ? Man lauert so vor sich hin .

Und hier die noch diese Grabsprüche ( Beretta übersetzt ganz locker ):

 

Erfolglosigkeit :

Leicht unterschätzt als Wahrer

der Differenzen .

 

 

( Erzählerischer

Rahmen ): Füllen Sie nur das

Angekreuzte aus .

 

Du fragst , lieber Bruder , was ich so schreibe ? Nun ….wenn ich einfach mal von Christianes Lotterbett auf die Calle und wieder zurück

schaue : ( Sie hat einen Top mit Rüschen auf dem Bett ausgelegt ) .

Sozusagen an der Renaissance geschult ….. analysieren wir den Trick

( ich stehe ja auf Erfindungen !) mit der Spitze : Feminine

Verniedlichung , aus angeblicher Schwäche – nein wie zerbrechlich ! -durch einfache Ästhetik : Subtile Stärke durch einfaches : Locken !

( hier , der Spitzenbesatz eines Décolletés , eine Sache für Fingerkuppen , Blindenschrift sozusagen für Sehende  ), Schichten schimmern dahinter ,  die Treppe zur Haut : Wie Rauhreif am Winter-fenster , sagte mir mal ein  Erotomane ….ich glaube , er hieß JOHANN

oder so !”

 

Marie Anne schreibt dann an ihren Bruder in einer längeren Mail :

“Ich dachte an Johanns Geschmachte am Morgen vor unserem Abflug:

` Dich treffen ist wie …ins Sprechzimmer eintreten , mit Aussicht mindestens auf freundliches Gehör . Anders als in so einer Ehe mit ….egalwem , wenn alle Masken abgenommen sind ; mit Dir gibt es wieder die Bühne , jedes Wort kann FÜR Dich verwendet werden , wir sind alle Schauspieler , Spieler eben ; esse est percipi . Wir tauschen Masken-Kommentare aus ….wenn man sich nicht gerade küsst ,

umarmt , unkeusch umkeucht . Das Gespräch mit Dir bietet nicht nur die Gnade von Zuhören und Kommentiertwerden ; es stimuliert auch , ist eine Nachfrage nach meiner Weltsicht . Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder ….die Welt in Unschuld ! Kinderzimmermodus ! `Sei nicht

kindisch !´ sagt da die gestrenge Ehefrau , die natürlich auch alles zu verlieren hat , während unsereins alles zu gewinnen hat .Wir sind erstaunt , was man sich alles erzählen kann .  Verliebt sein – sorry , besser geht es nicht : Verliebt sein ist unschuldig sein . ´

 

Ach , hier noch eine Grabinschrift zum Abschied von der Toten-Insel :

 

`Glück im Unglück´: Du

interessierst das Böse

nicht wirklich genug . “

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

`A´ wie Erschaffung der Welt :

Sie waren also in Torcello , in den Lagunenfeldern am Rande der Welt ; eine Tischkante im Nebel , das letzte Haus wartet auf eine Fähre , Hühner krähen , warten auf Fähre oder Hochwasser , auf Pferde , auf Sturm .

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Hallo JOHANN ! Wo wir nicht mehr skypen : Rede ich auf Deinen Anrufbeantworter . Wo zum Teufel bist Du eigentlich ? Sogar Christiane ist besorgt ( sagt sie ) . Und wie gehts ? Und das Essen im Kranken-haus ?

Haha . Musste daran denken :  Ich weiß , Du erträgst nie un-

kommentiert , das wäre hier in Canareggio nicht anders, wie sagst Du ? die Brutalität großer Lebensmitteleinkäufe fremder Leute : Und noch zwei Tüten mit Bohnen , auf jeden Fall Fenchel , nein nicht den , den da drüben , und Lorbeerblätter , so genau will man es gar nicht wissen , und auf jeden Fall , aber natürlich doch Knoblauch , am Kunden-Fliessband vor dem anderen Supermarkt der Stadt auf Zatere .

 

A propos ,armer JOHANN : Sag schon : Wie gehts Dir heute ?”

 

Immer noch Channel 1 : Marie Anne  :

 

 

Am gleichen Tag :

“ Ach übrigens : Woher , Beretta , sprechen Sie eigentlich so gut Deutsch ?” fragt Christiane nebenher . Sie fragt , was ich die ganze Zeit schon wissen wollte .

“ Komme aus Südtirol . Wurde hierher strafversetzt ..”

“ Wie bitte ?”

“ Ich weigerte mich , an obligatorischen Schwimmkursen teilzunehmen . Hatte eine Phobie vor Wasser . Und einmal , da ging es drum , den Bademeister in der Schwimmschule zu verhaften , wegen Mord

übrigens . Das war eine spannende Angelegenheit …sehr gesellschaftskritisch übrigens .Der Schwimmmeister ist also ein Auftragskiller , nebenher , und als er seinem letzten Opfer die Pistole mit Schalldämpfer an die Schläfe setzt , sagt der Mörder :`Sie müssen verstehen , ich hatte eine schwierige Kindheit ´…

Na , wenn das mal nicht politisch unkorrekt ist ….

Also . Ich konnte ihn natürlich nicht daran hindern , in den Aussenbereich der Halle zu schwimmen und dann in Badehose abzuhauen .

Und da war Venedig doch eine Strafe ! Wasser überall , nirgends Autos , Kanäle , Lagune …..Eine bracchiale Kur …, na ja , gut ,  ein befreundeter Polizeidezernent hat mich von der Wasserschutzpolizei eben hierhin umgeleitet . Für zwei Jahre . Beziehungen , italienisch und so. Und hier gibt es ja mancherlei Kompensationsmöglichkeit und Trost ,” lacht er Christiane an .

 

Irgendwie passt Du ( sie duzten sich schon ? ! ) nicht  zu den Holz-schnittkrimis vom Bildschirm zuhause , sagt diese .

Berettas Boot setzte uns an einem Kai drei Blöcke vom Hotel entfernt ab

und setzte seine Fahrt  rapide mit viel Heckschraubengischt fort , Richtung anderer Einsatzort am Hafen .

Christiane und ich schlenderten zunächst , nach guter Mahlzeit und einigen Gläsern Wein ( einmal mehr  zuviel )  , die breitere Calle

entlang , wollten abkürzen , verliefen uns und wurden von einm Wolkenbruch überrascht ; stellten uns unter in einem Sottoportegio und kamen endlich ziemlich durchnässt zum Hotel .

Waren aber guter Laune , lagen nebeneinander auf dem Bett ,

Christiane , die Herzspezialistin , rauchte und sendete Kringel an die Zimmerdecke .

“ Nein , Beretta erinnert nicht wirklich an diesen Schauspieler Ohnesorg , der hier in Venedig immer den Oberaufräumer spielt ,” meinte ich .

“ Apropos Schauspieler , “ sagte Christiane . “ Manchmal überraschen einen die harmlosesten Leute als unerwartet gute Schauspieler . Nehmen wir Johann .”

“ Wie ?”

“ Ja . Er hat , anders gesagt , DU hast ihn doch zu schauspielerischen Höchstleistungen gebracht . Wie er Dir den kultiviert-distanzierten Tango-und Ausgehpartner vorspielte , mir den loyalen Lebensabschnittspartner  …”

“ Jetzt sage nur noch , dass er im Krankenhaus das schwerverletzte Unfallopfer spielt ..” lachte ich .

In der Nacht hatte ich einen ulkigen Traum , hatte auch mit Schauspielern zu tun . Ich fuhr im Hotelaufzug mit einem so richtig unangenehmen Mann , den ich aber schon mal irgendwo gesehen

hatte . Ach ja , das war der Inspektor Lobesam , hässlich , intrigant , dumm , bestimmt auch mit Mundgeruch . Merkspruch : Nicht jeder , der einen alten Trenchcoat trägt , ist ein Columbo .

Er sieht also ,  dass ich ihn ansehe , fängt an zu winseln und sagt :

“Nein ! Ich bin nicht  der , für den Sie mich halten ; ich bin Schauspieler und kriege immer diese Fieslings-Rollen , auch neulich wieder in diesem Film `Die Qualle ´. SIE können sich nicht vorstellen , wie das ist , wenn man nur Leuten begegnet , die meinen einen zu kennen , und zwar als Qualle .”

Der Aufzug fuhr gaaaanz langsam und ich hatte Angst , mit diesem Individuum zwischen zwei Etagen stecken zu bleiben. Ich fragte ihn

also , um die Zeit umzukriegen , was er in Venedig machte , und er

sagte , er führe zu der alten Pestinsel in der Lagune .

“ Wissen Sie , wer da heute lebt ? Lauter Darsteller von fiesen Typen in Horror-Fimen . Die wollen nicht unter normalen Leuten immer wieder die Aussätzigen sein , und wollen endlich mal abschalten . Oder abgeschaltet werden .”

Beim Wort `abschalten ´ging das Licht im Aufzug aus und ich fuhr hoch aus einem wirklich miesen Traum .”

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

Am Sonntag im Ospedaletto : Ein Konzert für eine Orgel und eine

imaginäre Eiskunstlauf- Prinzessin ; Barockwerke  für lockeres Girlandenhängen , und besoffen stürzen die Putten  durch  Sog über Stadtlandschaft .

 

Accademia , in der : Nicht zuendekommende , durchgereichte Themen . Die Gondoliere draussen und drinnen an den Museumswänden haben im Boots-Heck einen kurzen Teppich , auf dem sie auslaufen können , nach einer Art Choreographie anscheinend  figürlich vorgeschrieben auslaufen müssen . Gondoliere-Ikonen mit sanftem , kurzem , entschlossenem Anschlag , manchmal nur durch ein Rühren in einem Zaubertrank , dann zwei abwiegelnde Schritte auf dem Teppich ; gondolierengnädig ; sargschlanke schwarze Boote in Blumenschmuck , der mich an den Ganges erinnert .

 

Die Lagunenstadt …schon in Deutschland  gab es ein Methadon-programm für mich  , um Marie Anne aus dem Bild zu drängen . Dieser

Canaletto-Szenerie könnte das Gleiche gelingen….auch wenn die zu Verdrängende just gerade hier verweilt und mir um die nächste Ecke entgegenkommen könnte . Wieviel Seitenwechsel , Verdrängung , Ablenkung bekommt einem Menschen ? Sie fragen den Richtigen , verehrtes Publikum .

