Lyrik

Auswärts bei Steava

Auswärts bei Steava

1

Die Passagiere , sämtlich aus der Klasse , deren Mitgliedern man sämtlich zutraut , öfters als eigentlich nötig in den Spiegel zu schauen : Dicht gedrängt die Sitzreihen , wie sie denken lassen an einbalsamierte Mumien , bekleidete Körperwelten , stillgelegt ; Kieselglätte , kaum Kontakte , Warten auf die/eine Landung . Die Enge unter den Fluggästen : So fühlt sich ein Puzzleteil : Gebraucht ! „Ich fülle eine Leerstelle !“Alle Passagiere Kopf geradeaus , in Galeeren-Beugung , zuuuuu-gleich !

Und keine Hemmung voreinander beim Endlich-Aufstehen : „ Ja, dies ist mein Ellenbogen und die Bühne dafür , okay ?“ Rempelei unter den Gepäcknischen .  „Wie gehen Sie mit meiner Hutschachtel um ?!“

2

Soviel zur Gemeinschaft der Lebenden . Aus lauter Langeweile flog er allerdings zu Beerdigungen innerhalb seines erweiterten Clans , der junge blasierte Lord . Blasiert , nicht einbalsamiert . Oder .

3

In der Fremde , sagte er , genießt man die eigene Schutzlosigkeit . Man ist oder fühlt sich berechtigt , auf die Hilfsbereitschaft der Fremden , also der Einheimischen , zu zählen .           Wer das sagt , war mal eins jener Babies , die vom Papa in die Luft gewuchtet und zuverlässig spielerisch aufgefangen wurden .

4

Gelandet , ausgeschifft , was jetzt . Wo ist der Friedhof . Nach den Chrompalästen , die verinselt im weiten Vorland der Metropole thronen , Signature Buildings da wo freie Sicht herrscht hinweg über Ex-Schrebergärten, trotz Nebel im Brachland um Hauptstadtflughafen blitzenblinken-markenversprechend ; jetzt irgendwann :                                                                    Die Betonhochsilos , Nutzstraßen zum Parken und Gassi-Gehen dahinter , Guano-Wachstumsraten durch Taubenkacke , Tauben ohne Friedensbotschaft besetzen in diesen Vierteln gruppenweise einen Dünnschissbalkon, unten Wauwau-Langeweile . Eine Eiger-Nordwand von Fensterreihen vor meinem Fenster , Frechheit ! Weltabriegelung .

Herr Grigorescu poliert sein Auto .

5

Pompes funèbres

(Abzählreim in der Friedhofskälte)

Gewänder aus Asche :

Als wärs auch so ne Masche .

Wir wussten es alle ,

stecken alle in der Falle ,

demnächst anderswer ,

das Leben will eigentlich mehr  ,

wo waren wir stehen geblieben ?

Gedenken wir unserer Lieben .

Winter-Samstagmorgen .

Der Winter will nicht weichen ,

auf dass alle müde rum –

oder nach Hause schleichen .

6

Nervig : Leute , die erst anfangen , die Speisekarte zu studieren , wenn andere schon verhungert sind . Jeder ist genervt und/oder berufstätige alleinerziehende Mutter von drei glucksenden Kindern . Nach einem Nachtflug habe ich lauter tote Punkte tagsüber ; man spricht da wohl auch von Pointillismus .

7

Der Hund ist wählerisch beim Scheißen :

Freudig nervös gekrümmter Hunderücken :

Will nichts Gutes verheißen !

8

Leben für…(?) ein Katalog !

wohin Dich die Sekunde zog ,

wie Dich der Moment belästigt ;

Dich keine Pointe befestigt….

Fliehen um die Ecke ,

warte dass …..mich was erwecke !

Leben…und das Ergebnis :

Termin für nächstes Begräbnis .

9

Und die Münchhausen-Berieselung…(wir sitzen zum Leichenschmaus im Restaurant ) : Die Lüge des Pop : Wir sind angeblich alle spontan , unkonventionell , schlagfertig…..und die Lautsprecher müllen einen dann zu mit Konserven  aus den 1970ies . Echt Vintage , Oldies , Evergrays . Imagine all the people .

10

Die Eltern am Nebentisch : Ihre Rolle ist Anreicherung ! Jeweils vollziehen sie eine Verdoppelung : „Wie erkläre ich das der Cara ?“ Didaktische Aufbereitung von etwas , das man (nach Fingerzeig der Kleinen ) erst mal selber wahrnehmen muss . Eine Welt-Siebung . Ohne Eltern wäre die Welt schon durch alle Maschen gefallen , sagt sich der Museumsdirektor  in der Leere seiner Säle .

11

Am Boulevardul Ion Mihalache.

Bukarest ist eine sehr reizvolle Stadt . Dochdoch und bittebitte ! nicht weitersagen !

