Lyrik

Arche

ologen

(und das letzte Wort )

 

NL Karneval 2023-02-20

 

1

Die Archäologen

(sic!) fühlen sich betrogen :

„ Hier gibt’s gar nichts zu graben ?!“

„ Sie haben ein Minus-Guthaben …“

 

Die Archäologen ( s.o.)

fühlen sich betrogen :

„ Hier war schon vor uns wer !

Und jetzt ist alles leer !“

 

(die Gegend ). Geschichte bleibt

so folgenlos ,

am Spaten Moos ,

ohne Spaten nichts los .

 

„ Ohne unser Graben

sind Menschen so… abwaschbar !

im Ganzen ! unbehaust ,

mit Nichts noch überraschbar ….“

 

Die Archäologen

(sic !) behaupten ungelogen :

Die Arche ? Auf dem Ararat ?

Hier gäbs auch manche Rettungstat !

 

2

Babylon , mit Vorstadt ohne Ende aber ohne Huren , es sei denn zeitgenössisch verborgen hinter Chrom , Beton und Alu ,Tiefgarage , Zubringer , Stichstraße , im Land zum Verscherbeln zum Ausweiden .

Erotik ,  hohe Statik , Wunderpaläste der Immobilienblase :

 

Wir sind in Leyden , NL .

 

Durch diese Vorort-Schleuse , hohle Gasse , hinein ins Altstadt-Idyll , unser Ziel in  Autobahnkreuz und Ampelschaltung , muss der Besucher kommen .

 

3

Ins Kommando-Brücken-Café etwa .

Ich bin Sammler von Impressionen , zerstreut von Streusand –

Divertimentos ; Streusand ist doch der  eigentliche Inhalt von Dokumenten und Petitionen . Streusand und Geldwertstabilität , harte Währung als Ergebnis von ungestörter Sammlung aller Impression .

Goethe liege uns hier in der Campagna , dies ist mein Maler , Herr

Tischbein , schenkt mir schlammtrüb reinen Wein ein , der Herr Tischbein , in verlangsamtem Da- und hier-Sein .

 

4

Redliche Arbeit ! All diese Radfahr-Fietser brückauf und -ab , handwerklich solide ; Mick Jagger singt dazu fürs Café , notgedrungen at his best , depressed emphatisch , müde .

 

5

Stehe vor The Old Curiosity Shop . Einer wie alle in der Altstadt …

Paradox : Geleitet von der gerade jüngsten Studentenschaft-

Generation , genau der ! Es bleibt immer was übrig , ihr Alten habt nicht umsonst gelebt , es war nicht alles Illusion .

Und die Jungen sagen heimlich : Müssen wir auch mal probieren , so eine Prise Erbschaft  .

 

6

Enge ! fördert Intelligenz ,

leider auch die kriminelle …

die Preise in NL !!!!

Sie haben ein Faible fürs Grelle …

 

7

Heimat : Im Angebot ,

hier gerne zu finden

im Schrecksekundengeschachtel

zwischen Biker und Normalos ; eine Zwangsehe ,

bin paranoid geradeld verfolgt wo ich auch gehe ,

zwischen Wohl und Wehe .

 

8

Holland ist besser durchs  20. Jahrhundert gekommen als D und GB und F , so weit ich das ein wenig überblicke: Hier mehr als sonst wo gibt es eine Unio artistica , Unio mystica zwischen Geld und Geschmack .

Und :

Wie so ein Hund sein Revier abpinkelt : Kaufe ich in jedem Ramschladen Buch , Platte , Deko.

 

9

Fahrradmöwen kreisen und schreien ,

Möwenfietsen kreiseln in Kreisen und Reihen ,

rad-ar-ig in Perlenschnüren ;

auf  Mütter-Rücken , Papa-Bäuchen Babies frieren .

 

Möwen kreischen blechern

über Rädern , auch auf Dächern ;

Frauen raffen Röcke ,

auch für Männer unter niedriger Wolkendecke .

 

Möwen umflattern noch Baikonur ,

Satelliten schüsseln über Architektur .

Frauen radeln divers ,

 

mal hierher mal dahin ,

unter Wolken , die immers

wer weiß wohin ziehn .