 

Scherbenstadt. Puzzle-Teile . Sie sieht dies , er sieht das . Die Stadt zerlegt in Ansichtskartenmotive ; um die Ecke biegen und ein neues Zuckerschlecken , einen anderen Lichtsplitter von Aladdins Wunderlampe . Die Serenissima als Disko-Decken-Flimmer-Kugel . Alles dreht sich .

 

Über das Sims von St.Stae ragt , wenn Sie einmal hier herüber treten ,

sooooooooo , aus dieser Perspektive , ja , würden Sies sehen , eine Riesenfaust , einsam wie in einem surrealistischen Bild von Chirico. Barockkirchen mit ihrer Präsenz-Personalversammlung auf dem Dach , es fehlt nur das Springtuch unten  ; auch gemahnen sie an  ( warum ?) still liegendes Kinderkarussel  .

 

Apropos Kinder :

Sie lümmeln nervig fremdbleibend über die Museen-Etagen . Was kann man ihrem Unverstand sagen ? Wir müssen sie anlügen . Hier gibts keine Action . Erwachsenen müsste Schamröte im Gesicht stehen , wenn wir ihnen eingestehen , dass der Nachwuchs noch weiter weg von V. leben wird als wir . Jeder Tourist  ein Zeremonienmeister . Weisheit : Die Zeit an nichts hindern, keine Reservoirs anlegen, aber auch keine Stromschnellen anerkennen .

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Als Beretta  sich verabschiedet hatte ( `für heute ´!), sagte Marie Anne ihrer Zimmer-Genossin  auf den Kopf zu , es sei wohl eine Art ` bestellte Liebe ´, sozusagen per Lieferservice . `Sag nicht auf den ersten Blick ´,

lästert sie allwissend .

Nein , sie sagt was von `Risikobereitschaft ´ . Christiane überlegte . Immerhin bestritt sie keine Sekunde , dass es tatsächlich heiß war . Oder so .

“ Nein …wer fällt schon so gleich als Ganzes in so einen Abgrund .

Plumps und weg . Nein …es ist wohl so , ( bei Dir nicht ?) dass man oder frau erstmal 50% so eines Ersteindrucks von einem Gegenüber als irgendwie unerwartet angenehm empfindet . Für diesen vielleicht beschissenen oder gleichgültigen Tag gar nicht so schlecht . Und danach , bei weiterem Treff , Zufall oder nicht …zum Dazuklappen ! kleine Dosis von Angebot , dann vielleicht auch Nachfrage ; kleine erzählerische Details  ( `was sagt denn Ihre Familie  dazu ?´)”.

Christiane lachte .

” Und dann : Nächstes Stadium : Wissen WOLLEN . Dann : Entdecken  !

Ausrufungszeichen ! Jubeln ! Hab ich mirs doch gedacht ! War ja auch überfällig ! Habe gerade ein date mit der Geschichte ….

In die Arme genommen werden  von der Großfamilie der Heim-Mannschaft , vor  gedachtem Publikum : Seht bitte alle zu ! Wie findet Ihr uns .., wie findet Ihr MICH ? “

 

“ Kann ich heute nachmittag das Zimmer für mich haben “ fragt Christiane dementsprechend nicht , sondern meldet an . Ihren Anspruch auf .

Und natürlich  , nach erstem : Aha! ,  fallen mir sofort alle Arten von Ausflügen ein , die ich sogar viel lieber ohne sie mache .

“ So zwischen 2 und 5 ?”

Bin aber doch schon einigermaßen sprachlos ob der zielbewussten Klarheit in ihrer Stimme und Haltung .

 

Und dann , schreibt Marie Anne ,  fuhren wir doch noch mal auf die Friedhofsinsel .

“ Mir fällt ein , was Amadeo , der Grabstein-Dichter , noch erzählte , als wir ihm von unserem Besucherpflichtprogramm durch die hiesigen Museen erzählten :

Stell Dir einfach vor : Als einmal die Leute vom Mars in Italien landeten , sagte ihnen ein Eingeborener : Wollt Ihr wirklich schöne Erdenbürger sehen , ab ! in einen  der hiesigen Kunstpaläste .

Und die Marsmenschen , brav  , in der Academia angekommen , nunmehr  wirklich verwirrt , nicht wissend , wer denn jetzt gemeint sei : Die Leute im Bilderrahmen an der Wand oder die davor ?

 

Jetzt ein Loblied auf die Insel Giudecca .Einst Judenghetto , gegenwärtig ist es wie umgestülpt : Alle wollen hin .

Christiane lag noch auf dem Bett , als ich zurück kam .

“ Warum ist es so kalt hier ?” frage ich und schliesse schon als Antwort die Fenster , die Chr. nach Weggehen Berettas geöffnet hat .

Christiane räkelt sich .

“ Vielleicht…. weil Beretta beim Ficken so gefurzt hat ?”

 

Am Tablet :

“Hallo JOHANN ! Ich  schicke Dir ein paar Eindrücke vom Museum :

Im Vorgriff auf die Biennale im nächsten Sommer sind einige Pavillons schon bevölkert und belebt . Unter anderen auch der finnische

Bungalow .

Beretta erklärt uns auf dem Hinweg , dort habe der verrückte Künstler Arvo Bohuslänen seinen Wohnsitz genommen .

Und wir glauben , dass Zappa sich da eingeschlichen hat , sagte der Commissario .  Oder Exil gefunden  . Auf San Michele ist er jedenfalls seit drei Tagen nicht mehr gesehen worden .

Vom Anleger führt ein schmaler Kiesweg auf die leichte Anhöhe , wo sich der hölzerne Pavillon  dieses Avantgardisten aus Turku befindet .

Sie sind Patentanwältin ?! fragt dann der Künstler wie hingerissen .

Er  leidet sichtbar unter Multipler Sklerose , seine Hand zittert ; ein Mann in den späten 50ern , beleibt , Hängebacken und starke Brille ; er hat  Wortfindungsschwierigkeiten und man möchte ihm unwillkürlich beim Basteln seiner Sätze helfen .

Als Patentanwältin haben Sie es doch sicher oft zu tun mit ausgefallenen Ideen ? Wie viele der Ihnen angebotenen Neuerungen sind denn nur einfach verrückt  und wie viele sind realisierbar ?

Das hatte Beretta gestern auch schon gefragt .

Ich antwortete auseinanderlegend  und ausführlich .

Kommen Sie mit in mein Atelier , lud er daraufhin unsere Gruppe ein . Nein , Zappa kenne er nicht , aber seine Sprüher-Aktionen fände er schon sehr sympathisch .

Der Weg in sein Studio war alle fünf Meter gesäumt mit kleinen Schaubildern und Warn-Inschriften , nicht etwa :`Betreten des Rasens verboten ´oder ähnlich lautend ; vielmehr zeigte es Pictogramme von

Gläsern , Karaffen , Glühbirnen , lauter Fragiles an einer Tischkante plaziert , rot dann durchgestrichen und unterschrieben  `e periculoso sporgersi ´ .

Diese Aktion gab es letztes Jahr . Mein Gehilfe war dabei federführend. Und sie konnte leider auch noch missverstanden werden ; irgendsoein

situationistisches Wichtigtun : Als ob es darum gegangen wäre , Zerbrechlichkeit zu demonstrieren ! What a nonsense !

Bohuslänen schnaufte wieder . Beretta hatte sich eine Zigarette angezündet und warf das Streichholz in einen Container .

Caro mio ! Nein ! Was tun Sie da !

Der Artista war entsetzt , fasste sich an die Brust , wir fürchteten , er erlitte gerade einen Anfall .

Schonen Sie sie , schonen Sie die Schwerkraft ! Strapazieren Sie , nutzen sie die Gravitation nach Möglichkeit nicht , oder nur schonend . Wer weiss,wie viel von der Erdanziehung uns noch bleibt ! Wenn jeder von uns Erdenbürgern …ich habe gerade gesehen , fuhr er an Christiane gewendet fort , wie ihnen beinahe  ihreTasche  von der Schulter gerutscht wäre . Oh was wäre das für eine Verschwendung gewesen ! jammerte der Finne .

Nein , nein ! nicht wegen irgend eines Verlustes von Ausweis und Geldbörse oder Handy . Nein , wieder wäre so etwas von der wertvollen Schwerkraft verbraucht worden . Bürger , rettet Eure Schwerkraft ! Geht sparsam um mit der Erdanziehungskraft ! Jede Nutzung der Gravitation wird die Wahrscheinlichkeit größer machen , dass wir alle eines Tages orientierungslos und ohne Halt durch den Weltraum schwirren !

Jetzt erinnerte ich mich wieder : In Murano , bei der Glasbläserei , hatte es diese Installation gegeben : Eine Lawine von farbigen kleinen Glasscherben war  aus dem ersten Stockwerk des Museums über den Kai bis in das Kanalbecken ausgegossen worden  :

 

`Gravitatione e Fragilidad´

 

oder so ähnlich war  der Titel der Exposition .

Und …ihre Erfahrung mit verrückten Patenten ? Oder Ideen ?  kam Bohuslänen auf seine erste Frage zurück , als ob ich sie noch nicht beantwortet hätte .”

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

Gestern auf dem Fischmarkt :

Gartengerüche , Teppiche zwischen den Kühltruhen , Steinlaken am Boden wie von steinerner Leine . Fischskelette und – friedhöfe gleich Brennholzstapeln , manchmal sogar noch krabbelnd , Völlerei im Gedankenspiel und auf Kochrezept ; danach noch den jetzt gelangweilt guckenden  Hund Gassi führen .

Kompetente schabende schlitzende teilende Messer , viele auf Eis sortierte  Familien , rot , rund, ungläubig erstarrte nachdenkliche abwesende Knopfaugen: Fische flach gebreitet , Schindeln , beschreibbar , Krebse und Schalentiere die Kalklieferanten , ( verkalkt alles : In der Assuntakirche die Altarsäulen wie Korkenzieher gedreht , das Ganze in einem Kachelbad ) Zähne und Autofriedhofs-Teile ; viele Fischverkäufer tragen Intellektuellenbrillen , tauchen hinter Zeltleinwand auf gleich einer Art Laborverschlägen ; einkaufende Damen intim vorgeneigt wie vor Juwelenauslagen .

Messer teilen die Welt  und schaffen beiseite , finden die Gallenblase und scheuern Schuppen ins Abseits , ein Pfund hiervon und drei von denen , hiesiges  Kaufen wie eine Mosaikrekonstruktion , zwei von denen , damit die Waage sich nicht neigt  , und mit der Gondel zurück .

