Marco Polo
oder der Hass auf Geheimtipps
( Paris-Eindrücke Winter 2024 )
1
Passagiere im Schnellzug :
Ein Auslaufmodell …..
je weniger es von Deiner Art gibt ,
desto besser/
billiger/schnell-
er gehts : DAS ist der Gradmesser
für Reisen/ für Schlaue !
Wenns Dich erst mal nicht mehr gibt :
Wirds wirklich billig .
„ Wir schrauben an Ihrem gänzlichen Verschwinden :
Noch weniger Platz !
Brauchen Sie wirklich die ganze Länge ? 1m79 ? “
(aus dem Loblied auf den EuroStarExpress nach Paris )
2
Ertappt bei meinem guten Geschmack
(gähn) ,
Schnappatmung
vor lauter Aufwertung ( vulgo Gentrifizierung )….
irgendwie Paris wie Venedig :
Eine Art Zwiebel ,
beliebig schälbar , behauptet dabei :
Dies sei Kern und Substanz !
„Hier stößt man auf festen Boden !“
(Aber dazwischen : Wirklich ! Echte Pariser ! Es gibt sie wirklich ! )
3
Oder : Der eingeölte Ringer namens Proteus :
Nein , Du wirst sie nicht einholen , die Gralshüter der Anachronismen , real people , real heroes , real victims ….oder doch ?
4
Marais-Viertel .
Die Häuser überbieten sich in schönen Rahmen , man lechzt nach ihen Bewohnern , Biographien , Realien – oder lieber doch nicht ?
Bin angeödet von meiner Feinschmeckerei .
5
Per Youtube-Zufall :
Jacques Loussier spielt Ravels Bolero . Das gnadenlos langsame Exerzieren , Ausführen , Exekutieren einer Reichs-Acht , gibt mir ein Gedulds-Signal für mögliches Einleben in Lutetia 2024 .
Striptease-zäh lechzt man nach Aufleben, Ziel-Leben , nach Lösungswort .
6
Jedes Haus rundum des Place des Vosges wie mit Heftzwecke verdeutlicht !
Tourismus : Wir spielen Theater , alles ist Kulisse , wir unter
Mitmach-Spielzwang …
Nein , ich WILL Euer Spiel nicht spielen ! Ich die Maus , Ihr die Katze ,
Ihr der immer-schon-da-Igel ?
7
Aber die Tango-Milonga mit der Tänzerin Andrea Kuna :
Als habe sich ein Wind gefangen , sucht Ausweg , entschließt sich überstürzt zum Sturm in der Gardine .
Der Bassist ( Richard Basnier ) überragt seinen Kontrabass-Kürbis , in Körperpräsenz zwischen aufrecht und in Spannung gekrümmt , nervös wie ein Boxer , der zurückweicht und angreift .
Ein Bandoneon-Spieler aus dem Reich der Peron , Videla , Milei :
Gilberto Pereyra ! Mal ist sein Instrument eine vielgliedrig gewundene Schlange , mal schlägt er mit der Ausfaltung der Akkordeonrippen ein Pfauenrad .
( Théâtre Comédie Bastille 22.12.2024 )
8
Marais oh unkaputtbar :
Schlanke hohe Wohnschachteln
wie in Daguerres Tagen ,
abends im Krippenlicht ,
Antwort in allerlei Geschmacksfragen …..
sagen wir ruhig :
Überwiegend guter Geschmack
mit deutlicher Prise Transatlantikflair ,
nicht ganz 51.Bundesstaat ,
von California quer her übers Meer ….
französische Kolonisierungs-Tat !
Wer nicht geht mit McDonald und der Zeit
verliert sein Recht auf
Geselligkeit .
PS: Von draus von Mar-el-Lago komm ich her ,
so weit her meine Mär .
9
Caillebotte !
hat den Generalschlüssel
für die Suchenden . Impressionisten-Tapete geht immer , Anachronismen forever , auf der Flucht vor zweipunktnull und digitaler tabula raser ,
zwischen Caillebotte-Sofa
und Sackgassen-Postmoderne
irgendwas zwischen Heimat und Ferne :
„ Im Ernst : Sie investieren in (Kunst -)Bananen ?
Man muss ja Geschäft , Geschmack und SmallTalk verzahnen“ .
10
Bin Teil des Problems !
Mir durchaus bekannt !
Bin mit allen hier
fürchterlich verwandt ….
11
Und wenn diese Lebens-Station damals
die letzte gewesen wäre ?
Tja , man tut was so üblich ist ,
innerhalb der Frist ,
was soll ich sagen ,
SIE mit Ihren Fragen ,
wenns die letzte gewesen wäre ….
man tut was man kann gegen die Leere .
12
Mütter-und Töchteridyllen
vom Ganzen die festive Krönung ;
wie spröde fast : Zu sagen :
Versöhnung …
13
Verquere Logik von
Anti-Rassist :
Wer braungelbschwarz : Darf bleiben !
Ist nachgewiesenermaßen kein Tourist !
14
Lieferanten-Camionettes
aus dem High Window ,
ich vor Rasierspiegel
( erste Heimatadresse
glatte Marmorvisage
abgründig
Ende der Blamage ).