 

10

Die Mädchen , alle nicht von hier und verkabelt ,

hängen jedenfalls an Drähten ;

so ist es ja nicht nur in

Uni-Städten

 

und selten haben sie Zeit ,

für Zufälle Zeit ;

sind ganz bei sich und doch

weitweit weg , meilenweit .

 

11

Wind wühlt in Fahrradbatterien

und bringt manch Esel zu Fall ;

Amy Whinehouse received und state of the art ,

länger schon , schon damals

als

Ihr noch klein wart .

 

12

Auch Canaletto selig  ließ seine Poren elektrisieren bei Städte-

Inspektion , lungerte auf Markus-und anderen Plätzen , auch er wollte es spüren : Jede Sekunde hier , jedes Röcke-Rascheln , jedes Aneinander-Vorbei lechzt nach Daguerrescher Schlaumeierei :

Hinterher , in einem ewigen Danach , ist der Betrachter dauerweiser , das Objekt schon im Vorgriff beseligt tot , über allem jederzeit der Schatten vom  Schnitter : Canaletto und Daguerre wussten es , diese Besser-Wisser-Babysitter , auf Breitwand, Panorama , im Zeugenstand .

 

13

Karnevalesker Samstag : Letzte Chance ! für jeden ! gesehen zu

werden ; letzte Gelegenheit noch mal zu lachen ; mit Verdauungs-beschwerden seinen Frieden machen ; mach nicht son Gesicht , trauriger wird’s nicht .

 

14

Assoziationstest nach Brausepulver-Prinzip : Wen von diesen Passanten vor meinem Caféhausfenster statte ich mit welcher Geschichte aus ? Wer passt woher wozu zu wem ? Mit dieser grellen Lache , prophezeie ich dieser Miss Nevada 2011 , gibt’s Hochzeiten und Scheidungen

( jeweils wortreich begründet ) in Serie , jeweils mit gehorsam gefesseltem Publikum .

 

15

Fein-Dosierung Lebenslust ….

zu viel Gegend , zu viel Meute ,

stehe erst bei Anfängen ,

zu viel laute Pleite ,

zu viel Styling-Singsang ,

zu viel Performance- Frust.

Stehe da erst am Anfang ,

bedingt nur Freund von Schengen .

 

16

Groteske und Karikatur :

Gebt uns unser täglich Brot !

Mick Jagger ist weiter verkatert ,

wir sitzen im gleichen Boot ;

 

der Archäologe von Zelle 17

in Einzelhaft mit Science Fiction

Stück für Stückchen

Malediction .

 

17

Das Lachen am Caféhaus-Nebentisch : Vulgär ; ein kleines `Mehr ´ macht schon was her ! wenn man das Lachen so grässlich , aufdringlich fratzenhaft , in keinem Verhältnis zu irgend denkbarer Erzählung findet : Dies der Preis  , den man entrichtet für die Nicht-Beherrschung einer Fremdsprache , vulgo

 

 

die Faszination des Fremden !

 

Dialog zwischen Spaniern am Nebentisch : Er füllt innerhalb 1 Stunde  1 Telefonbuchvolumen ; für ihn und seinesgleichen wurde der Datenstick erfunden .

 

18

Feldstudie , Repetitorium in klassischer Moderne :

Uns fehlt eine wortkarge , wortbeschwerende Liturgie ; fehlen Rituale der bedeutenden Wiederholung . Na gut , meinetwegen sogar `OMM ´.

Die gähnend aufgestellte dazugehörige Falle : Klischée und Kitsch :

„I love you so !“

So leben wir halt amorph , in kaleidoskopisch-lexikalischer Pulverisierung …

 

19

Alte holländische Innenstädte lassen sich denkmalgeschützt erhalten ,

ihr Bullerbü-Gekuschel ; die Fenster so transparent , die Menschen

groß ; Heimeligkeit in Regression …… wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder etc . Aber .

 

20

„ Er schlug vor , zu gehen .“

Wie der Goldschmied , der zum Edelstein eine Fassung erstellen will . Wie der Fotograf , der den Eindruck im Kasten hat , wie man mal so sagte . Und morgen….ist dann die Zeit des Entzugs , gibt’s die Momente von Phantomschmerz : Wo nur ist das Erlebte hin ? Eben war ES noch da , war ICH noch Mittelpunkt von Anderem . Wie könnt Ihr mich so allein lassen ?