 

  1. ist wie eine geglückte Reparatur . Die Machtergreifung der Kunst , die Zuständigkeitserklärung der Kunst an die Welt , das war mir am ersten Tag hier klar .

Wie sagte Marie Anne ?` Ach alter JOHANN , der Du der große Städte-und Denkmals-Erhalter bist !´

Als hätte es Kitsch nie gegeben , werde es niemals geben , darum bräuchte ich fürderhin nimmer besorgt mehr zu sein .

Hier ist der Künstler vor Ort , direkt geschaltet .

 

Allegorie : Christus im Sturm

Der Vaporetto wiegt sich an den Anleger heran .

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Drei Leute in dieser Warteschlange werfen unabhängig von einander ihre Handies aus.

Über ihnen kreist vergleichsweise ortsgebunden eine Fliege . Ein Alter vor mir hat Schuppen am Kragen . Beim Aussteigen aus dem Vaporetto sind wir wie aus einem fruchtbaren Schoß geboren . Die Pest von 1348

und folgende sah mit  meinen Augen .

Du bist wirklich schwer zu begeistern ! moniert Christiane .

Um uns herum gurren die Hiesigen  und die hiesigen Tauben : Ciau-gau-mau -tau .

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

  1. ist ein Reliquar . In die Stadt hinein gestochen : Türme . Reich ist , wer an den Wechselmöglichkeiten z.B. dieser Stadt teilnimmt .

Wer kein Geld besitzt , hat vielleicht Zeit , nein ? dann  vielleicht die besseren Augen oder  keine Kopfschmerzen .Wir schicken die Schiffe , wir sind die Gewürzhändler .

 

Venedig ! :

Wallfahrtsort wie Mekka . Mindestens einmal im Leben dahin ! Wie in einem Höllensturz dann die-  woherwohin- beliebig transportablen Menschenmassen vor San Marco .

 

Haltestellen sind ( hier wie anderswo ) das Aufregendste : Wie Kokain ! Wir sind noch gar nicht da  ! Die Unschuld des Noch-Nicht-Getanen , somit Haltestellen auch der Vaporettos immer die Tempel großer Kindheit .

 

Erdgeschoss , wo heute gerade die Geschäftsinhaber das Wasser wegschrubben  ; die oberen Hausetagen verfallen oder sind den Familien vorbehalten , die dort verschanzt leben .

 

Ins Hotelfenster grüßen Hundertwassers Dachlandschaften über Bruchbuden ( abblätternder Putz , schiefe Schornsteine wie schiefgelacht in mildem Hohn  ) .

 

Der Künstler verzweifelt am Mischungsverhältnis . Der Künstler stellt im Gelingensfall das richtige Mischungsverhältnis her .

Ähnlich stehen auf der Kippe hier : Die Gerüche . Da wo die Putzfrau zweifellos gewissenhaft gearbeitet hat und WAS man riecht also Sauberkeit ist ( Treppenhaus z.B. ) , erinnert diese Art der Reinheit an  den Drahtseilakt  gewaschener Laken  zwischen ` getrocknet ´ ( und Frische verbreitend) und feucht , also ein wenig modrig ( wie nach Überschreitung der Haltbarkeit )  riechend .Venedigspezifisch .

Und überhaupt : Der  zuhause prekariatsgemäß untergebrachte Künstler

( so hat Marie Anne vielleicht mein Studio empfunden , ohne viel zu meckern oder es sich anmerken zu lassen , zuhause in HH ) liebt dann an V . das Nachlässige und Unschamhafte im Verfall  . Sperrmüll wird hier noch lange nicht einfach auf die Strasse gesetzt , fungiert vielmehr im dritten Stock in der Küche . Ich liebe es .

 

3 Russinnen ! Da hat man was Paradiesisches ; sie geben mit ihren sandfarbenen Mentalitäten und Dermatologien  dem Eros etwas  Erdiges zurück .

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Kein Schweigen bitte , wir sind Deutsche : Wir erklären uns gegenseitig und unsere Kindheit für beendet .

Ausgerechnet nach dieser Bemerkung fragt Christiane :  Fühlst Du Dich

denn hier überhaupt nicht wohl ? Liegt es an mir und Beretta ?

An JOHANN ? Hättest Du den wirklich gerne hier ?

Nach diesem Satz , beim Schlendern über die Riva , sagt sie noch :

Du machst so eine Art …..Auslandsbesichtigung aus unserer Fahrt .

Motto : Alles ganz schön , aber . Kann es sein , dass die Abwesenheit von Johann Dir einen Schatten in unseren Aufenthalt hier einspielt ?

 

Ich denke an die Sintflut , sage ich als unpassende Antwort – und erkläre mich Christiane nicht weiter .

 

Zu- gleich !

Zu- gleich!

Zu- gleich !

Christiane ( das teilt Marie Anne nicht per Skype mit ) liegt frühmorgens an mich gekuschelt , unsere jeweils linke Körperhälfte auf- und untereinander ; mein Arm ausgebreitet unter ihrem Gesicht und Haar , mein Arm wie am Kreuz ausgestreckt , nein , nicht Hilfe suchend . Ich bin wach , sie schläft , ihr Atem beruhigt zu-gleich zu-gleich etc , hält einen Rhythmus ein wie ein Boots-Bug  , der regelmäßig im Rhythmus von Rudertakten auf dem Wasser aufsetzt , das Wasser teilt ; mit dem nächsten Ruderschlag erhebt sich unser Kahn wieder wie zu einem kleinen Abflug ( ich übertreibe ) .

Zu-gleich zu-gleich : Ich schließe die Augen und sehe begleitend zu Christianes Atmen eine Kaimauer an einem der Rios an mir vorüberziehen , Häuser auf dem Weg frühmorgens . Wir unterqueren eine Brücke .

Venedig frühmorgens hat Zeit ; ist das nicht die größte Belohnung , die egal wer verdienter- oder unverdienterweise genießen kann ?

Christiane liegt  an mich angekuschelt , hat ein sicherlich unnötiges Aufpassen an mich delegiert , als ob wir eine weite Reise  zueinander angetreten hätten und alles ist Friede . Soso .”

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

Eros : Oh V. ,  Stadt von Marmor und Brüsten , ich lechze nach Marmor , Motte in jenes lechzende Licht . Aber  sie sollten immer bekleidet sein , ich verstehe prüde Neuengländer , letztlich die kompetenteren Erotomanen ,  mein Meisselblick auf Marmor und Schachfiguren .

Man (!) trägt BHs wie kugelsichere Westen .

Die Hochzeit von Kanaa und hiesige Gastronomien . Die Gäste mit den überall aufgeklappten Blicken .

 

Menschenfischer .

Wie von istrischem Stein : 4 Urlaubsmacher und Bildungsreisende , abgehärtete Osteuropäer  , lassen sich 2 Wochen in 2 Zimmer sperren .  Neben mich auf die Bank setzt sich die Tablettenschluckerin . Marmor  wirft Schatten , wirkt wie Elfenbein , ergo  Elefantenfriedhof , Venedig das Beinhaus .

Aber vielleicht der Anblick der Boote , flach aufliegend, symmetrisch schaukelnd , so oft HER wie HIN , liess sie , Mann und Frau , wieder zueinander finden , er oder sie streckte unweigerlich die Hand aus in diesem giftigen Orangeriewetter , draussen sonnig kalt , hinter der Scheibe schwer erträglich heiss . Wassertaxis wie elegante Herren-Sommerhalbschuhe , braun .

 

Gestanzte blecherne Heiligenscheine in der Gotikabteilung der Accademia , erste Hälfte Quadrocento , nochbyzantinisch . Blindenschriftpunkte darauf . V. : Die Stadt , in der Carpaccio die Hinterpartien entdeckte , die gültig blieben bis in unsere Tage hin : Immerfort Gesäße .

 

Eine so kleine Stadt , abends wie Tombstone City ausgestorben ; aber irgendwer läutet dann um halb sieben doch noch die Glocken ; eine so kleine Stadt , und alle Flughäfen der Welt  ( ` gebenedeit unter den Flughäfen der Welt ´ ) von Milwaukee bis Magnitogorsk  haben sie  vielleicht im Griff , jedenfalls im Flugplan ; die  humorlose  Perfektion ihrer Abfertigungshallen auf diese Stadt ausgerichtet : Schaut auf diese

Stadt ; Startbahnen der Welt , richtet Euch aus gen Venedig .

In hoc signo vinces : Digitalkamera knapp über Kopfhöhe , Banner tragen ; was entfernt  schönheitsverdächtig ist : Bannen und  mit  Hydrakopf in die Fremde reisen .  Die Psychologie des  Fotografierens   schenkt uns massenhaft  die Verschiebung auf  `später´ : JETZT geht mir ja nichts verloren , erst mal hamstern , später werden wir unsere Unsterblichkeit  ( Sie wissen schon , die in den Altersheimen ) mit den bevorrateten Bildern weniger langweilig machen  : Wenn/falls wir mal immobil sind .

 

Heute : Ein Regentag in Venedig . Kein Schlendern mehr , die Menschen trotten . Jeder wie auf Befehl , es gibt nur noch ein fremdbestimmtes Vorwärts unter Regenschirm .  Mein Ziel ist nicht Dein Ziel , mein Ziel geht niemanden was an . Ich muss mich jetzt zusammennehmen , wenn ich nicht auf mich aufpasse tut es keiner . Eine Frau in Kapuze , links hält sie den Schirm , rechts die Hundeleine ; ihr Zwergboxer weiß noch nicht wo .

Ja, meine Rippe tut auch noch weh .

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teil 4

Divan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“Wir überlegen im Frühstückssaal : Vielleicht heute nochmal die Friedhofsinsel ?

Würde doch passen .

Nach schlafloser Nacht !