Anachronismen ( noch ohne Patina-Zertifikat!) überlappen sich mit Prisen von hipper Kapitale ( so was braucht man , soviel Planungssicherheit muss sein ) . Bäume noch in März-Kahl und Schwarzholz ; sie geben den Silos im Licht-Schlitz dahinter etwas Demonstrierendes : Wir demonstrieren `Haus ´.

12

In den Klüften meiner Vervollkommnung

leiste ich mir Lücken ,

gebe Trinkgeld ,

verplempere Lücken aus freien Stücken

( während der Wechselkurs fällt  ) ;

bin großzügig auf anderntags Kosten ,

gelangweilt und getröstet durch meine Aktivposten .

Andere sind deutlich toter als ich im Vergleich ,

im Vergleich bin ich verschlampt steinreich .

13

Metropolitane Magistrale

12spurig (ungelogen )

und nirgends eine Radarfalle :

Strada Mircea Vulcanesco ,

nomen est omen ,

Metropolitane Magistrale ….

die Leute sich westöstlich durchzoomen ;

wie der Name schon sagt :

Teilchenbeschleuniger ,

Stimmungskanonen auf dem Highway ,

alle beschleunigt durch Fern-oder Heimweh ,

lauter Tatort-Verunreiniger .

14

Bukarest :

Ein Städteprofil ?

Ineinander gefranst gefräst ,

Abbruch-Schabracke und Signature Building ,

Etagenriegel und Zahnarzt-Domizil

mit Park drumrum , Best-

Western Hotels , die sich gediegen

anschmiegen , Wrestling-

Halls , in städtische Gobi einfügen ;

irgendwie alles zu gut getarnt :

Romantiker seien hiermit gewarnt ….

15

Blick aus dem Fenster :

Wohn-und Lebenswände geschachtelt , Blick auf Wohnsilos . Ceaucescu seis gedankt ; im 5-Jahresplan schlau sortiert , dicht gereiht wie die Sitzplätze im Colosseum , wie orthopädisch vermessen mit  Zirkel und Lot , Wohnungen , neudeutsch : Apartments , Wohn- und Lebensriegel , wellenparallel in einem Bevölkerungsozean , wie Wohnbrandung .                        Wie unbehaust….. müssen Menschen gewesen sein , wie sehr unter diesem Zustand leidend , dass sie eine Weltabriegelung in Beton bezogen haben ? Gegen die Schachbrett- ( aber nicht 8mal 8 , sonder 80 mal 80) Einordnung in Anonymität gibt es vereinzelt Widerstand : Dort unten in der 7.Etage hat wer ein exotisches Bast-Rouleau vor dem Fenster , ganz wie bei uns in Tahiti !

Weitere Farbtöne : Die  vor und auf dem Bürgersteig geparkten Autos . Herr Grigorescu zog allerdings auch hier die Farbe Grau vor .

16

Ein Gegensatz :  Kitschüberladene Kirchen , Plastik/gold/ikonen zuhauf , Mahagoni-Imitate zu Kerzenschein und völlige Schmucklosigkeit bei Mensch und Märzbeton , jenseits der hippen Straßen mit fastfood und Art/Gallery/schund .

Dort : Hipp meets patina , die Friends of the USA wissen ,  dass Irgendwas auf Alt gemacht , sprich Schnickschnack-Patina , eine Art Heiligenschein ist , mit dem sich wenigstens das Café an der Street Corner schmücken muss :

Patina und Heiligenschein :

Soviel an Zertifizierung muss sein ;

Patina beglaubigt Geschmack und Seriosität….

es ist ja so erfrischend spät .

17

Boulevard Magheru

oder : Stadtluft macht frei

Befreiungsschläge aller Art !

en gros und en detail !

der BMW Driver jubelt und leidet ;

wer seinesgleichen hier sucht und meidet….

Befreiungsschläge aller Art ,

ellbogig ruppig kantig unzart ;

Befreiungsschläge…..

Stadtluft macht frei !

Rempeln en gros und en detail

spaltet Städte mit  Hubraum und Beil :

( Jeder Rumäne zwischen 20 und 60 hat zur Vorsicht zwei Autos , die erst teil-emanzipierte Frau nur eins . Autos verhaften noch den Bürgersteig per Park-Not –oder Geschick -, befestigen sozusagen den Boden ….wie man Picknickdecken gegen Windstoß beschwert ).

18

Der junge Lord spottete über Mitreisende im Flugzeug :

„Der 75-jährige Pensionär  starb in getreuer Erfüllung seiner Dienstpflichten auf dem Flug nach Ibiza .“ (sic)

Und Lord Nonsuch reimt noch zum Nachtflug :

Die Stewardess …im Kinodunkel

guckt A320 mittelganglang , in die Röhre

sozusagen ; gleich bei Landedurchsage

zwitschert sie zweisprachig los wie ganze Volière .