Gedanken , wie sie einen halt leicht verfolgen in einer historischen

Stadt , die sich auf Trödel verlegt hat .

 

21

Alte Männer : Woher eigentlich ihr nach vorne gesackter Gang ? Ist es irgendwas mit innerkörperlicher Balance , oder wegen zunehmend

brillenverlangender Kurzsichtigkeit , die einen Oldie Richtung Nasenspitze zieht ?

 

22

Apropos Schleuse : „ Ich wohne in Leyden .“

Welches Leyden meint er ? Vielleicht das Nicht-Idyll , jene postmoderne Ausbreitungen von

 

Stadtautobahndarmverschlingungslabyrinthknäuelbetonzweckmässigkeit ,

 

wäre da nicht das Wetter , sprich Regendunst und die dafür zu Vorzeiten angelegten Kanäle , die sehnsuchtsheischend ins Irgendwo-Hinterland weisen .

Dazu Kleinkinder und ihr professionelles Verhältnis zu Regenpfützen .

 

23

In Holland spricht man Holländisch . In GB Englisch .

Oder ?

Neuerdings

herrscht Goethes Zauberlehrling , genauergesagt der Besen , noch genauer die Waschlauge  in einer pompejanischen  Lava von US-Lingo over everything .

Eines Tages ,

denken wir , wird es nach der Aschenwüste entweder eine neue Generation von Dinos geben oder rätselnde Archäologen .

 

24

Reisen …um zu sehen , wie andere Leute sich so einrichten , in aller Unschuld , d.h. ohne sich um meine Geschmacksurteile zu scheren .

Hier hat eine heranwachsende Generation den Prägestempel mitzunehmen , dass Leyden und Amsterdam sich in Kitsch-, d.h. Antiquitäten-Bordelle verwandeln ; vielleicht ist es eine logische Folge , dass sie oder ihre studentischen Nachbarn , irgendwann und nicht zu spät , in Kinderaufzucht landen .

 

25

Gedichte in Notwehr halt .

Über die Aus-Schwärmer ,Käufer und Angestellte also in Albert Heyns Hallen ; der Laden betrieben und befeuert von 20 Studenten , höfliche Toddler , alles und sich selber ernst nehmend , in weiten Hangars des Ernährungsbedarfs , Oude Singel 23 . Eine befreundete Embassy , Immunität .

 

26

Der pensionierte Englischprofessor hat sich also zu Tode gesiegt : Jeder hier spricht die US-Vulgärfassung dessen , was er im Kielwasser von Shakespeare und Dickens  zu lehren meinte .

Auf seine alten Tage schwört er dieser Art Internationalismus ab und warnt vor  vesuvialen pyroklastisch-linguistischen Vorsichhertreiber-

Eruptionen .

 

27

Zwischen den Filetstücken

entstehende Sinnlücken

sind zu unterdrücken !

und frühmorgens …

 

die Zellophan- Welt ,

voll Vertrauen in Bibliotheken ,

alles von Ur bis Tolteken :

Fühlt sich alles `pret à porter´an .

 

28

Wer wird das letzte Wort haben ? Der Anakonda-Gürtel um die Altstadt herum , die Lebens- und Verwaltungsfabriken in Neon und Alu , wie sie handumstülpend Nutzzone auskotzen auf Bedarfsasphalt

oder

die Nostalgie  , warum nicht die agrarisch-niederländische Monokultur weitweit da draussen ? In Katwijk , das Meer und seine Flutungs-Reihen von Geduldsbrechern ?

 

29

Fahrradmöwen kreisen und schreien ,

Möwenfietsen kreiseln in Kreisen und Reihen ,

rad-arig in Perlenschnüren ;

auf Rücken Babies frieren .

 

Möwen kreischen blechern

über Rädern . auf Dächern ,

Frauen raffen Röcke ,

Männer und Frauen unter niedriger Wolkendecke .

 

Möwen umflattern noch Baikonur ,

Satelliten schüsseln über Architektur .

Frauen radeln divers ,

 

mal hierher mal dahin ,

unter Wolken , die immers

wer weiß wohin ziehn .

 

30

Wer wird das letzte Wort haben ?

Arche-

ologen ?