( die folgenden Zweizeiler verdanken sich einer anhaltenden Schlafstörung und Dämmerzuständen ; immer der Versuch einer Reimfindung ; anschließend dann der Versuch , die Reimpaare nicht zu vergessen , irgendwie wie eine Fischreuse Erinnerungsfetzen des Tages darin zu ordnen ;  macht JOHANN das auch so bei seinen erotischen Gedichten ? )

Hier also :

 

Ich bauche meine Hand um ein Jahr

wo war ich nicht überall,  dieses Jahr

 

ich bauche meine Hand um Porzellan

bitter verlacht ! fühlen sich Scherben an

 

ich lege meine Hand nicht an Dein Gesicht

und Dein Gesicht findet mich nicht

 

In dieser Religionsstifternacht

im Hilton wird nirgends ein Fenster aufgemacht

 

weil sich hier kein Blick öffnen lässt

ist der Anfang auch schon wie ein Rest

 

in der Stadt die mit Erlösung dealt

mit Sinnfindung ( klar doch ! ) Menschen abfüllt

 

Du hast keine Zeit für Deinen Eunuch ?

bin abwaschbar , eben :  Besuch

 

hier kommt alles Reisen vorbei

mit Katerstimmung nachts um drei

 

eine Stadt , wie gesagt , wie Abfüllbetrieb

mit unglaublich schillernden Maschen im Sieb….. “

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

Stadt der Masken ,  Stadt also auch der Kartenspielenden  ; ich halte auf meiner Seite der Spielkarte  meine Info  geheim , auf dass  sie Dich umso intensiver trifft , betrifft , erreicht ; Kartenspiel ( wir passieren gerade das Casino ) als von- mir- zu- Dir , mach was draus wenn Du kannst ….

 

Beispiel : Ein Liebespaar  !  Ach ja .

Hier in der Trattoria .Gut für sie , dass es so eng und so laut ist , echte

Italiener um sie herum  .

„ Wann hast Du es zuerst gemerkt ?“ ( wie schön Maske sein kann !) . Noch schäkern sie  scheu , aber er etwas kühner und sie verzeiht  ihm schnell . Beide schauen auf die Uhr über der Bar , ihre Zeit verfliegt jetzt  rapider  als die des Beobachters . Aber sie werden sich  irgendwann zerkleinernd erinnern wollen ( Machen Sie sich ein Bild ) .

 

Ein Schachspiel von Blicken ist auch auf  den Vaporettos zu studieren , wie sie gelangweilt den Canale Grande abfahren :

Der gierige , hämische Blick / der abgeschaltete Blick , der Zeit hat für irgendwann mal/ der greifende , Breschen schlagende Blick / die Augen der Oma , die nach innen gekehrt sind / der Hilfe suchende / der alles verstehende , das Ganze erfassende Blick / und derjenige , der die Sehenden aus dem Augenwinkel gewähren lässt , vorläufig nichts gegen sie tun kann / der triumphierende , `also doch ! ´- Blick / der überführende , money for value Blick /  der Opa , der seinen Kram zusammen hält / SchwarzWeiß zwischen Fremdem und Orts-ansässigem  , der in anderes vertieft ist ; ein Schachspiel , eine symmetrische Landschaft auf dem Canale Grande , Sägezähne auf dem Vaporetto / der ab-jetzt-wird-alles-anders- ,  hier- komme- ich- Blick  ; wie konntet Ihr es nur bisher ohne mich aushalten / der `wir betreten einen Salon durch Flügeltüren´-Blick / zersägt  die Stadt ; zerlegt das Kleid .

 

Die Pala D´Oro  ein Besuch im Innern eines Goldbarrens .

 

Zu den hiesigen  Gassenlabyrinthen reicht man den Besuchern den  hastenden Gassen-Schritt , hektisch vielleicht  wegen der  oft  zugemauerten Weit-und Ausblicke ; bis zur nächsten Querwand hastet man eben ,  Schultern eingezogen , was auch noch einmal für ein besonderes Venedig-Geräusch sorgt  , bevor man  streng rechteckig abbiegt .

 

Wo dabei über uns neben uns der Putz großflächig abblättert , kommt  roter freundlicher Ziegelstein-Schwamm zum Vorschein mit  Fugen und Poren . Ich stelle mich diesem Wettbewerb an Aufnahmewollen  . In den Campos und  Sottoportegos gedeihen Nachbarschaften , die Menschen sind  zwischenlagerbereit.

 

Fotografen tauchen sozusagen ihren Löffel in die Suppe . Und Lyriker verfertigen Sägemehl , immer handelnd  aus einer Art Eifersucht . Lyrik ist Eifersucht . Etwa im folgenden Fall : Drei Touristen lösen sich vom Tizianbild , verlassen die Scuola San Stefano  ,  stehen jetzt ehrfürchtig vor einem Gemüseladen .

Resultat : The Adoration of the Cabbage .

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Christiane ist ganz aufgeregt , fickerig , wie man so sagt , und steht vor dem Spiegel : Natürlich wird sie gleich Beretta treffen. Diesmal im Hilton auf der Giudecca . Lounge auf Amerikanisch mit ausgiebig Plastik , auf archaisch getrimmt .

Beretta erzählt , müde …. Und , natürlich , Venedig ist immer schön.

Obwohl er diesen Nostalgie-Kult satt hat , echt satt , auch deshalb der Treff hier in der Lounge und nicht in einem ach so echten kleinen Restaurant in Canareggio .

Und dann dieses deutsche Fernsehen . Wollen hier den so-und-so-vielten weiteren Venedig-Krimi drehen . Wir sollen beraten , Schauplätze empfehlen , Namen aussuchen . Er gähnt.

Im Film geht es darum , dass ein Bordellbesitzer umgebracht wird .

Es kommt raus , dass dieser halbseidene Typ Besucher erpresst hat : Wer nicht zahlt , findet sich veröffentlicht .

Der Clou ( na ja ) : Beretta hat ja auch zwei halbwüchsige Kinder , die hier zur (Elite-)schule gehen .

Und einer ihrer älteren Lehrer (`echt ein toller Typ , überhaupt nicht gruftig´, sagen die Kleinen ) war auch mal Lehrer von dem Bordellchef –

und Kunde .  Und Opfer . Wenn das kein Pennäler-Wunschtraum ist : Mal den Lehrer in die Ecke quetschen mit einem saftigen Detail aus seinem verkorksten Privatleben .Wobei …

Beretta winkt dem Kellner  .

Wer ins Bordell geht, muss ja noch nicht verkorkst sein . Und wenn schon .

Christiane nickt , schweigt aber dazu .

Diesen Südländern sagt man ja nach , dass sie Jongleurskünstler sind : Zwischen Katholizismus und Lebensbejahung, schließt Beretta den Fall ab .

Beneidenswert , nicht wahr ?

 

Wir gehen am gleichen Tag nach Friedhof-Besuch mit Agostino ( wie viel freie Zeit hat so ein Commissario eigentlich ? ) am Lidostrand spazieren . Der Tag ist grau , allerdings ohne viel Wind , das Meer schwappt lustlos an den Strand . Hier gibt es viele Muscheln . An der Nordsee ja auch , denke ich , irgendwie unterfordert .

Da hinten kommt ein Schiff ; so ein weißer Kreuzfahrtriese , glaube ich ; ein weißer Fleck , mittlerweile etwas dicker werdend .

Ich habe eine Muschel zertreten , liebe dieses Krachen , so als ob man eine Nuss geknackt hätte oder irgendwas Krispes lustvoll im Mund zerkleinert . Das lässt mich an die Scherben denken , die wir gestern im Glasmuseum in Murano gesehen haben .

Mein Blick geht wieder an den Horizont , ein ziemlich einheitlich graues Meer , kaum Wellenschlag , kaum Wolkenschub , viel Singular hier ,

aber angenehm bergend wie ein Federbett . Lässt mich an Berettas  Präsenz ( auch gestern! ) in Christianes und meinem Zimmer , ich wie gehabt in der Lounge  unten im Hotel .

Beretta sagt : Tja , dieser Zappa …. ; auch er mahlt mit seinem Absatz in einem Muschelbett herum .

Wir haben da herausgefunden , dass er in seinen Graffitti eine besondere Farbe verwendet . Erstaunlich . Die gab es bisher noch

nicht .

Der weiße Dampfer zieht jetzt an uns vorbei . Auf seinen Decks noch  nicht sehr viele Leute ; man sollte meinen , die Passagiere müssten

wie die Hühner aufgeregt auf die Annäherung an dieses Land , dieses See-Land , reagieren , alle Fernstecher  erst einmal auf den Lidostrand gerichtet , gespannt auf die Rundung der letzten Landzunge vor der Lagune .

Vielleicht gucken die gerade alle auf der falschen Seite ins Wasser ,  spottet Beretta , der weder weiße Passagierdampfer noch Passagiere mag .

Obwohl das doch seine wahrscheinlichsten Kunden sind .

Das Schiff , wir sehen es jetzt deutlich , elegant wie eine weiße Jacht , mit der man für Alles Sonnige Reklame machen könnte , heißt

`Western Divan  ´und kommt aus einem ebenfalls schönen Ort namens Nassau .”

 

 

Channel 2 : Johann  :

 

 

Weiter…im Treibsand der Eindrücke , die ich nicht suche , die an mir vorbei vielleicht wen anders, was anderes suchen .

Die  sieben Inseln der Lagune sagen aus der Ferne : So wie wir uns in das Wasser kuscheln : Komm an unsere Brust .

 

Und dann : Ein geweckter Smaragd : Plötzlicher  Sonnenschein verdünnt die Wellen . Venedig  , dieses  verkramte  Städtchen,  raufrunter die Boote ; Menschen  mit schwachem Ego und starkem Rechtfertigungs-trieb sind in der Regel gut in Fremdsprachen . Dichter sagen voll des Mitleids  `Sancta Simplicitas ! ´ , hören sie eine Fremdsprache . Sind  dann  insgeheim aber doch sehr getröstet .

 

Geneigte Häuser , alters-wie-nässegezeichnet  und im bewegten Überlebenskampf , aber zutraulich.  Nässe strafft ihre Haut , selbst wo der Putz bröckelt , korrigiert mit diesem Wellenwurf meine geometriegeübte / getrübte Seherwartung . Geneigte , der Schwerkraft als Mutterinstinkt Folge Leistende ; manche Häuser bekommen einen Schwangerenbauch.

 

Gestanzte blecherne Heiligenscheine in der Gotikabteilung der Accademia , erste Hälfte Quadrocento, nochbyzantinisch . Blindenschriftpunkte darauf .

 

Morgens , gähnend , noch vor dem Zähneputzen : Die Skyline gegenüber Giudecca . Wir sehen da die Zuckerbäckerstraßenzeile im Morgenrosa  ; kariose Zahnarztträume schwelgen in der Konditorei  ,

manchmal schwappt ein Kreuzfahrer durchs Bild. Von hider aus noch woanders hin ? Oder wird man zurückverschleppt ?