15
„Jéna? Jéna!“
„Frohnklän Roosevelt ? Frohnklän Roosevelt!“
Frage ? Antwort !
vom Metro-Band , beruhigend .
16
Paris bevölkert von
Troglodyten ,
die Baron Haussman
per Metro unterbieten ….
17
Musée des Années Trente , wie eine Dentisten-Klause aseptisch bestmöglich kunstfreundlich ; kühn und freche Erst-Idee-Inhaber/innen , allesamt mit kaum noch was zu verlieren nach 1914-1918 , richten sich das Leben neu ein…
(Albtraum bitte souterrain ) .
18
Métro Grande Jatte
Sensation-alisten überall ,
überall und laut
noch vor dem Sündenfall ;
Sensation-alisten mit Flüstertüte chronisch ,
unsalomonisch
überall und laut ,
jeder jeden staut ,
gläsersplitternd spitz :
Weihnachten mit Kids ;
alle aufgeregt ,
cool? ist man zuhaus .
Zu Scherzen aufgelegt :
Noahs Arche strandet ,
unser Ararat
zu Paris , mit Mann und Maus .
19
Metro-Stationen ,
drei Etagen übereinander ,
wie Tintenfischarme gewrungen ;
in die Länge vermeidend ,
sich überschneidend ;
beschleunigte Maulwürfe wir alle ,
in Karambolage
auf jeder Etage…..
Metrostation wie Darmverschlingung ,
wie beschleunigte Lasso-Schwingung ;
wie Mäuse wir alle
in unterwegiger Falle .
20
Improvisieren in engem Hotelzimmer ….
wie im Dschungelbuch !
Lote die Welt aus ,
was Du findest , bereichert uns alle !
Pariser Hotelzimmer ,
groß wie Fernsprechzellen ,
wo wir mit Mühen
uns aus Klamotten schälen ;
in Dschungelbuchstrategien
uns Croissants reinziehen ,
bemüht um Haltungsnoten
Frühstücks-Chancen ausloten ;
dass durch Nadelöhre
ich nicht den Nachbarn störe .
21
Fünfter Tag
s.o. Haltungsnoten
und Chancen ausloten :
Wo einst die Fauvisten
auf engstem Raum
die Musen küssten …..
Schwerkraft zu überlisten ,
überlisten die Schwerkraft ;
die Zellen zu klein für Einzelhaft .
22
Paris
( ich meine die Stadt)
ist ein Bluff seitens der Schlauen !
Irgendwas muss man ja oben zur Tarnung
über die Metro bauen ….
23
Musée des Années Trente
Das schon oben beschriebene Haus ist am heutigen Samstag leer ! Muss man ein schlechtes Gewissen haben gegenüber Künstler und Kunst ? Habe ich die Säle mit egoistischem Erfolg leergewünscht ?
Auf dass man sich hier in der Leere wohlfühlt ? In Abwesenheit der Massen , deren Wertschätzung man den Künstlern eigentlich wünschen will ? Gibt es eine kunstgerechteAura ohne die Gefährdung durch Massen ? Gibt es eine Kunst ohne den gravitätischen Genehmigungs-Stempel der Masse ?
Bleib doch zu Hause , wenn wir Dich stören , sagt da die Masse .
24
Musée André-Jacquemart und der Besucher-Andrang am
- Weihnachtstag . Na klar , alles andere hat zu , und Kultur passt ja wenn nicht wann heute .
Wir imaginieren einen Dialog :
Der gut gelaunte Oscar Wilde würde sagen :
Eigentlich sowohl egal , was hier aushängt , als auch , wer alles angelockt worden ist ; Hauptsache , es gibt hier noch ein bisschen Platz vor dem Spiegel .
Sein Zeitgenosse ( oh was für Zeiten !) Friedrich Nietzsche könnte sagen:
Je mehr Besucher , v.a. Deutsche , desto mehr bin ich entlarvt .
25
Bei Carpaccio , jedenfalls im Bild von Hippolyta und Theseus , sehen sogar die Hunde quer : Von Prinzessin und Fürst ganz zu
schweigen : Jeweils eine 90 Grad Abkehr von einander und überhaupt : Ist das eine Renaissance-Aussage über den Modus der
Kommunikation ? Ratlosigkeit der Einberufung ?
26
Weihnachten ,
traute Lichthöhlen ;
nur die Kerzen sind geblieben ,
wie damals so heute
( à la George La Tour )
Kerzengebet, fast wie erhört :
Familie , die ich/ die sich zerstreute ,
keusche Wünschearmut pur ,
die jedes Bild füllt ,
damals wie heute :
Troja 1 bis sieben ,
nur die Kerzen sind geblieben …..
alle Lieben , derer Sieben ,
Kerzenschein der Absenzen voll :
Absenzen letztlich doch in Moll .
27
Bin Teil des Problems !
Mir durchaus bekannt !
Bin mit allen hier
fürchterlich verwandt ….
28
Gentrifikation
heißt : Geschichte berichtigen ,
Gewissen beschwichtigen ;
Filter für Frieden
hienieden ,
im 4 Arrondissement ;
wenn uns nichts von damals trennt …..
Gedenkstätte einmal anders :
Monster gehen als Pandas .