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Auch Christiane hatte Lust auf  Milonga . Wir übten vor dem Spiegel , ich übernahm den männlichen Part , vor allem der Gancho machte

Spaß : Knick und Kick , Knick das Bein , durch die Beine des Mannes …..Beretta konnte sich vorstellen , wie das Ganze bei etwas mehr Können , in etwas mehr argentinischem Ambiente aussehen konnte …und Christiane bemühte sich , wollüstig auszusehen ; hinter meinem

( jetzt angenommen ) männlichen Rücken orientierend flirten , diskret , versteht sich ..und Beretta  flezte sich nur im Sessel .

Heute abend gehen wir endlich mal wieder so richtig aufs Parkett , denke ich mir , gegenüber der Frari-Kirche gibt es so eine Kneipe mit

Tanzsaal ; die Kneipe auf Belle Epoque getrimmt , schummrig schön .

Doch daraus wird nichts …”

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

Der herbstliche Wellengang  speichert sich in den Kniekehlen  für den ganzen Tag ,  lässt mein Gehen auch  an Land schwanken , Vollmatrose

der man ist  , als seien wir auf dem Stern der Trampoline , die ganze Welt  elastisch wie zum Nachgeben gemeint .

 

Die Helden des Morgens : Das Meer , aber auch eine Washingtonie und ein fächernder Bananenbaum , aus mauerverstecktem Garten ragend .

 

Vor dem Anruf , vor der Begegnung : Kirchenbesuch , und was für einer !  Das Pulsieren von Konvex und Konkav : In San Salute die Bodenfliesen von 1000 Welten ein Öffnen und Schließen . Waren es damals Seidenklöppler ,die diese Steineinfassung von Portalen besorgten ?  Stein und Wasser und  von stetem Tropfen angerissener Stein, Stein aus Zärtlichkeit gewunden , berührt mit dem Aaronsstab .

 

Die Häuser draussen wieder vertrauensvoll gesenkt geneigt

gesackt , eingeschlafen am Kanal ; weniger als ich aus dem Paradies vertrieben . Canal- Grande Palazzi wie eine Sachertorte , jedenfalls wie Konditoreiprodukt .

 

Aber könnte Reise nicht wie Odyssee einfach sein : Ein Ausgreifen ?

Dich erleichtern und die Welt befruchten ? Dich verdünnen und die Welt belichten ? Sich ziehen lassen den Kanal entlang , etwas schlichten

und die Welt abstreifen ?

 

Häuser im Kartoffeldruck , farbsortiert, nicht zu schön  , doch schön genug .

 

Der Giudecca-Kanal , abends : Speckschwartenglanz unruhiger Wellen

wie von Stromschnellen ; gegenüber vollendet ein Kreuzfahrtdampfer ,

gediegen ,  den Feinschliff . In Schulausflughaltung auf dem Vaporetto begegne ich  (  Blick weit giergefächert , flächenscannend ) einer Schute mit Industriewäsche .

 

Ausgefallen coole Besucherfrauen mit Cordhut :

`Wir stöbern nur in Venedig ;  haben schon alles , aber zur Sicherheit auch den Stadtplan dabei .´

 

Japaner auf Gondel , die nie endende Kamerasuche nach der

aquatischen Leichtigkeit des Seins : Jetzt ist es meins! und

hinter dem Gondelschnabel stetes Bildgeriesel durch eine Art Kamerasauger .

 

Die Schiffsfriedhöfe von Venedig : Jeder Bug blind , jedes Heck traurig und verwundet ; entgegen aller Erwartung sind die Leben hier nicht zu Ende gelungen  .

 

Die japanischen Kämme in der Ca Pessaro Ostasien-Sammlung : Wären einen Tipp an Marie Anne wert .

Nur 20 Miniaturen , viel leerer Raum im Bilderrahmen und dann 1 Detail mit Anlauf  ; realistisch eine Realität durchkämmt aus Holz oder Metall , darauf ein Blütenzweig mit Schmetterling . Ich werde sie gleich

sprechen , hören , bald sehen . Was gibts da zu sehen .

 

Am Bootsanleger : Lauter Nicken an den Landungspontons ,

eine Stadt voller Zustimmung ; lauter Wiegen ; hier wird man keine echte Antwort bekommen .

 

Auf dem Turm von St. Giorgio wie ein flächiger Strich über Blau , über Piniengrün im Brisenschlaf , blau als himmlischer Mantel : Gegen das Scherbige des Tages .

 

Andere Boote mit dem Bug an Land befestigt , mit dem Heck in den Giudecca Kanal gestreckt . Sebastianisch gefiedert sozusagen .

Wasser wühlen in den Treppeneinschnitten des Fundamente und Boote sind angedockt . Ich bin ein Bewegungsmelder . Kurzberockte Japanerinnen schreiten aus wie irgendwo angelockt . Ich denke da an Alexander Calders Perpetuum Mobile .

 

Ja ich schlage Zeit tot . Mir fällt nichts ein .

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“ Muss an diesen Ausflug auf dem Lido denken . Beretta hat gerade

auf die Uhr gesehen , es wird gleich die Pressekonferenz geben .

Also , unsere Theorie ist : Zappa verwendet eine besondere Farbe , die

sozusagen clandestin , wie ein Schläfer , eine Botschaft mit ins Bild schmuggelt , die wir nicht bewusst wahrnehmen . Was wir schon öfters gesehen haben : Seine Farbe legt sich nicht wie ein glatter Anstrich auf die Wand ; sie scheint zu bröckeln , bleibt aber fest ; man könnte eher an eine Art Schuppenhaut denken .

Pailetten , werfe ich ein .

Genau , sagt Beretta .  Und wie ein QR-Code  ver- oder entriegelt  dieses Geriesel optische Reize , mit denen ein Auge im schlimmsten , oder im gewollten , Fall nicht klar kommt .

Flucht nach und aus  Pixel-Land ……

 

Beretta merkt etwas und sieht fragend drein .  Ich habe mich weggedreht zum Kanal hin und frage nur kurz in mein Handy hinein . Bin dann sprachlos und schaue nichtssehend hinüber auf die Rückfront der Häuser am Rio Mendicante  .

 

Was ist los ? fragt jetzt auch Christiane .

Bei mir zuhause ist eingebrochen worden.

Das ist die schnellstmögliche Ausrede .

Binnen einer Sekunde vor dem Abgrund stehen , hineinsehen und auch schon im freien Fall . Kein Wunder , dass einem keine langen Erklärungen einfallen .

Und ich fiebere meinem Abflug jetzt wirklich entgegen , was der Bewunderung für weitere venezianische Sehenswürdigkeiten deutlich schadet .

 

Wir treffen noch Amadeo in Cannareggio , wie er Materialien für Künstlerbedarf einkauft .

Er seufzt .

Ja , das Geschäft geht gut , gestorben wird immer . Aber manche Kunden sind echt anspruchsvoll . Zum Beweis zieht er einen Zettel hervor und reicht ihn an Beretta .

Hier , ein Auftrag . Sie sehen , eine ganze Seite Text . Und ich soll das auf einen kleinen handlichen Grabsteinspruch von höchstens

siebzehn Worten , Sie wissen schon , herunter kitzeln und kürzen .

Wir haben allesamt  genug Zeit , schließlich gibt es für einige von uns Ferien ; wir setzen uns in ein Café und Beretta liest vor :

 

“ Warum Suizid ?

Er war in die Jahre gekommen , vermied möglichst viele Worte , in denen 50, 60, 70 vorkam ; etwa der deutsch-französische Krieg von 18…wann war das noch ?

Als Historiker war ihm dabei natürlich auch seine eigene Geschichte immer wichtig und präsent ; aber , je älter er wurde , desto wütender wurde er , wenn er merkte , dass seine eigene Geschichte ihn überraschen konnte :

Was ? Wirklich ?

Peinlich wie ein Furz : Diesem Menschen unversehens begegnen , der so unverschämt behauptet , er trage meinen Namen , habe so wie ich ausgesehen , habe dies und das – tatsächlich ?! – getan ……

So dumm war er damals zum Beispiel in seinen Parolen gewesen , als Möchte-Gern-Trotzkist ? à la mode , natürlich ; direkte Demokratie usw.

Alles , um sich markant abzusetzen , markant attraktiv zu werden für die eventuell offeneren noch-Suchenden . Frauen vorzüglich .

Was ? Wirklich ?

Diese Liebesnacht hatte er fast vergessen ? Ihr überaus schönes , erlöstes Gesicht ? Ihre Brüste , ihre Scham ?

Das Frühstück am Morgen nach einer wie-nie-zuvor-danach- beschützten Nacht ?

Wer so überraschbar ist durch spontane Zitat-Konfrontation

(´WAAS ? Das habe ich damals gesagt ?!´) , Erinnerungs- Puder

(`Ach ja !´) : Der hat nicht alles unter Kontrolle . Zum Ersten .

Hat sich untreu verhalten gegenüber dem damaligen Erlebnis .

Und hat es , das ist doch das Demütigendste , nicht geschafft , die Zeit in jenem damaligen Moment anzuhalten .

War ich das denn wirklich , damals ? Will mir da wer was weismachen ? Wenn ich damals einfach so aus dem Moment herausgeglitten bin , weitergelebt habe so wie ein Stück Strandgut hin und hergetrieben

wird  :

Was heißt eigentlich `ein Leben ´? Eine Biographie ? Kürzestfassung in einer Grabstein-Inschrift  festgehalten ?

Dann….. kann man das Ganze doch einfach abblasen . Sollte es tun . Endlich ein bleibender Moment !

 

Das Ganze unterschrieben von einem gewissen : Kirillov .”

 

 

Channel 2 : Johann :

 

 

  1. bricht an der Trennlinie zwischen Kunst und Banalität . Diese Stadt ist nichts für schwache Nerven . Sind SIE ( ja SIE da !!! am Bildschirm

und beim Blättern in den Seiten ) schwindelfrei ?

 

Fotografie macht den Durchschnittsmensch süchtig :

Junkies , foto/schlürf/besoffen . Man möchte ihnen zurufen , wagte man sie zu stören : Ah , ertappt ! Sie führen ein Doppelleben !

( wollen sich erst zuhause ganz drauf einlassen , auf das Erlebnis ) .

 

  1. macht schlechte Laune !

 

Marie Annes Freund , der Grabspruchschreiber , sagte wohl :

Mich überrascht es immer wieder angenehm : Wie viele Leute einen schlechten Geschmack haben .

Das gibt mir als Künstler dauerfrischen Atem , einen Persilschein .

Alle anderen fallen auf alles rein , machen sich selbst zur Meute .

 

Und ich , J.W.G.  fahre auch noch einmal hinüber nach San Michele / Cimitero .

Das Boot fährt umständlich um die ganze Insel herum , Ehrenrunde

aus irgendwelchen nautischen Grünen  ; aber irgendwann ist es dann doch da . Weißwasser spritzt um unseren Bug , an Bord der Betriebsausflug aus Minneapolis  und Duluth :

 

Viele

Sexagenarians mit nicht mehr

viel Zeit .

 

Alle Gräber seit 1950 mit Photobeigabe , freundlich lächelnde Ex-Zeitgenossen hinter Glas dem Grabstein eingesetzt . Diese Insel ist  Schlund und  Badewasserabfluss , Badeschaum im Kielwasser der ablegenden Boote. Alle Vaporettos  putzen sich breit die Zähne . Nachmittags dann unter grauem Himmel blassgrün die Wellentäler . Dieselgeräusch ,  das ebenfalls an Zahnarzt erinnert ( aber an einen heilenden ! ) . Aufsetzende Bugpartien von Schnellbooten polieren an diesem Edelstein .

Ich sage : St Petersburg oder Lissabon, andere Städte wo da drüben hinter der Wasserstrasse Häuser stehn . Wasser heißt : Alles ist vorläufig, alles wird verziehen , ist somit verlängerte Kindheit ,  Venedig oder Lissabon : Man hat ewig davon .

 

Zurück am Fundamente Nuovo : Rast in einer Gelateria , in der man lernt die Welt  stabieren .

Dann durch die Stadt . Streife vogelfrei , wissend um die Gefahr , den beiden Frauen plus Polizeischatten entgegenzulaufen , nicht in Unkenntnis der tatsache , um es nett auszudrücken , dass ich mindestens Marie Annes Flitterwochen ohne Mann radikal beenden werde .

Ein städtische Alphabetisierungskampagne  zwischen hier und den Giudecca- Laternen und den Sternen. Hier ist man immer ritterlicher Pirat , der niemals Rache nimmt und gönnerhaft ist , ein Aristokrat ohne ein Gesicht zu verlieren , den nichts aus seiner Ruhe bringen kann  .

Wie diesen Ozeanriesen , der da in Steinwurfweite geankert hat , um den die Möwen aufgeregt kreisen .

Zatere ! wie die Kulisse eines Kasperletheaters .

Werftarbeiter mit Schnellfähre unterwegs zum Terminal San Basilio ;

Nachtschicht . Ach ja , im Sonnenuntergang lachsrot aufleuchtende Ziegelsteinhöhen; il Redentore , fleischfarben wie Tante Rosas

Korsett . Die langsameren Vaporettos ziehen ballsaalfahl Illuminationen durch die Giudecca Wellen .

 

Gravitation für alle !!! Mir ist gerade die Zwiebel aus dem Sandwich gefallen .

Inspiration für – alle ? Mindestens jedenfalls für Smalltalk- Kitzler . Wo Künstler schufen , drückt die Menge den Knopf .

 

Im Wind auf San Giorgio : Die Fahnen deuten vage an wohin sie wollen ,

wohin man gehen könnte ; dies ist noch eine Welt in Reserve für sonst ziemlich Komplette .

Smaragdwasser vor dem Hilton-Anleger ; Bootsmotoren gurgeln , Jogger überwerfen sich mit Pudeln . Weißer Buggischt wie Brilliantenfassung dazu . Schiffe sind eine große Verlässlichkeit wie Mutterhand .

 

Auch auf Zatere , gegenüber dem Hilton , gibt es Linienzieher . Unterwegs nach .

Die Häuser stehen ,weitergehen ,die Häuser wie Schultafeln ,

Menschen so oder so one way , wie elektronisches Textverwischen

auf dem Times Square . An der Ecke ins Handy triumphieren : Fortschreitend Sackgasse .

Was für ein Wartezimmer !

Ach ja .

Da liegt eine MS Western Divan  ( Heimathafen Nassau , Bahamas ) verdiente sich seinen Namen in den letzten Tagen durch majestätisches Ruhen . Gesucht : Irgendwo : Ein dazu passendes Meer !  Haben SIE nicht irgendwo eins gesehen ? für diesen dann doch irgendwann tapsig seine Fahrt  wieder aufnehmenden Schiffs-Koloss ; beim Auslaufen auf dem Oberdeck eine Demonstration , dicht gedrängt , Abstimmung mit den Füßen , alle wollen noch mal so eine richtig schnuckelige Kleinstadt sehen , asynchron niedlich , am besten von oben .

Daneben , sozusagen noch auf der Überholspur  , Krummboote , nur mit Gondoliere , ohne Fahrgäste unterwegs : Halbmonde unter den Füßen wie eine Renaissance- Maria  , dosiert geprüft mischend streichelnd ans Ziel über den Giudecca Kanal .

 

 

 

 

 

Channel 1 : Marie Anne :

 

 

“Um diesen Dampfer herum planschen auf einmal mindestens drei Polizeiboote . Von unserer Seite aus sieht man , wie sie sich mittschiffs versammeln , da wo die strahlend weiße  Bordwand …nicht mehr so strahlend weiß ist !

Etwas Schwarzes …ja , da stehen Schriftzeichen an der Bordwand .

Beretta erzählt später , das habe Zappa unmöglich allein hinkriegen können !

 

Christiane wischt sich wieder die Augen . Schon gestern klagte sie über Flimmern und Tränen . Nein , nicht wegen der Sonne ; so stark hat die gar nicht geschienen . Heute ist es schlimmer .

Bring mich ins Hotel , sagt sie und klammert meinen Arm .

Woran haben Sie es zuerst gemerkt ? fragt der Augenarzt .

Es ist wie bei einem alten Fernseher , der sich verabschiedet . Ein defekter Zeilentrafo , habe ich mal gehört . Das Bild löst sich auf in kleine

würfelige Farbflecken , sagt man `Pixels ´? Wie  die Terrazzo-Böden gestern in der Ca d´Oro  .

Der Augenarzt wirft Beretta , der selbstredend , jetzt in zunehmendem Masse auch aus beruflichen Gründen ,einen sprechenden Blick zu .

 

Ich gebe Ihnen eine Infusion . Also anschließend  erst einmal diese Tropfen  , ruhig 10 mal täglich . Und dann wäre es gut , wenn Sie die ersten Tage ( wie lange sind Sie hier ? ) möglichst ununterbrochen diese schwarze Augenbinde tragen . Vielleicht hören Sie etwas Musik , Übertragungen aus der Fenice .

Und dann , als unfreiwilligen Höhepunkt der Ironie :  Schließlich sind Sie in Venedig.

Beretta geht mit mir heraus und wir begeben uns zur Rezeption .

Ja , klar ist da was , klar bin ich besorgt , sagt er , meiner Frage zuvor-kommend .

Der Verdacht ist , dass dies ein Anschlag sein könnte . Cara Christiana ist die neunzehnte Person seit voriger Woche , die solche Symptome zeigt . Überall das Gleiche : Bildzerfall , der Patient macht freiwillig die Äuglein zu , Gute Nacht .

Als ob er ein Kinderschlaflied zitierte .

Wir haben den jungen Zappa im Verdacht .

Ist das einfach Ihr üblicher Verdächtiger ?

Seine Sprayereien…..Wir haben zwei Wissenschaftler aus Padua  darauf angesetzt , die Corellis Graffitti untersuchen . Zuerst haben sie sich ganz naiv vor die Wand am Zatere gestellt , und dann hatte einer von ihnen  die gleichen Erscheinungen . Seitdem arbeiten sie mit Blendmasken und versuchen herauszukriegen , ob im Graffitti irgendein, wie soll ich das als Laie sagen , magnetischer Code lauert , der Bildstörungen hervorruft . Vielleicht nicht beim ersten Mal , aber schon beim zweiten , dritten Mal von Wahrnehmung aus dem Augenwinkel ….

Schauen Sie mal da rüber , wo die `Western Divan ´ liegt . Hier , nehmen Sie das Glas , dann können Sie besser sehen , tut Ihren Augen auch nichts  : Was steht da ? Ist das nicht lustig ?

Ich kann es gut entziffern :  Fresh paint !

 

Gerade ist Zappa mal wieder frei  sagt Beretta , und wir wissen nicht , wo er ist ; vor dem Haus seiner Brüder sind getarnte Zivilpolizisten zum Herumstreunen aufgestellt , machen auf japanische Touristen ….aber er wird jetzt wohl nicht so schnell  zurückkommen . Seine Brüder zucken die Schultern und wissen von nichts …sagen sie . Donna Marie Anne , SIE haben doch intensivere Kontakte zu dem mittleren  ?

Ich war vor den Kopf geschlagen . Hätte mir eine Idylle nie so kompliziert vorgestellt . Wollte schnell rauf und nach Christiane sehen . Beretta hielt mich zurück .

Sie können sich auch denken , welche Wucht so ein Vorfall , so eine Vorfallsdichte für Venedig bedeutet ? Für einen Besuchermagneten wie Venedig  ?

Venedig , die Stadt des schönen Blicks . Wie sagten Sie gestern ? Hier  werden wir  alle  zu Augenmenschen  . WENN Zappa dahintersteckt …na ja , ist das natürlich immer noch besser als irgendeine islamistische  Terroristenbande .

Aber was könnte er  damit wollen ?

Beretta hielt mich für naiv , jedenfalls atmete er wie erschöpft durch und

sah mich wortlos an .

 

In der Nacht spielte ich wieder das Einschlafspiel : Sage mir einen Satz ….und ich finde darauf einen Reim . JOHANN , Zappa oder sein Bruder Amadeo haben mich offenkundig inspiriert ( gähn ! ) .Und dabei habe ich das Bild der `Western Divan ´gegenüber von unserem Hotel vor Augen .

Keine Sorge , ich singe nicht :

 

Trunkener Abgesang  ( eine Art )

 

 

Die Schiffe legen hier ab/und an/ auf 24 Stunden

in denen Glückliche die glückliche Stadt erkunden ;

die Schiffe legen an und pünktlich ab ,

halten eine alte Welt knapp/ am Rand vom Grab ,

 

(  lassen sich von den Schleppern rumzerren –

dass  wundersam so sich die Gäste vermehren ,

Trattorien auch draußen ihr al Sepia absetzen ,

wo Kielwasser Fundamente netzen  )

 

dass es insgesamt so seine Ökonomie hat .

Man ist übervoll , war grad noch nimmersatt –

so hat glücklich jeder Zweibeiner mal V. gesehen –

auch SIE können – ich seh es – diese Großtat gestehen ;

 

` wie wohl tut allein schon das Wasser im Wiegen  – ´

hier  ! muss ( wenn irgend ) das Paradies liegen  .

Vom Deck wünschen Sie sich nach Zatere rüber ;

Giudecca entgeht Ihnen …(  ist mir auch lieber ) .

 

 

Ich fragte gestern  Amadeo :

Wie ist das eigentlich , wenn man in Venedig wohnt : Hat man dann auch noch Fernweh ?

Und er lächelte und sagte irgendwann : Damals , 1990 rum , sagte unser Vater , der bekanntlich sehr weise war : Der wahre Ost-West-Gegensatz ist der : Die im Osten sehnen sich danach , zu reisen ; die im Westen schmachten danach , nicht reisen zu müssen , sondern irgendwo DA zu sein .

 

Martin Stiehl  ( habe ich noch nicht erzählt ! er ist der deutsche  Darsteller von Comissario Beretta , sozusagen Berettas Erbe und Schüler ), nahm uns im Teamboot mit zu den Dreharbeiten am Fundamente Nuovo . Gegenüber der Friedhofsinsel . Ihm waren die Rückansichten der Häuser am Kanal ziemlich gleichgültig , wir waren fasziniert , weil wir nur die offiziellen Vaporetto-Routen , an immer den gleichen Prachtfassaden vorbei , kannten und die Durchgänge und Schleusen für die Fußgänger . Willkommen im Reich der Ratten , dachten wir ; Beretta meinte :  Auch wenn sie schon mal die Pest bringen : Immerhin die einzigen unaustauschbaren , unverkäuflichen Venezianer . Nicht Räte-, sondern Rattenrepublik .

Stiehl steht neben ihm , versucht sich in Berettas Pose als souveräner integerer athletischer Problem Shooter  , und erzählt weiter , der nächste Film stehe schon sozusagen auf dem Papier : Ein Athlet tötet per Zufall seine alte Mutter , als eine Hand an der Hantel des  Expanders wegrutscht und der Federzug die alte Dame an der Schläfe trifft . Da alle Welt auf Absicht  tippen würde ( er ist der Alleinerbe eines beachtlichen Vermögens ) beschließt er ….aber da wollte er noch nicht mal Beretta Weiteres verraten .

 

Im  `Fenice ´ gibt es Mozarts Zauberflöte . Christiane geht es besser , hat sich in Schale geworfen , Beretta und ich gehen in Normal .

Der Vogelhändler mit seinen Käfigen an der Stange …nachdenklich lehne ich mich zurück und bin nicht mit Augen und Gedanken auf der Bühne . Natürlich wäre der Tango-Abend die bessere Spielstätte für mich gewesen . Papageno . Schubert und seine Forschungsleidenschaft für Tiersprachen ……

Woran denkst Du ? stößt mich Christiane an .

Ich sage gereizt :

An Vögel ?

Christiane hat mich nur ungenau verstanden und guckt verwundert mit hochgezogenen Augenbrauen , die Maske lüftend .

 

Schubert , Busenfreund von JOHANN , hat damals ausgeführt :

Habt Ihr heute ein Frühstücksei genossen ? Falls ja , möchte ich Euch jetzt einen Moment von Nachdenklichkeit , besser noch , von schlechtem Gewissen bescheren .

Wenn wir mal nicht unbedingt an Hühner-Eier denken , sondern an diese kleinen runden Dinger in irgendwelchen Frühjahrsnestern . Unser aller Hochachtung vor diesen Intelligenz-Kapseln ! Alle Instinkte , die so ein Vogel braucht , sind da drin zusammengefaltet  ; Wegfliegen , Schutzbaum suchen , was fresse ich , was besser nicht ; wie baue ich ein Nest …aber ! das absolut Faszinierendste , durchaus auch aus dem Blickwinkel von uns paarungsbereiten  Großstadtbewohnern: Sie haben auch in die Wiege gelegt , mit welchem Partner sie – nun ja , vögeln . Wer kommt in Frage , wer nicht . Sehen wir uns die Zufälligkeiten der Disco-Szene an , abends Resteficken , wie man so sagt . Unsereins im Kaleidoskop , die Viecher in darwinistisch evolutionärer Engführung .

 

Aber bei den Tieren gibt es doch auch Balzverhalten und Hahnenkämpfe, sagtest Du , JOHANN ,  damals .

Aber wirklich nicht immer ; und bei manchen Vögeln sind auch diese Konkurrenzkämpfe subtil codiert ; die Codes im Ursprungs-Ei angelegt .  Stellen wir uns vor , was da an Manipulationsvollmacht drin

steckt !

 

In der Theaterpause , als Baretta gerade dringlich am Handy verlangt wird , flüstert Christiane for show  , als wäre es ihr peinlich   :

Hier bitte , seh Dir das mal an !

Ich wickele aus dem Geschenkpapier etwas kalt Metallisches .

Und verstehe : Es ist ein Spiegel , wunderschön , un-venezianisch , eher streng knapp geometrisch , Art-Déco-verdankt .

Christiane sagt :

Wie das so ist mit Abschiedsgeschenken . Wer weiß schon und so

weiter .

Sie tut so , als wische  sie etwas aus dem Auge , weiß dass ich weiß dass es zu ziemlichem Anteil Show ist .

Wieso ein Spiegel ?! Na hör mal . Du siehst Dich , denkst aber gefälligst ein bisschen an mich . Tust mich dazu . Pass auf , dass er nicht

zerbricht . Sieht zwar aus wie Metall , Silber oder so ,  ist aber Glass . Solide handelsüblich zerbrechlich . Du weißt , das brächte Unglück , etwa in der Gestalt von sieben Jahre schlechter Sex .

Ich frage , ablenkend :  Wie lange bleibst Du noch ? Habe es

vergessen .

Noch bis Sonntag . Weißt Du noch …vielleicht hast Du es nicht so mitgekriegt . Wie wir am ersten Morgen langsam zu uns kamen .  Wir spürten da was Warmes . Zuständiges . Wir wachten Rücken an Rücken auf . Es war zwar nicht kalt im Zimmer , aber Du hattest noch so eine richtige zutrauliche , zuständige Wärme . Wissend .”

 

Channel 2 Johann :

 

 

La Fenice , letzter Abend  : Bienenwabenlogen  in heissem und honiggelbem  Licht . Deutsche in selbigem Festspielhaus leicht überrepräsentiert  , wie übrigens Franzosen auf den Vaporettos .

Es herrscht Maskenpflicht , wie praktisch , da drüben Marie Anne

( als Marie Antoinette ) ,Christiane ( als Pik-Dame ) und der

Marsmensch daneben muss Beretta sein . Ich bin vorsichtshalber ganzkörperverhüllt und gehe als Scheich , nicht so originell ; hatte anfangs vor , als Litfaß-Säule zu gehen , wäre aber kontra-produktiv gewesen : ZU auffällig darf selbstredend  das Kostüm eines Incognitisten nicht sein .

Die Theaterbesucher lugen aus dem Baumhaus  , aus Stückpforten  eines Linienschiffs. Der Dirigent  tut sozusagen den Tölpel ( zu

Rossini ) .

Warum können Frauen nicht immer so in Schwarz und Glanz  überzeugen ? Frage ich mich als Erotik-Dichter . Die  Alabastermaiden am restaurierten Fries allerdings : Gleichmäßig barbusig wie Schaufensterbewohner .

 

 

Am nächsten letzten Morgen .

Abreisebereite Aliens  setzen die Koffer ab und haben was Professionelles und Arbeitsbereites an sich : Wie eine Gang von Schauerleuten setzen sie zum Entern der Linie 1 an .

 

Venedig macht irgendwie Lust auf Düsseldorf .

 

Menschen mit ganz viel Kredit in den Augen ; Überziehungskredit .

Heiligenschein gebührt auch denen , die safely dead ( also immortal ) ; Goldglanz den Flugzeugabstürzern –

 

wir sind auf dem Rückweg zum Flughafen Marco Polo . Ich fliege bekanntlich so ungern . Alle Gesichter wie die von aufgeflogenen Betrügern/Betrübern . Den Airliner betreten : Eine Seite umblättern . Auch eine Art poliertes Heiligenscheingold.

Ich bin nervös , durchaus aus mehreren Gründen .  Es herrscht eine  Kälte im Zuliefererboot als wollten wir etwas in sibirischem Permafrost aufbewahren . Wir : Das sind Christiane und Baretta und sein Corporal und ich , fast als ginge es um meine Abschiebung . In ein sicheres Herkunftsland .

Der Bootsmann flötet , auch ein fröhlicher Entführer .

 

 

Sehe noch , als ich mich hinter dem Gate noch einmal nach meiner Ehrenwache umdrehe , auch zwei junge Amerikaner , er und sie , wenn sie sich drüben am Ankunftsterminal bei Wiedersehenstreff  wie Schmetterlinge aneinander werfen : Eine sympathische Verschwörung , für den Planeten eine Lebenstage-Vermehrung  . Raison d´etre wie zugegeben auch anderes in Venedig .”

 

 

 

Marie Anne schläft sofort nach dem Start ein ; der leere Platz neben ihr

ermöglicht entspannte Entfaltung über zwei Sitze hinweg . Als sie aufwacht , schwebt der Jet  über den Alpen . Sie hat beste Sicht vom Fenster ; Sonne und wolkenlose Aufsicht auf Bergrücken und Schneetäler .

Schnee ? Tatsächlich , dieses Jahr ist der Schnee früh gefallen ! Marie Anne ruckt sich zurecht aus dem gemütlichen Aufwachmodus und sieht wieder herab . Schnee !

Da unten würde man sich einen Iglo oder eine Schneehöhle basteln können und – gähn- weiter schlafen .

Ich setze mich neben sie  und hole mir per Blickkontakt die Erlaubnis von der zuständigen Stewardess .

Ausser beim Tango sind wir uns nie näher gekommen , denkt sie vielleicht . . Ist das jetzt noch Traum ? Ein Traum , in dem man unverbindlich alles Mögliche und vielleicht Unerwünschte , Geheimzuhaltende ausmalt und fast schon anpackt ? JOHANN zu ihr heranziehen , merken , da ist tatsächlich wer , allerdings jemand mit aller Macht der Welt , Schlimmes wegzufedern , elastische Sicherheit , ein warmer Frischmacher .

Sie sieht noch einmal aus dem Fenster . Da , eine größere Stadt , vielleicht Innsbruck ? Eine Autobahn . Und wieder ein Bergrücken und die nächsten Täler .

Wohlig , überraschend gelöst ruckt sie auf dem Sitz zurecht . Und links von ihr sitzt nicht Christiane . So ein Schneetal herunter Schlitten fahren . Huiii!  Oder wie ein Gebirgswasser lustvoll pladdernd den Weg nach unten  finden . Gravitation einmal anders   , sacken und sich nur vorübergehend schwer machen , auf sanften Halt und weiche , überraschende Korrektur warten .

Natürlich sind das Tango- Empfindungen ; die letzten Tage hat sie gar nicht an den Tanz gedacht . Oder ?

Tango ist  schließlich so etwas wie eine neugierige Schneeschmelze ,

unter stark gewordener Frühjahrssonne ; Gebirgswasser ( oder Quecksilber ? flüssiges Metall ? ) , das sich genau da den Weg sucht , wo er logischerweise präzise wartet und fertig .

Tango , Musik und Körpersprache , als  intelligente Lückenfinder und –füller . Tango als Kuscheln für Künstler in der Zirkuskuppel , für die Schwerkraft nur ein Stichwortgeber ist .

 

Wir rollen aus in Fuhlsbüttel  .

“Du suchst ein  Land , das nicht ausliefert ?” fragt sie .” Mir geht das alles zu schnell , wie Du Dir denken kannst.”

Wie ein Gespräch zwischen Erpresser und Erpressungsopfer halt so geht ( kenne mich da aber doch nicht aus , und wir sind beide um zivilisierten Ton bemüht ) .Wir versuchen beide, möglichst un-panisch

zu sein oder zu wirken .

 

Ich habe für sie ein Hotelzimmer in Ottensen gemietet , nur für zwei Nächte .

Auf dem Weg dahin neben den erwartbaren einige nicht erwartete Staus . Stehen wiederholt , bin Wiederholungstäter , stehe/ wiederholt/ wieder hinter der hinteren Stoßstange dieses Straßenkreuzers , der überaus üppig ausgestattet ist mit Chrom und Lichtern , wie das Zirkuszelt Samstag nachts ; ein paar Meter weiter und wieder kann ich das Kleingedruckte lesen , wo so ein Schlitten gekauft werden kann und : `Live now ´ ist die Botschaft an die Stau-Hinteren . Wie ein kleiner beleuchteter Hausaltar  , da vor mir , Brems-und Nochwas-Lichter , vor denen man wiederholt mit Inbrunst in die Knie geht und betet : Wann endlich geht es weiter ?

 

Und am frühen  Abend fährt sie per Taxi bei mir vor :

“ Auch ich Überraschung ! Wir gehen essen .”

Sie hat Milenas Akzent gekapert .

Ich darf immerhin einen Wunsch vortragen , wo denn ? und bestehe auf meinem Recht , sie zu beglücken :

 

“Das Recht der ersten Nacht “.

 

So heißt nämlich das verruchte neue angesagte Restaurant ( in kurzer Zeit schon verrucht ? Ja , das geht in gut durchleuchteter Gesellschaft , wo jeder jederzeit angeblich weiß , womit man sich gerade  unkorrekt benehmen könnte , es aber wohlweislich gut erzogen nicht tut ) .

“ Ich dachte , wir landen in der `Pizzeria Venetia ,´ in St.Georg , gegenüber vom Hauptbahnhof . Na ja . Du suchst ein  Land , das nicht ausliefert ?” fragt sie noch .

” Mir geht das alles zu schnell , wie Du Dir denken kannst.”

Wie ein Gespräch zwischen Sozusagen- Erpresser und Tatsächlich?-Erpressungsopfer halt so geht ( kenne mich da aber kaum aus , und wir sind beide um zivilisierten Ton bemüht ) .Versuchen beide, möglichst un-panisch zu sein oder zu wirken .

 

Marie Anne und ich haben bestellt . Ich vermute , dass  dieses Restaurant sich sogar etwas darauf einbildet , die Gänge des Menüs mit deutlichen zeitlichen Knautschzonen dazwischen zu liefern .

“ Um die Nacht so richtig spannend zu machen !”

Essen prima , ansonsten möglichst viel Anstößiges . Zufriedenheit kann ja jeder !

Und ein Lounge-Musiker , wie ich sie tatsächlich mag ; die  Nebensächlichkeit Musik dezent wie drei Tropfen auf dem Kaffeelöffel – nicht aufzudrängen , sondern vergessen zu haben , nicht zu spielen .

Im schlimmsten Fall einer von Jussips Leuten .

Mein Eindruck ist , dass Marie Anne gerne etwas schneller bedient worden wäre , sie sieht auf die Uhr , sieht aus dem Fenster , sieht auf das Handy . Schiebt  schließlich das Besteck betont weit auseinander und legt los .

Ich halte das Ganze für einen Scherz .

“ Hast Du Dir das in Venedig ausgedacht ? Ist das der Einfluss von diesem Commissario , auf den Christiane reingefallen ist ?”

Wenigstens der Wein wird serviert , ich nicke die Wahl ab und

mache eine Handbewegung zum Wegfächeln des Kellners .

 

“ Also , von Anfang an : Du hast Macros  Erfindung sozusagen an  den KGB verkauft  ? Und Dein Supertänzer seinerseits stand im Kontakt mit dem CIA ……Und jetzt suchen die grauen Herrschaften im Schutt Deiner Wohnung nach Überresten ? “

“ Oder Yussips vermittelnde Balkan-Crew . ”

“Beweismaterial ? Verlaufsprotokolle …Sicherungskopien ….”.

 

Ich wusste zu unseren Tango-Anfängen nicht , dass sie sooo spannend sein würde . Hätte mir auch einen romantischen Abend nun wirklich und auf Ehre völlig anders vorgestellt .

Beteuere irgendwie letztlich ehrlich hilflos , dass ich ihr keine kriminelle Energie dieser Machart zugetraut hätte .

“ Abseits von der Tanzfläche , meine ich .”

Ich beuge mich sehr leise sprechend noch einmal vor .

“ Sag das noch mal , und sage es deutlich , auf dass ich es verstehe und glaube : `Ja, richtig , JOHANN , Du träumst nicht : Ich habe insgesamt vier Patente clandestin unter Bruch meines Amtseides an interessierte Staaten und  Wirtschaftsunternehmen verkauft ´ .”

“ Ungefähr so ,” sagt Marie Anne . “ Und jetzt ist dieses Spiel , wie man von interessierter Seite mich glauben lässt ,ausgereizt ; ich denke , ich habe einen Tag , maximal , an dem ich hier aufräumen kann und dann – abhauen .”

“ Ich komme natürlich mit ,” sage ich , höre ich mich sagen .

 

Die Vorspeisen kommen .

“ Nach einem Geheimrezept, “ flüstert dieser Luigi . “ A la contre-

bandista . Haben früher die Schmuggler in Neapel zubereitet .”

“ Was Sie nicht sagen ! “ sage ich .

 

“ Ich habe Dich wirklich nicht darum gebeten !” begehrt sie auf und legt das Kinn erst in die eine , dann in die andere Hand , überlegend . Haha .

“ Du hast keine Wahl” , sage ich . “ Ich habe die Beweise in mindestens dem einen Fall , dem von Makro , in der Hand .Sozusagen , natürlich in Sicherheit deponiert . Ich komme mit ,” sage ich , höre ich mich jetzt

( noch lauter) sagen .

“ Aber …….( lange Pause  , der Lounge-Musiker wird wie per Verabredeung noch leiser )vielleicht will ich mal nicht so sein .”

“ Und ?……wohin jetzt ? Prost !”

 

Sie nippt an ihrem Glas .

“ Schade , jammerschade , Argentinien liefert aus . Obwohl man sich da auch gut verstecken könnte . Bedeutet aber viel Stress .”

“ Also kein Tango unter korrupten Ciudaddanos mit Messern im Strumpf-band und so . “

“ Nein ,” sagt sie , nicht gerade traurig , eher gefasst und über die

Trauer hinweg .

 

Ich steuere schließlich auf dem Weg zurück zu ihrem Hotel den Wagen wie erschöpft in eine Parklücke .

“ Usbekistan ? Oder gleich…… Afghanistan ?” liefere ich meine vorläufig letzten Ideen .

“ Nein …eher Weißrussland .”

“ Au ja ! Es lebe die Balalaika . Schade , dass Du nicht gesagt hast Ukraine ; dann hättest Du gleich in Tschernobyl…”

Ich präsentiere die Idee to end all ideas , tue aber so , als ob ich ihr nicht so recht traute und nicht die Visa bereits in der Brieftasche hätte; lege einen Finger ans Kinn und überlege ..überlege .

“ Andere Himmelsrichtung . Ich glaube , der Diktator in Pixeliador lässt gerade eine Freizeit-Attraktion aufbauen . Explizit : Um seinen Untertanen  die Lust zu nehmen , aus dieser tristen Gegend zu fliehen  .”

“ Pixeliador ? Nie gehört !”

“ Doch doch . Und was , denkst Du wohl , welche Stadt , da kommst Du nie drauf , lässt er da bauen , mit Brücken , Kanälen , Gondolas ?”

“Nein ,” sagt sie .

“Doch “ sage ich .

 

 

Lang lebe Pixeliador ! Ich werde dem Diktator die Füße lecken…

Ich habe eine Stunde vor dem Spiegel verbracht , entschied mich mehrfach um , schließlich fällt die Wahl doch auf entschieden schicke neue Beinkleider .

Stelle den Motor vorläufig ab und sie legt ihre Arme um meinen Hals .

Das ist noch nicht einmal im Tango bisher geschehen . Kühle Hände .

Nackte Unterarme . An meiner Haut .

“ Angekommen !”

“ Ich habe den Platz warm gehalten für Dich . Und frei !”

Sie sucht ihre Sachen zusammmen und staunt noch :

“ Ah , übrigens eine wirklich tolle Hose ! Sehe ich recht ? In Würfel-patterns ?”

Souverän antworte ich :

“ Was zählt , ist einzig  der Inhalt.”

 

Ich habe das Autoradio eingeschaltet in Sachen Verkehrs-und Stauhinweise . Bei der Einfahrt in den Elbtunnel wird die Sprecherin

durch die meterdicke Betondecke plus soundsoviele Meter Wasserhöhe

mitten im Satz abgeschnitten : “ Wie uns soeben von unserem Südamerika-Korrespondenten aus Pixeliador gemeldet wird…”

 

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